Untermerzbach Wirbel um den Nachmittagsbus

Pia Bayer
Unter Untermerzbacher Eltern sorgt die Ankündigung für Wirbel, dass ab dem kommenden Schuljahr kein Bus mehr nach dem Ende der Nachmittagsbetreuung an der Grundschule fahren soll. Foto: picture alliance/dpa/Jan Woitas

Die Gemeinde Untermerzbach will den Nachmittagsbus an der Grundschule einstellen. Das Angebot bisher war eine freiwillige Leistung der Kommune. Nun wird ein ehrenamtlicher Fahrer gesucht.

 
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Vieles lernt man erst zu schätzen, wenn man es nicht mehr hat: In Untermerzbach trifft dieser Satz nun gerade zum Teil auf den gemeindeeigenen Grundschulbus zu. Unter Eltern sorgt die Ankündigung für Wirbel, dass ab dem kommenden Schuljahr kein Bus mehr nach dem Ende der Nachmittagsbetreuung an der Grundschule fahren soll. Bisher sind in der östlichsten Gemeinde der Haßberge mittags mindestens zwei Busse direkt an der Grundschule abgefahren: einer direkt nach dem Schulschluss der jeweiligen Klassen und einer nach dem Ende der Nachmittagsbetreuung gegen 15.45 Uhr. Was viele nicht wissen: Es handelte sich dabei seit jeher um ein freiwilliges Angebot der Kommune. Die letzte dieser Fahrten soll mit dem kommenden Schuljahr nun eingestellt werden. Das bestätigt Bürgermeister Helmut Dietz (SPD) auf Anfrage der Neuen Presse. Die betroffenen Eltern traf die Nachricht völlig unvorbereitet. Zudem erreichte sie sie nur über Umwege. „Ich habe zufällig im Freibad davon erfahren“, sagt Anna-Lena Hundt, deren älteres Kind den Nachmittagsbus bisher regelmäßig zur Heimfahrt nutzte. Seitdem hat die Mutter auf mehreren Wegen versucht, die Gemeinde doch noch in ihrer Entscheidung umzustimmen.

So wurde Gemeinderat Florian Zang (SPD) gebeten, das Thema im Rathaus noch einmal anzusprechen und erneut zur Disposition zu stellen. Bürgermeister Helmut Dietz und auch Pfarrerin Sonja von Aschen wurden direkt kontaktiert. Eine Liste mit zehn Namen wurde erstellt, wer den Bus im nächsten Jahr nutzen würde. „27 Kinder sind fürs kommende Schuljahr in der Mittagsbetreuung angemeldet“, teilt Pfarrerin Sonja von Aschen auf Nachfrage mit. „Das Problem dabei ist, wir hatten bisher jedes Jahr zum Schuljahresanfang eine Liste mit rund sieben Namen“, sagt Bürgermeister Helmut Dietz und erklärt weiter: „Die Erfahrung zeigt aber auch: Ab Weihnachten werden es weniger, die den Bus nutzen, und ab Fasching dann noch einmal.“ Am Ende habe oft nur noch ein Kind pro Nachmittag im Bus gesessen, heißt es aus dem Rathaus weiter.

Ein Busfahrer fehlt

Es sei deshalb schwer erklärbar, „für ein oder zwei Kinder den ganzen Nachmittag eine Busfahrerin vorzuhalten“, so der Bürgermeister. Zumal die Arbeitskraft von Susanne Thomas, die den Bus bisher gefahren ist, nun effektiver und mit geregelteren Arbeitszeiten im Rathaus eingesetzt werden soll. Auch weiteres, bestehendes Personal aus der Gemeinde, wie zum Beispiel vom Bauhof, könne nicht für die Beförderung eingesetzt werden: „Das passt nicht zu den dortigen Arbeitsabläufen“, erklärt Helmut Dietz. Erst kürzlich hat auch der Wasserwart der Gemeinde gekündigt, der Bauhof leidet damit ebenfalls unter Personalmangel. Kurz und knapp: Es fehlt ein Busfahrer.

Auf die Anfrage von Anna-Lena Hundt antwortet Dietz: „Ich kann euer Anliegen verstehen. Die Einstellung eines zusätzlichen Fahrers mit Organisation des Fahrzeugs für einen, aus Verwaltungssicht, nicht schulischen Betrieb, offene Mittagsbetreuung, bedeutet finanziell wie auch verwaltungstechnisch einen erheblichen Aufwand. Wir werden aufgrund des genannten Bedarfs euer Anliegen nochmals prüfen. Ich kann aber nichts versprechen.“ Konkret heißt das: Geprüft wird nun, ob der gemeindeeigene Bus von Ehrenamtlichen gefahren werden kann. Dazu soll es einen Aufruf im Gemeindeboten geben. Zuvor müssen allerdings noch versicherungs- und steuertechnische Fragen geklärt werden, erläutert die Geschäftsführerin der Gemeinde, Tanja Zürl. Denn die Nachmittagsbetreuung werde durch die evangelische Kirchengemeinde organisiert, angeboten und abgerechnet. „Deshalb ist sie auch keine Schulveranstaltung“, so Zürl. Weiter bedeutet das: Der Versicherungsschutz sei nicht so einfach. Zum anderen: Die Kommune ist gar nicht zur Beförderung verpflichtet. Im ganzen Landkreis ist laut Rathaus Untermerzbach kein einziger öffentlicher Bus nach dem Ende von Mittagsbetreuungen eingesetzt. Auch in Untermerzbach gibt es die Möglichkeit für Fahrten zur und von der Grundschule durch den gemeindeeigenen Bus überhaupt nur, weil diese einen besonderen Ursprung haben.

Außergewöhnliches Angebot

Erstmalig angeboten wurden sie mit dem Antrag eines Schülers aus einem Gemeindeteil Untermerzbachs beim Landkreis, weil eine außergewöhnliche Belastung hinsichtlich der Beförderung zum Gymnasium in Ebern vorlag. Dem Antrag wurde stattgegeben, der Landkreis hätte tägliche Taxifahrten für den Gymnasiasten bezuschusst. Weil tägliche Taxifahrten aus ökonomischer und ökologischer Sicht allerdings nicht nachhaltig erschienen, entschloss sich die Gemeinde Untermerzbach für eine Beförderung mit dem gemeindeeigenen Kleinbus und erzeugte einen Mehrwert, indem sie darin auch gleich die Grundschulkinder der umliegenden Dörfern mitnahm. Statt für Taxifahrten zahlte der Landkreis den Zuschuss an die Gemeinde. 2020 nun ist die Beförderung des Gymnasiasten weggefallen und damit auch die finanzielle Förderung durch den Landkreis. Die Folge ist, dass der Nachmittagsbus künftig entfallen soll. Alle weiteren Fahrten mit den beiden gemeindeeigenen Kleinbussen dagegen soll es auch weiterhin geben – denn selbst die Fahrten nach dem jeweiligen Schulschluss der einzelnen Klassen sind, so wie sie derzeit geregelt ist, eine freiwillige Zusatzleistung der Gemeinde.

Das gleiche gilt für die zahlreichen Busfahrten täglich zur und von der Kindertagesstätte, die in der Gemeinde ebenfalls einmalig organisiert sind und für jedes angemeldete Kind sogar von Haustür zu Haustür erfolgen. Beim Kindergartenbus allerdings zahlen die Eltern pro Monat eine geringfügige Gebühr für die Nutzung. „Wir decken damit die Lücken im ÖPNV ab“, verweist Helmut Dietz auf ein übergeordnetes Problem. Denn im Grundsatz müsste die Gemeinde zwar für die Beförderung der Schulkinder sorgen, könnte dafür aber auch auf öffentliche Beförderungslinien ausweichen. Die Gemeinde Untermerzbach in Landkreis-Randlage kommt dabei allerdings besonders schlecht weg. „Die Linien sind ausgereizt, zusätzliche Busse kriegen wir nicht“, erklärt Bürgermeister Dietz dazu und sagt weiter: „Die Busunternehmer sind ausgeblutet. Zudem fehlen auch hier die Fahrer.“

Mehr Pflicht, weniger Kür

Angesichts steigender Belastungen auch für die Kommunen stellt Helmut Dietz darüber hinaus zudem schon jetzt in Aussicht: „Selbst unsere kleine Gemeinde wird in den nächsten Jahren damit beschäftigt sein, die Pflichtaufgaben zu erledigen.“

Inwieweit ein Nachmittagsbus für die Grundschüler in wenigen Jahren dann eventuell wieder zur Pflicht für die Gemeinde gehört, ist nach heutigem Stand noch unklar. Denn: 2026 wird ein Angebot zur Mittagsbetreuung für die Kommunen verpflichtend. Jedes Kind, das eingeschult wird, hat dann ein Recht auf Ganztagsbetreuung. Das haben Bund und Länder im letzten Jahr für die Grundschulen beschlossen. „Das heißt aber noch nicht, dass wir dann auch die Busfahrt nach Hause regeln müssen“, verweist Tanja Zürl in diesem Zusammenhang darauf, dass bei diesem Politikum noch nicht alle Fragen abschließend geklärt sind.

Die jetzt betroffenen Eltern in der Gemeinde Untermerzbach unterdessen werden sich nun mit dem Ergebnis arrangieren – egal wie die weitere Suche nach einem Busfahrer endet, erklärt Anna-Lena Hundt.

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