Urteil in Coburg Lebenslang für grausamen Mord

Mathias Mathes
Justizvollzugsbeamte führen den Marokkaner, der eine Frau und deren Tochter erstochen hat, ins Landgericht Coburg.Eine Fußfessel soll seine Flucht verhindern. Foto: Frank Wunderatsch/Neue Presse

Ein Asylbewerber ersticht in einer Unterkunft für Flüchtlinge eine Mutter und ihr kleines Kind. Dafür verurteilt ihn das Landgericht Coburg – und stellt die besondere Schwere der Schuld fest.

 
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Eine Asylbewerberin aus Eritrea und ihr erst zweijähriges Kind sind am Pfingstsonntag des Jahres 2021 in Kronach einem brutalen Verbrechen zum Opfer gefallen. Ein 35-jähriger Mann aus Marokko, der sich seit 2018 in Deutschland aufhält, hat beide mit einem Messer getötet. Am Montag ist er am Landgericht Coburg zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Richterin Jana Huber stellte zudem fest: „Die Schuld des Angeklagten wiegt besonders schwer.“

Von einem der grausamsten Verbrechen, die jemals am Landgericht Coburg verhandelt wurden, sprach Oberstaatsanwalt Christopher Rosenbusch. Den 35-Jährigen nannte er „Doppelmörder und Kindesmörder auf einmal“. Vor den Augen der Mutter habe er deren zweijährige Tochter erstochen.

Dramatische Ereignisse

Am 23. Mai 2021 erschien der 35-Jährige vor der Asylbewerberunterkunft. In seinem Rucksack befanden sich ein langes Messer und eine Flasche Grillanzünder. Mit Steinen habe er gegen die Fenster am Zimmer der Frau geworfen, so der Anklagevertreter. Sein Opfer sei auf ihn aufmerksam geworden, habe sich jedoch gleich wieder in ihre Wohnung zurückgezogen. Der Beschuldigte sei dann über den Balkon in die Unterkunft eingedrungen.

Dann sollen sich dramatische Ereignisse abgespielt haben. Die Frau habe Zuflucht in der Gemeinschaftsküche gesucht. Andere Bewohner der Asylbewerberunterkunft hätten den Eindringling bemerkt und seien ebenfalls in die Küche gekommen. Eine Mitbewohnerin habe das Kind mitgebracht, das sie in ihrem Zimmer zu Besuch hatte. Dann, so Rosenbusch, habe der Beschuldigte der Mitbewohnerin das Kind aus den Armen gerissen, es auf den Boden gedrückt und vor den Augen der Mutter ermordet. „Mit großer Gewalt hat er den auf dem Boden liegenden Körper des Kindes durchstochen“, so der Anklagevertreter. Schließlich tötete er auch die Mutter selbst mit einem Stich ins Herz, übergoss sich mit Grillanzünder und steckte sich mit einem Feuerzeug in Flammen.

Damit löste er in der Asylbewerberunterkunft einen Brand aus, den die Feuerwehr glücklicherweise eindämmen konnte, bevor das ganze Gebäude in Brand stand. Der 35-Jährige konnte mit Hilfe von Rettungskräften noch das Gebäude verlassen. Er erlitt schwere Verbrennungen an Kopf und Oberkörper, die bis heute unübersehbare Narben in seinem Gesicht hinterlassen haben. Mehrfach musste die Kammer das im Mai begonnene Verfahren im Krankenhaus in Bayreuth, wo der Beschuldigte untergebracht ist, fortführen. Sein Gesundheitszustand hatte den Transport nach Coburg nicht zugelassen.

Dass der Beschuldigte psychisch krank sei oder sich zur Tatzeit in einer seelischen Ausnahmesituation befunden habe, wollte der Anklagevertreter nicht gelten lassen. Ein Gutachten zur geistigen Verfassung des 35-Jährigen liefere dazu keine Anhaltspunkte. Vielmehr kam Rosenbusch zu dem Schluss: „Er war während der Tat in vollem Besitz seiner geistigen Kräfte.“ Zeugenaussagen belegten, dass der Entschluss, Mutter und Kind zu töten, über einen längeren Zeitraum in dem Beschuldigten gereift sei. Mehrmals habe er die ehemalige Lebensgefährtin mit dem Tod bedroht. Schließlich habe er ein großes Küchenmesser gekauft, um die Frau und deren Kind zu töten.

Die Frau war vom Angeklagten schwanger. Nachdem die Beziehung gescheitert war, habe sie jedoch einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen lassen. Daraufhin, so Rosenbusch, habe der 35-Jährige „einen unglaublichen Hass“ entwickelt. Er habe der Frau größtmögliches Leid zufügen wollen

Nach Auffassung der Staatsanwaltschaft glaubte der 35-Jährige zudem, dass seine ehemalige Lebensgefährtin wieder zum Vater ihres Kindes zurückgekehrt sei. Aus Eifersucht also „sowie aus Wut über die Trennung und den Abbruch der Schwangerschaft beschloss der Angeschuldigte, Frau und Kind das Leben zu nehmen“. Zu diesem Zweck habe er in einem Supermarkt ein Messer mit einer 20 Zentimeter langen Klinge gekauft. Aus niederen Beweggründen und in grausamer Weise habe der Beschuldigte Mutter und Kind getötet. Es handle sich unzweifelhaft um einen Doppelmord, der mit einer lebenslangen Freiheitsstrafe zu ahnden sei. Zudem liege eine besondere Schwere der Schuld vor.

Wie ein Retter berichtete, habe der Marokkaner auf die Frage, ob noch Menschen in der Wohnung seien, geantwortet: „Ja, zwei, beide tot.“ Rechtsanwältin Kristina Freifrau von Imhoff, die den aus dem Irak stammenden Vater des ermordeten Kindes vertrat, wertete das als einen weiteren Beleg für die Kaltblütigkeit des Täters. Es zeige, dass er alles andere als außer sich gewesen sei. Vielmehr habe er genau gewusst, was er getan habe.

Nachdem es mehrere direkte Zeugen der Bluttat gab, blieb für Verteidiger Albrecht Freiherr von Imhoff nicht mehr viel zu sagen. Mit der Tat habe sich sein Mandant das eigene Leben zerstört. „Er ist für immer nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich gebrandmarkt“, meinte der Anwalt. Wie in der Prozessordnung vorgesehen, stand auch diesem Beschuldigten das letzte Wort zu. Der 35-Jährige brach darüber zusammen. Mit tränenerstickter Stimme sagte er, dass er ein Kind umgebracht habe, das für ihn wie eine eigene Tochter gewesen sei.

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