„Willkommen“ hat viele Gesichter Ukrainische Schüler im Landkreis Kronach

Veronika Schadeck
Marietta Rösler mit ihren ukrainischen Schützlingen. Foto: /Veronika Schadeck

Drei Monate nach ihrer Ankunft gilt für Kinder aus der Ukraine Schulpflicht. Im Landkreis lösen die Schulen Sprachproblem und Integration auf unterschiedliche Weise.

 
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Mehr als 600 ukrainische Bürger sind im Landkreis Kronach gemeldet. Davon sind 67 Kinder im schulpflichtigen Alter (Grund- und Mittelschule). Drei Monate nach ihrer Ankunft gilt für diese Heranwachsenden die Schulpflicht. In Willkommensklassen sollen sie nicht nur willkommen geheißen werden, sondern auch die deutsche Sprache, das Alphabet und das bayerische Schulsystem kennenlernen. Doch die Realisierung ist wegen erforderlicher Schülerzahlen an den einzelnen Schulen und Personal nicht so einfach. An der Tettauer Schule hat man nun eine andere Lösung gefunden. Die Seniorchefin von Rösler-Ceraminno GmbH und Lehrerin, Marietta Rösler, unterrichtet drei Kinder im Grundschulalter auf ehrenamtlicher Basis.

„Ich bin zehn Jahre?“, „Was brauche ich alles in der Schule?“, „Wo ist die Ukraine?“, fragt Marietta Rösler und zeigt auf eine an der Wand hängende Landkarte. Teilweise schüchtern und zugleich mit einem gewissen Stolz antworten die Kinder. Das Besondere: Die Schüler sprechen eigentlich kein Deutsch. Sie flüchteten mit ihren Müttern aus der Ukraine und kamen deshalb nach Tettau. Marietta Rösler hat somit eine zusätzliche und zugleich neue Aufgabe gefunden. Spielerisch, mit Bildern und teilweise mit Handy, versucht sie den Kindern, Grundkenntnisse der deutschen Sprache zu vermitteln.

Erfahrung im Unterrichten

Marietta Rösler hat Erfahrung im Unterrichten von ausländischen Kindern. Als junge Lehrerin brachte sie Anfang der 70er-Jahre türkischen Gastarbeiterkindern die deutsche Sprache bei. Anders als heute gab es damals kaum organisierte Deutschkurse, keinen Google.de- Übersetzer und Apps. Dafür gab es für Gastarbeiter eine Menge Jobs. Für die Gastarbeiterkinder und die Flüchtlingskinder war und ist das Leben in Tettau eine komplett neue Situation. Hinzu kam, und das ist auch heute so, sie sprechen kein Wort Deutsch.

Vor rund vier Jahren hat Marietta Rösler die Kinder eines Mitarbeiters aus Moldau in den Büroräumen der Firma regelmäßig – und das nach Beendigung des Regelunterrichts – in Deutsch unterrichtet. Als sie von der Ankunft von ukrainischen Flüchtlingen in Tettau hörte, zögerte sie nicht lange und bot der Schulleitung an, diese Kinder zu unterrichten.

Seit rund vier Wochen ist sie nun täglich an der Schule, übt ab 7.40 Uhr und kümmert sich um die Kinder, jeweils zwei Stunden lang. Es gehe darum, dass die Kinder einfache Sätze sprechen und sich verständigen können. Sie sollen lernen, sich im Alltag zurechtzufinden. Die Sprache, sagt sie, sei nicht nur ein Schlüssel für die Integration, sondern auch die Grundlage für einen Bildungserfolg und gesellschaftlicher Teilhabe. In diesem Zusammenhang berichtet sie nicht ganz ohne Stolz, dass ihre moldauischen Schützlinge mittlerweile die weiterführenden Schulen besuchen. Und mit vielen ihrer mittlerweile längst erwachsenen türkischen Kinder stehe sie noch heute in Kontakt.

„Ein gutes Gefühl“

Marietta Rösler ist überzeugt, dass Kinder aus fremden Ländern eine Vertrauensperson brauchen. Außerdem sei sie gerne mit Kindern zusammen. „Insgesamt ist es ein gutes Gefühl!“ Rösler räumt aber auch ein: „Manchmal ist es schon etwas anstrengend.“ Der Unterricht mit ukrainischen Kindern kann nicht mit dem der Gastarbeiterkindern von damals verglichen werden. Das liegt am Krieg. Vor wenigen Wochen noch sind sie in ihrer Heimat zur Schule gegangen. Nun sind sie in einem fremden Land. Zwischen Heimat und Tettau liegen Kriegserfahrungen, die Angst vor Bomben und Raketen, Nächte in Kellern und Metroschächten, die Flucht durch zerstörte Städte. Die Kinder kommen aus dem Osten der Ukraine, aus einer Region, die seit Beginn des Ukrainekriegs sehr zerstört worden ist. Ihre Väter, Onkel und Brüder befinden sich in der Armee beziehungsweise unterstützen diese und kämpfen für ihre Freiheit. Teilweise müssen Traumata bewältigt werden. Hinzu komme, dass die Kinder und ihre Mütter möglichst schnell zurück in ihr Heimatland wollen. Aber auch sie lerne dazu, meint Rösler. In diesem Zusammenhang spricht sie unter anderem von Bräuchen, Essgewohnheiten, et cetera und auch vom Bewusstsein, dass Frieden nicht selbstverständlich ist.

„Die Sprache verbindet“, meint die Schulleiterin Birgit Weiß. Deshalb freut sie sich über das Engagement von Marietta Rösler. Zudem weist sie darauf hin, dass mit Monika Pflaum auch zwei Förderstunden an der Tettauer Schule abgehalten werden.

450-Euro-Kraft in Marktrodach

Einen anderen Weg geht Marktrodach. Wie Bürgermeister Norbert Gräbner erläuterte, hat die Gemeinde eine 450-Euro-Kraft für die Mittagsbetreuung von ukrainischen Grundschülern eingestellt. Diese spricht sowohl Russisch als auch Deutsch. Bisher habe man damit gute Erfahrungen gemacht.

In Küps besuchen die ukrainischen Kinder an der Grund- und Mittelschule die Regelklassen. „Wir geben uns die größte Mühe“, sagt Schulleiter Holger Pohl. Denn Kinder brauchen ihren Alltag und eine gewisse Struktur. Sicherlich wäre es mit einer ukrainischen Fachkraft einfacher, aber die gibt es nicht. Ein Vorteil sei, dass an der Küpser Schule Kinder unterrichtet werden, die Russisch und Deutsch sprechen. Diese helfen gerne, zeigen beispielsweise das große Schulgelände und dolmetschen.

Willkommensklasse in Windheim

An der Windheimer Mittelschule besuchen 13 ukrainische Kinder die Willkommensklasse. Es gehe darum, die Heranwachsenden willkommen zu heißen, sie ein Stück weit zu unterstützen in ihrer neuen Umgebung, sagte der Schulleiter Bernd Jungkunz. Zudem soll der Spracherwerb intensiviert werden. Was die Planungen für das kommende Schuljahr betrifft, so wisse keiner, was bis dahin passiert, meint Jungkunz: „Wir leben jetzt, wichtig ist, dass sich die Kinder jetzt wohlfühlen.“

Wie die Leiterin des Schulamtes, Gisela Rohde, auf Anfrage mitteilte, gebe es derzeit im Landkreis Kronach keine Willkommensklassen an den Grundschulen. An den Mittelschulen gebe es zwei und eine an der Realschule I. Wie sie weiter erklärte, könne erst ab zehn Schülern eine Willkommensklasse gebildet werden. Personal hierfür wäre einsetzbar, sobald es die Schülerzahlen zulassen. Der Ablauf des Unterrichts in den Willkommensklassen richte sich nach den Rahmenbedingungen der Schulen. Wie sie weiter erklärte, sei es durchaus möglich, Ehrenamtliche in die Mittagsbetreuung von ukrainischen Kindern miteinzubeziehen.

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