Ukraine-Krieg Für ein bisschen heile Kindheit

Yannick Seiler

Coburg verhält sich vorbildlich bei der Aufnahme geflüchteter Ukrainer. 500 Menschen sind bislang offiziell registriert. Inzwischen baut man weitere Hilfsangebote auf.

 
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Im Garten des ehemaligen Coburger Kinderhauses sollen ab kommender Woche aus der Ukraine geflüchtete Kinder spielen. Foto: /Yannick Seiler

Wer sich nach ungewissen Tagen, geflüchtet vor dem Krieg, der in der Ukraine tobt, in der Vestestadt wiederfindet, dessen Reise endet wohl in einer Stadt, die sich um ihre Neuankömmlinge kümmert. Das hat sich gezeigt, als an diesem Donnerstag ranghohe Beamte der Stadtverwaltung samt Oberbürgermeister Dominik Sauerteig (SPD) und Stadtsprecher Louay Yassin am Holztisch in der Regimentsstube des Rathauses über hiesige Hilfsangebote sprachen – und darüber, wo geflüchtete Kinder bald spielen dürfen. Dennoch wies Sauerteig darauf hin: „Wir stehen vor einer Herausforderung, die riesig ist.“

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Sie beginnt mit der Anzahl an Geflüchteten, die in der Stadt Zuflucht gefunden haben, und Coburgs Vorbildfunktion, was die Aufnahme von Ukrainern angeht. Rund 500 Menschen, meist Frauen und Kinder sowie Senioren aus dem Kriegsgebiet, haben in der Vestestadt ein neues Zuhause gefunden – offiziell. „Es gibt eine hohe Dunkelziffer“, sagte Susanne Müller, bisher Gleichstellungsbeauftragte und nun auch Leiterin der sogenannten Taskforce Ukraine. Denn zusätzlich zu registrierten Neuankömmlingen seien demnach viele Geflüchtete bei Freunden und Verwandten untergekommen. 162 Menschen muss Coburg laut Sozialamtsleiter Holger Diez, der vor rund sieben Jahren während einer Fluchtbewegung die Unterbringung von Schutzsuchenden organisierte, aufnehmen.

Eher in die Stadt

Seit Kriegsbeginn vor rund zwei Monaten habe Coburg mehr als drei Mal so viele Menschen aufgenommen, wie es staatliche Stellen geplant hatten, sagte Sauerteig. Grund sei demnach, dass ein Drittel der nach Deutschland geflüchteten 300 000 Ukrainer Bayern als Zufluchtsort wählten. Innerhalb des Freistaats leistet Oberfranken laut Sauerteig einen „sehr, sehr großen Beitrag“. Er wies darauf hin, dass meist kreisfreie Städte eine Großzahl Geflüchteter aufnehmen, da Menschen eher in einer Stadt wohnen möchten. Doch: „Kommunen können nicht alle Probleme lösen.“

Zudem sei Bamberg ein Verkehrsknotenpunkt, um Ukrainer auf Landkreise und kreisfreie Städte zu verteilen, sagte Diez. Deshalb sind laut dem Sozialamtsleiter etliche Busse voller Geflüchteter, die im Ankerzentrum der Domstadt Oberfranken erreichten, nach Coburg gefahren worden. In der Vestestadt haben sie neben einer medizinischen Untersuchung einen Schlafplatz in einer Sammelunterbringung, meist einer Turnhalle, erhalten. Anschließend sei ihnen eine private Unterkunft vermittel worden, erklärte er. Da freie Wohnungen in Coburg dieser Tage ohnehin rar sind, sprach Diez von einer „Herkulesaufgabe“.

Derzeit könne man bis zu 150 weitere Menschen in einer Sammelunterkunft aufnehmen, sagte der Amtsleiter. Eine Halle lasse sich dafür binnen zwei Tagen umbauen, samt Sicherheitsdienst und Essensversorgung, fügte er an. Seit eineinhalb Wochen haben demnach keine neuen Flüchtlinge des Ankerzentrums mehr die Vestestadt erreicht.

Ein Leuchtturm zum Toben

Wer Ukrainer, die bisher nicht registriert sind, aufgenommen hat, möge zeitnah einen Termin mit der Stadtverwaltung ausmachen, erklärte Louay Yassin, Pressesprecher der Stadt. Zwar leisteten Beamte derzeit bis zu zehn Überstunden täglich, um den Herausforderungen Herr zu werden, doch müsse man einige Zeit auf Termine im Rathaus warten.

Ab kommender Woche erweitert die Stadt nun ihr Hilfsangebot. Dann können geflüchtete Kinder laut Gabriele Kappner, stellvertretende Jugendamtsleiterin, im Palais Kyrill und dessen Garten spielen. Dort war Coburgs Kinderhaus untergebracht, derzeit steht es leer. Die Spielgeräte habe man glücklicherweise noch nicht abgebaut, sagte sie. Mehr noch soll das Areal am Oberen Bürglaß 2 zu einem Begegnungszentrum für Ukrainer werden. Ab Dienstag, 26. April, stehe es laut Mitteilung der Stadt denjenigen Geflüchteten offen, deren Kinder noch keine Schule besuchen und noch keinen Kindergartenplatz haben. Demnach sollen sich dort Familien auch vom Erlebten ablenken und sich austauschen können. Kinder könnten dort Deutsch lernen, malen, basteln und herumtoben, heißt es. Mayak, Ukrainisch für Leuchtturm, werde das Gelände demnach heißen. Laut Mitteilung wird die Begegnungsstätte künftig montags zwischen 13 und 15 Uhr, dienstags zwischen 10 und 12 Uhr und donnerstags zwischen 13 und 15 Uhr geöffnet sein. Auch Gastfamilien seien willkommen. Wie viele Ukrainer das Angebot wahrnehmen werden, lasse sich nicht sagen, erklärte Kappner. Derzeit verzeichne man 22 Anmeldungen Geflüchteter für die Kitabörse.

Auch neu ist laut Gabriele Kappner ein Spielzimmer in einer Sammelunterkunft. Das habe man nun mit Spielsachen ausgestattet, erklärte sie. Künftig werden Studierende dort sechs mal pro Woche jeweils zwei Stunden lang Kinder betreuen. Dadurch sollten sich Mütter eine Auszeit nehmen können, ergänzte sie.

Sauerteig lobte die Hilfs- und Spendenbereitschaft der Coburger. Auch wies er auf einen für das Zusammenleben in Coburg wichtigen Aspekt hin: „Russisch sprechende Mitbürger sind nicht schuld am Krieg in der Ukraine.“