Vegetarische Mahlzeiten Frankreich streitet um das Schulessen

Knut Krohn
Französische Bauern protestieren in Lyon vor dem Rathaus gegen die Entscheidung, in Schulmensen nur noch ein vegetarisches Gericht anzubieten. Foto: AFP/OLIVIER CHASSIGNOLE

In Lyon bekommen die Schüler während der Corona-Pandemie nur noch ein fleischloses Essen, das sorgt bei manchen Politikern für große Empörung

 
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Paris - In Frankreich ist ein erbitterter Streit um das Schulessen ausgebrochen. Die fundamentale Frage ist, ob eine vegetarische Mahlzeit ein ausgewogenes Essen sein kann. Auslöser ist die Entscheidung, dass in Lyon für die Schüler in den Mensen nur noch ein fleischloses Gericht aufgetischt wird. Ins Feld geführt wird von den Kritikern unter anderem die Gesundheit der Kinder, in Wahrheit scheint die Auseinandersetzung aber eine politisch hochbrisante Angelegenheit zu sein. Eskaliert ist der Streit schließlich, als sich die hohe Politik in Paris ziemlich brachial eingeschaltet hat.

Eine Beleidigung für die Metzger

Innenminister Gérald Darmanin geht es bei seiner Wortmeldung via Twitter allerdings nicht nur um das Wohl der Kinder. Er bezeichnete es als „inakzeptable Beleidigung“ für die französischen Landwirte und Metzger, dass in der Stadt im Südosten Frankreichs nur noch fleischloses Schulessen ausgegeben wird. Und das ausgerechnet in Lyon, das ist für seine exquisiten Fleischgerichte im ganzen Land berühmt ist.

Rückendeckung erhält Darmanin von Landwirtschaftsminister Julien Denormandie, der hinter dem vegetarischen Schulessen einen grünen Verbots-Wahn vermutet. Er schreibt auf Twitter: „Lasst uns aufhören, unseren Kindern Ideologie auf den Teller zu legen!“ Man solle ihnen geben, was sie zum Wachsen brauchen. Dazu gehöre auch Fleisch. Und natürlich gehen in Frankreich auch die Gewerkschaften und Interessenvertretungen auf die Barrikaden. „Genug ist genug!“ ist ein empörtes Kommuniqué überschrieben, das die Bauerngewerkschaft des Départements Rhône und die Jungen Landwirte gemeinsam verfasst haben. Beide Organisationen wollen am Montag vor das Rathaus in Lyon ziehen und gegen die Maßnahme öffentlich protestieren.

Ein neues Corona-Hygienekonzept

Die Verantwortlichen in Lyon verstehen die ganze Aufregung allerdings nicht wirklich. Der grüne Bürgermeister Gregory Doucet erklärt, dass wegen der Corona-Pandemie mit dem Ende der Winterferien ein neues Hygienekonzept aufgestellt werden musste. Ziel sei es, in den Kantinen einen schnellen Ablauf bei der Ausgabe zu garantieren, weshalb nur ein Menü angeboten werde, das von allen Kinder gegessen werden könne. Zudem korrigierte er den Eindruck, dass das Essen vegetarisch sei, es enthalte zum Beispiel auch Fisch und Eier. Auch der Hinweis, dass die Maßnahme nur vorübergehend sei und nach der Corona-Pandemie in den Schulmensen wieder auf Normalbetrieb umgestellt werde, kann die aufgebrachten Gemüter nicht beruhigen.

Der grüne Bürgermeister Gregory Doucet kann sich zudem den süffisanten Hinweis nicht verkneifen, dass es in Lyon dieselbe Maßnahme mit denselben Begründungen bereits im vergangenen Jahr von Mai bis Juni während der ersten Corona-Welle gegeben habe. Entscheidender Unterschied: damals regierte in der Stadt Gérard Collomb, der zur Regierungspartei La République en Marche gehört. „Damals haben wir nichts von Ihnen gehört“, ätzt der Grüne Doucet in Richtung der Minister im fernen Paris und findet deren Argumentation schlicht lachhaft.

Alle Beteiligten gehen auf Konfrontation

Der Bürgermeister ist trotz allen Widerstandes entschlossen, das vegetarische Menü in den Schulkantinen anzubieten. Er wolle sich nicht weiter an dem politischen Geplänkel beteiligen, „tausende Schüler warten darauf, dass sie versorgt werden“, erklärt Gregory Doucet. Das sei im Moment der Pandemie noch wichtiger geworden, da immer mehr Familien jeden Cent zweimal umdrehen müssten und darauf angewiesen seien, dass ihre Kinder zumindest in der Schule ein anständiges und vollwertiges Essen bekommen könnten.

Doch die konservativen Politiker in Paris lassen es auf die Kraftprobe mit dem grünen Bürgermeister in Lyon ankommen. Nach dem Willen von Landwirtschaftsminister Denormandie soll nun der Präfekt des Départements Rhône erwirken, dass die Entscheidung der Stadtverwaltung wieder zurückgenommen wird. Und auch Innenminister Darmanin legte noch einmal verbal nach. Er erklärte, die „moralisierende und elitistische Politik der Grünen“ schließe die breiteren Schichten der Bevölkerung aus. „Viele Kinder bekommen nur in der Schulkantine Fleisch“, fügte der Minister hinzu, der sich einen Namen als beinharter Konservativer gemacht hat.

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