Für die Zukunft befürchtet die EU-Kommission aber nicht nur Abhängigkeiten bei der Rohstoffversorgung. "Systemrivalen versuchen, unsere Industriekapazitäten an sich zu ziehen und damit unsere Abhängigkeiten von morgen zu schaffen", sagte Breton mit Blick auf China. Im Bereich Elektroautos sehe er etwa ein reales Risiko, Nettoimporteur zu werden - also mehr Autos zu importieren als zu exportieren. "Vergangenes Jahr hat China Deutschland überholt und ist zum zweitgrößten Autoexporteur der Welt geworden", so der EU-Kommissar.
"Wir müssen hier jetzt überall Gas geben, um das Klima zu schützen"
Um diesem und anderen Abhängigkeitsrisiken zu begegnen, sollen mit dem zweiten Gesetzesvorschlag unter anderem Genehmigungsverfahren für strategisch wichtige Wertschöpfungsketten erleichtert werden. Zudem sieht der Vorschlag vor, Beihilferegeln zu vereinfachen und die Verwendung von EU-Mitteln zu flexibilisieren. "Kurz gesagt, das Netto-Null-Industrie-Gesetz sorgt für Tempo, Vereinfachung und es stellt Fördergelder bereit", sagte von der Leyen. Welche Industrien genau von Sonderregeln profitieren sollen, wurde bis zuletzt diskutiert. Der CDU-Europaabgeordnete Peter Liese begrüßt den Vorstoß. "Wir müssen hier jetzt überall Gas geben, um das Klima zu schützen und von Russland unabhängig zu werden", sagte er.
Der Vorschlag zum Netto-Null-Industrie-Gesetz war auch innerhalb der EU-Kommission intensiv diskutiert worden. Durchgesickerte Entwürfe des Vorhabens hatten Autoren der Denkfabrik Bruegel als äußerst besorgniserregend bezeichnet. Die politischen Ziele seien unverhohlen protektionistisch. Wie stark sich der endgültige Vorschlag von bekannten Entwürfen unterscheidet, ist noch unklar. Von der Leyen wies die Kritik zurück. "Es gibt keinen einzigen Punkt, der protektionistisch ist", sagte sie der Deutschen Presse-Agentur und anderen Agenturen in einem Interview des European Newsroom.