Der Verband Cannabiswirtschaft sieht dennoch Aufwind für die Branche. "Eigenanbau und Anbauclubs als Möglichkeiten zur Selbstversorgung sind zwar an sich nicht kommerziell, sie benötigen jedoch Infrastruktur, Ausstattung und Dienstleistungen", sagte jüngst Lisa Haag vom Fachbereich Technik, Handel & Dienstleistungen.
Viele Start-ups in Schwierigkeiten
Angesichts des Hypes um die Freigabe ist zudem ein Markt um allerlei (legale) Cannabis-Produkte entstanden - von Hanfduschgels über Hanftee bis Cremes. In München etwa eröffnete ein "Hanf-Megastore", der auf 800 Quadratmetern rund 1000 Produkte rund um Cannabis anbietet. Manches davon wie Hanfliköre fällt aber eher in die Spaßabteilung.
"Die Meinungen, ob die Teillegalisierung der Branche überhaupt noch hilft, gehen weit auseinander", sagt Rossoni, dessen Firma Teil des börsennotierten Arzneiherstellers Dr. Reddy’s ist und sich auf Cannabis-Fertigarzneien konzentriert. Jedenfalls sei die Wachstumsstory rund um eine Volllegalisierung vieler Start-ups zusammengebrochen.
Höhere Zinsen und knausrige Investoren
"Wir sehen keine nennenswerten Neueintritte von Firmen mehr in den Markt", beobachtet Jakob Sons, Mitgründer von Cansativa. Das hessische Unternehmen handelt mit medizinischem Cannabis, Jahresumsatz rund 17 Millionen Euro. Erschwerend dazu kommen gestiegene Zinsen und vorsichtige Investoren - das Umfeld für Start-ups ist generell rauer geworden. "Einigen Firmen geht die Puste aus", sagt Sons. "Wir beobachten erste Insolvenzen im Markt. Die Konsolidierung schreitet voran."
Sons sieht in der Teillegalisierung dennoch Vorteile. Der Beschluss des Bundesrats bedeute für Cansativa enorme Planungssicherheit. "Es ist kein großer Wurf, aber ein wichtiger Schritt im globalen Trend zur Entstigmatisierung von Cannabis." Da Cannabis ab April aus dem Betäubungsmittelgesetz genommen werden solle, könnten Ärzte medizinisches Cannabis leichter verschreiben.
Die Vorbehalte von Medizinern sind nach wie vor groß. "Mit der Teillegalisierung rechnen wir mit deutlich mehr Cannabis-Patienten in Deutschland", meint sein Bruder und Gründungspartner Benedikt Sons. Daher habe man sich bei Investitionen auf den Medizinbereich konzentriert. Für alle Partner im Verteilungsprozess - vom Anbauer über den Händler bis zur Apotheke - werde die Entscheidung zu bürokratischer Erleichterung und Wachstum führen, glaubt er.
Cannabis auf Rezept
Cannabis als Arznei hat schon seit der Liberalisierung 2017 einen Boom erlebt. Kranke können sich den Stoff vom Arzt verschreiben lassen, etwa gegen Spastiken bei Multipler Sklerose oder chronische Schmerzen sowie bei Beschwerden nach Krebs-Chemotherapien. Laut dem Marktforscher Insight Health bekamen 2023 rund 77.000 Cannabis-Patienten in Deutschland mindestens ein Rezept. Dazu kommen private Selbstzahler. Doch die Dokumentationspflichten für Ärzte sind bisher groß. Hier werde die Teillegalisierung helfen, erwartet auch Rossoni von Nimbus Health. "Die Akzeptanz bei Ärzten dürfte steigen."
Schon seit der Freigabe von Cannabis auf Rezept gab es Spekulationen über eine Liberalisierung auch im Freizeitkonsum. Doch die Zweifel an der Umsetzung sind groß. Kiffen im öffentlichen Raum etwa soll unter anderem in Schulen, Sportstätten und in Sichtweite davon verboten werden - konkret in 100 Metern Luftlinie um den Eingang. Und die Cannabis-Clubs sind als nichtkommerzielle Vereine zu organisieren und brauchen eine Erlaubnis, die befristet gilt. Werbung ist tabu, auch Cannabis-Konsum direkt vor Ort. Geregelt sind überdies Dokumentationspflichten. Rossoni ist skeptisch. "Ob sich das alles als praxistauglich erweist, muss sich noch zeigen."