Wie ernst sollte man die Gefahr vor einem terroristischen Anschlag z.B. auf ein Konzert nehmen?
Mein Lied „Terrorangst“ beschäftigt sich mit der irrationalen Angst vor Dingen, die großartig in den einschlägigen Medien stattfinden, obwohl sie in der Realität gar nicht so präsent sind. Ich finde es wichtig, solchen Ängsten eine gewisse Leichtigkeit zu geben, weil es ihnen ihre Unlösbarkeit nimmt.
Welche Gedanken machen Sie sich über das Thema Sicherheit?
Ich habe noch nie auf der Bühne gestanden und den Zuschauerraum mit meinen Adleraugen durchforstet, ob da irgendwo vielleicht jemand mit bösen Absichten drinstehen könnte. Als ich mit der Musik anfing, habe ich mich oft mit einer Sturmmaske dargestellt und die Rolle eines Terroristen gespielt. Mit der Zeit kamen viele Fans mit solch einer Maske auf meine Konzerte. Wenn so etwas tatsächlich passierten sollte, dann ist das für mich persönlich genau das selbe, als fiele mir ein Scheinwerfer auf den Kopf und ich stürbe. Das ist wahrscheinlich schon häufiger passiert, als dass ein ein Künstler von einem Terroristen erschossen wurde.
Immer wieder finden Künstler unter Alkohol- und Drogeneinfluss den Tod. War das der Anlass zu dem Song „Ein Problem mit Alkohol“?
Den Refrain habe ich betrunken geschrieben. Die Menschen sagen, sie würden nur am Wochenende trinken oder beim Feiern mit anderen, aber ist es dann wirklich kein Problem? Ich habe dann mal geschaut, wie es sich anfühlt, sich laut zu einer Sache zu bekennen, zu der man sich noch nie bekannt hat. Dabei ist ein Refrain entstanden, den ich mit einem anderen Thema verknüpft habe: nämlich dem Wahn, sich für eigene Fehlbarkeiten zu entschuldigen und Ausreden zu suchen in der Verkorkstheit der Welt. Also Dingen, die einem angeblich das Recht geben, sich zu besaufen und seine Mitmenschen wie Scheiße zu behandeln.
Wie hoch sind die Anforderungen an den Beruf des Künstlers?
Das Leben als Künstler bringt tatsächlich einige Herausforderungen mit sich. Zum Beispiel die Schwierigkeit, sein eigener Chef zu sein. Das bedeutet, dass man hart mit sich sein, aber sich auch etwas gönnen muss. Das kann in beide Richtungen schwer sein. Solche Anforderungen können einem das Recht geben, sich einen Ausgleich in Drogen und Alkohol zu suchen. Ich möchte allerdings gerne davon abraten.
Sie besingen die „freie Liebe“. Dabei ist überall von einer neuen Biederkeit die Rede. Gibt es heutzutage noch Groupies?
Klar. Je prüder die gesamtgesellschaftliche Situation wieder wird, desto stärker sind auf der anderen Seite die Auswüchse und Perversionen. Die Pornoseiten werden immer extremer, die Formulierungen immer drastischer und die Empörung dagegen wird immer stärker.
Warum sind Sie Musiker geworden? Wollten Sie Mädchen beeindrucken?
Jeder Künstler wollte mal Mädchen beeindrucken, aber wenn ich nur das hätte machen wollen, hätte ich mir etwas anderes ausgesucht als Rapmusik. Die galt in meinem Umfeld als sehr uncool. Ich hätte wahrscheinlich eher Punkrock machen oder BWL studieren müssen. Für die Musik habe ich mich jedoch aus einem ganz anderen Grund entschieden: Ich wollte unbedingt etwas machen, was keinem Wettbewerb und keinen Zahlen unterliegt. Musik ist immer Geschmackssache. Selbst wenn niemand meine CD kaufen würde, kann mir niemand erzählen, ich hätte meine Zeit und Liebe in wertlose Scheiße investiert. Für irgendjemand ist immer irgendetwas Gutes geschehen.
Wie wollen Sie dieses komplexe Album auf die Bühne bringen?
Von der Inszenierung habe ich gigantische Skizzen gemacht. Meine Bühnenbildner raufen sich bereits die Haare darüber, was sie da alles umsetzen müssen. Die Komplexität des Albums steht mir bei der Inszenierung nicht im Wege. Je mehr Facetten ich habe, desto vielseitiger kann die Show werden. Die Metalelemente lassen sich hervorragend in meine Bandkonstellation einfügen. Wenn Wacken sich melde sollte, werde ich nicht lange zögern.
Alligatoah auf Tour
Der Rapper geht auf „Wie Zuhause Tour 2019“ und gastiert am 19. Januar um 19.30 Uhr im Zenith in München. Karten gibt es bei uns.