Turngau Coburg-Frankenwald Ein Traditionssport mit Zukunft

Der Turngau stellte sich stets erfolgreich den Herausforderungen der Zeit.

 
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Coburg - Turnen hat in der Vestestadt eine lange Tradition. So wurde bereits im Jahr 1860 das erste Deutsche Sportfest in Coburg abgehalten. In diesem Jahr feiert nun die Turnfamilie ein ganz besonderes Jubiläum: Der Turngau Coburg-Frankenwald mit seinen 104 Vereinen und mehr als 9000 Mitgliedern besteht heuer seit 100 Jahren. Eigentlich war für Januar eine große Feierstunde geplant, schließlich wurde der Turngau auch exakt am 22. Januar 1922 aus der Taufe gehoben. Coronabedingt musste sie jedoch leider abgesagt werden. „Unsere Sportgala mit mehr als 20 Vorführgruppen an zwei Abenden konnte Gott sei Dank vergangenen Oktober noch stattfinden, aber es ist natürlich sehr schade, dass wir unsere große Feierstunde absagen mussten“, erklärt Hartmut Jahn, der seit mehr als zwei Jahrzehnten Vorsitzender des Turngaus ist.

Nun hofft man, dass neben diversen Wettkämpfen zumindest das Gaukinderturnfest im Juli stattfinden kann. Zudem sind auch zwei Workshops für Helfer im Kinderturnen im März und im Juni geplant. „Wir werden aber das ganze Jahr 2022 viele unserer Aktivitäten unter die Prämisse des Jubiläums stellen“, so Jahn weiter. „Coburg ist ein ganz starker Sportstandort für sämtliche Sportarten und bietet dafür eine tolle Infrastruktur. Ein Grund dafür ist auch die lange und erfolgreiche Geschichte des Turngaus und natürlich die vielen Aktiven und ehrenamtlichen Helfer“, würdigt Oberbürgermeister Dominik Sauerteig die Verdienste der Turnfamilie. Das Jubiläum zeige zudem, dass man sich stets erfolgreich den Herausforderungen der Zeit gestellt habe, betont des Weiteren Landrat Sebastian Straubel, der die Schirmherrschaft für das Jubiläum übernommen hat.

Ganz speziellen Herausforderungen musste sich der Turngau Coburg-Frankenwald dabei bereits vor seiner eigentlichen Gründung stellen: Seine Geschichte beginnt nämlich eigentlich bereits am 30. Mai 1867. Damals wurde der neue Turnerbund „Nordfränkischer Gau“ von Coburger Turnvereinen, die bis dato dem „Südthüringischen Turnerbund“ angehörten, gegründet. 1869 wurde der „Nordfränkische Gau“ in den „Thüringisch Fränkischen Gau“ umbenannt. „Man darf nicht vergessen, welchen Stellenwert Turnen damals in Deutschland hatte. Fußball war noch eine verpönte, eher unbekannte Randsportart aus England. Turnen hingegen war Teil der deutschen Erziehung und diente der Formung des Charakters“, erklärt dazu Jürgen Rückert, Coburger Kreisvorsitzender des Bayerischen Landessportverbands.

Nach dem Anschluss des ehemaligen Herzogtums Coburg an Bayern im Jahr 1920 regte sich auch bei den Turnern der Vestestadt der Wunsch auf Anschluss an den Bayerischen Turnerbund. Doch dieser Wunsch wurde laut Turngau-Chronik zunächst nicht erwidert. Auf einem außerordentlichen Gauturntag, damals noch im Thüringisch-Fränkischen Gau, am 11. Dezember 1921 auf der „Ausflugsgaststätte Kapelle“ in Coburg, wurde ein Antrag der Coburger Turnerschaft auf Anschluss an den Bayerischen Turnerbund mit 94 gegen 68 Stimmen abgelehnt. Die Folge davon war der Austritt der Turngenossenschaft Coburg mit den drei Vereinen TS Coburg, MTV Coburg, dem TV Coburg von 1848 sowie des TV Grub am Forst aus dem Thüringisch-Fränkischen Gau. Kurze Zeit darauf, am 5. Januar 1922, schlossen sich die zuvor genannten Vereine, zu denen sich auch der TV Ebersdorf gesellte, dem Bayerischen Turnerbund an. Der bestimmte, dass die nunmehr übergetretenen Vereine einen eigenen Turngau bilden sollten.

So wurde in der Gründerversammlung am 22. Januar 1922 in der Rückertschule Coburg ein Gauvorstand konstituiert und als Turngauvorsitzender Studienrat August Schnetter gewählt. Eine Woche später trafen sich die Gauvereine für eine weitere Besprechung zusammen. Von 20 erschienenen Vereinen hatten sich laut der Turngau-Chronik bereits 19 für den Anschluss an den Bayerischen Turnerbund erklärt. Die entscheidende Zusammenkunft erfolgte am 9. April. Neben dem Kreisvorsitzenden des 13. Kreises (Thüringen) und des 12. Kreises (Bayern) war auch der damalige Vorsitzende der Deutschen Turnerschaft, Dr. Oskar Berger (1919–1929), anwesend. Insgesamt stimmten 22 Vereine für den Verbleib beim Bayerischen Turnerbund, sechs Vereine beim Thüringisch-Fränkischen Gau, ein Verein enthielt sich der Abstimmung. Somit war der Anschluss der Turnvereine des Coburger Turngaus an den bayerischen Turnerbund entschieden.

Der Turngau Frankenwald, der 1897 aus dem Gau Nordoberfranken entstanden war, schloss sich laut der Gau-Chronik am 31. Mai 1975 nach einigen Verhandlungen im Zuge der Struktur- und Gebietsreform des BTV mit dem Turngau Coburg zusammen. Letzter Gauvorsitzender des Turngau Frankenwald war Karl-Herbert Fick. Neuer Gauvorsitzender des Turngau Coburg-Frankenwald wurde Kurt Heller.

Heute stellen sich die 104 Sportvereine gänzlich anderen Herausforderungen: Nach dem Lockdown im vergangenen Jahr war die Sorge groß, ehrenamtliche Mitarbeiter könnten den Sporthallen fernbleiben und das Sportangebot dadurch schrumpfen. Doch stattdessen können sich die Sportvereine im Freistaat sogar über aktuell wieder steigende Mitgliederzahlen freuen. „Sie schaffen es, mit diversen Angeboten, die Bürgerinnen und Bürger zu begeistern und sorgen mit ihrer Leistung für ein großes Stück Teamgeist, Spaß und Bewegung in der Region. Ich darf allen verantwortlichen und ehrenamtlichen Mitstreitern ein herzliches Dankeschön aussprechen für dieses riesengroße Engagement“, so Landrat Straubel. „Es hat sich gezeigt, wie groß das Verlangen nach Bewegung ist. Als Sport in der Sporthalle nach dem Lockdown wieder möglich war, sind Tränen geflossen“, schildert auch Jahn.

Auch das sportliche Angebot hat sich im Laufe des vergangenen Jahrhunderts stark verändert. In den Gründungsjahrzehnten gab es unter anderem Gaujugendturnen, Gauspiel-, Gausport- und Gauschwimmfeste mit diversen Disziplinen wie Geräteturnen, Volksturnen, das Spiel in seinen verschiedenen Arten, Schwimmen, Wandern, Wintersport und Kleinkaliberschießen. Heute sind es durchweg turnerische Disziplinen, die bei verschiedenen Wettkämpfen gefordert werden.

Bis heute übernimmt der Turnsport im Leistungsbereich eine wichtige Funktion, wie Jürgen Rückert erklärt: „Aber auch jeder andere Leistungssportler sollte eine turnerische Grundausbildung haben.“ Neben dem turnerischen Geschick, können sich die Coburger auch musikalisch ausbilden lassen. Insgesamt zählt der Turngau Coburg-Frankenwald fünf Spielmannszüge in seinen Reihen. Seit 1954 bildet beispielsweise der Spielmannszug des TV 1894 Coburg-Neuses Groß und Klein an den klassischen Instrumenten wie Spielmannsflöte, Trommel, Pauke oder Klarinette aus.

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