Veranstaltungstipps Rainhard Fendrich: "Ich bin ein sehr neugieriger Mensch"

Das Gespräch führte Steffen Rüth

Rainhard Fendrich ist immer noch Kult. Der österreichische Sänger geht mit seinem neuen Album „Starkregen“ auf Tour.

 
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 Foto: Marcel Brell

Herr Fendrich, das Booklet Ihres neuen Albums ist voll von herrlichen Strandfotos. Wo haben Sie die gemacht?
Auf Mallorca. Morgens um 4 Uhr. Deshalb sind dort keine anderen Menschen zu sehen. Die Insel ist ja schon sehr überlaufen.

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Sie haben ein Häuschen dort, oder?
Hatte ich. Aber jetzt nicht mehr. Ich bin wieder ganz nach Österreich zurückgekehrt.

Ist Wien der Ort, den Sie als Heimat bezeichnen?
Von meiner Grundhaltung her bin ich ein sehr neugieriger Mensch. Ich habe die Welt bereits und möchte dies auch weiter tun. Aber es zieht mich immer wieder an den Platz zurück, an dem ich geboren bin. Und das ist nun einmal Wien. Ich habe der Stadt sehr viel zu verdanken, viele meiner Freunde leben dort, ich habe dort mein Abitur gemacht, studiert, meine ersten Auftritte und ersten Erfolge gefeiert. Ich fühle mich mit jeder Faser meines Herzens als Wiener.

Der Wiener gilt als sehr melancholisch und vom Tod fasziniert.
Das ist ein Stück weit ein Klischee, das wohl vor allem auf dem Lied „Es lebe der Zentralfriedhof“ von Wolfgang Ambros basiert. Die Wiener sind eigentlich ein sehr lebenslustiges und trinkfreudiges Völkchen. Ich würde nicht sagen, dass dem Wiener per se eine Todessehnsucht angeboren ist.

„Die Zeit ist ein schneller Reiter“, singen Sie in „Mit der Zeit“, „sie galoppiert ohne jede Rast“. Spüren Sie mit Ihren 64 Jahren, dass die Lebenszeit immer schneller zerrinnt?
Natürlich kommt es vor, dass man sich Gedanken darüber macht, dass alles endlich ist.


Im schönen und auch sehr traurigen Lied „Abendrot“ singen Sie über eine alte Frau, die dement dem Tod entgegendämmert. Was hat Sie dazu bewogen?
Ich habe einige Menschen gekannt, die mit Alzheimer gestorben sind. Wir wissen seit unserer Geburt, dass wir sterben müssen, und ich habe auch schon in frühen Jahren über den Tod gesungen, bloß mit einem anderen Blickwinkel. Nur: Wenn man in Einsamkeit stirbt, ist das etwas unvorstellbar Grausames. Diese Menschen, die keine Erinnerung mehr haben, sterben allein und in Angst, selbst wenn die Familie sie umsorgt.

Im Stück „Rock’n‚Roll-Band“ wiederum blicken Sie zurück auf den Teenager, der anfängt, Musik zu machen. Wie war das damals?
Wir waren jung und wild und fingen an, uns gegen das elterliche Establishment, aber auch gegen den Vietnamkrieg aufzubäumen. Ich war in einem Knabeninternat und wuchs auf mit Zucht und Ordnung. So mit 15, 16 wollten wir lange Haare haben, dabei sein in Woodstock, in der Friedensbewegung. Dieser Geist und die Leidenschaft von damals haben mich ein Leben lang begleitet.

Wären Sie gerne wieder 16?
Nein, das möchte ich nicht mehr. Der Frühling eines Menschenlebens ist von außen betrachtet die schönste Zeit, aber ich mag auch den Herbst sehr gern. Die Dinge – Liebe, Freundschaften, Gesundheit – bekommen eine andere Qualität. Es ist nicht so, dass der Körper keine Verschleißerscheinungen zeigt. Aber ich singe besser als früher und spiele die besseren Konzerte – weil es nachher keine Partys mehr gibt.

Sind Sie zufrieden mit der Gesundheit?
Ich gehe regelmäßig zur Vorsorgeuntersuchung. Die Ärzte staunen immer über mein Blutbild. Ich fühle mich fit.

Machen Sie Sport?
Ich habe einen Hund, der ist zugleich mein Fitnesstrainer. Ein Schäferhundmix aus dem Tierheim. Ein entzückender, friedlicher Hund und mein guter Freund.

Aber das Liebeslied „Mein Leben“ ist wahrscheinlich nicht an Ihren Hund gerichtet?
Nein, da geht es um einen Menschen.

Um wen?
Das tut für das Lied nichts zur Sache. Grundsätzlich verhält es sich mit der Liebe so: In der Jugend ist das Verliebtsein am Wichtigsten. Im fortgeschrittenen Alter ist das geliebt werden ein sehr wichtiger Aspekt. Man kann mit 65 nicht mehr auf Freiersfüßen herumlaufen. Das wirkt lächerlich.

Gleich das erste Lied der Platte heißt „Burn Out“. Kennen Sie sich persönlich mit der Krankheit aus?
Zum Glück nicht. Trotzdem kann ich ja darüber schreiben. Denn das Thema beschäftigt mich. Ein Burn Out, der nichts anderes ist als eine Depressionskrankheit, entsteht als Folge unserer Leistungsgesellschaft, durch ständige Erreichbarkeit, Profitstreben, ständigen Leistungs- und Erfolgsdruck. Besonders Menschen, die fleißig und eigentlich belastbar sind, sind gefährdet.

„Social Media Zombie“ hat einen ernsten Kern, ist jedoch ein ziemlich lustiges Lied.
Na klar, in dieser Handysucht steckt für mich auch viel Humor und eine große Komik. Ich selbst nutze WhatsApp, Instagram und Facebook nur rein beruflich. Privat liebe ich das persönliche Gespräch. Wobei das Internet schon eine gute Sache ist. Wenn irgendwo was in der Welt passiert, erfährt man es dort am Schnellsten. Aber man muss aufpassen, dass man in keine Parallelwelt abgleitet. Es soll Familien geben, in denen von einem Zimmer ins nächste per Whatsapp kommuniziert wird (lacht).

Ein ernstes Thema ist die Politik. Ist „Starkregen“ selbst für Ihre Verhältnisse ein sehr politisches Album?
Ja. Der Job des Liedermachers ist es, sich mit den Dingen auseinanderzusetzen, die um ihn herum passieren und die ihn bewegen. Zum Beispiel der Klimawandel. Die Erde braucht uns nicht. Wenn wir uns unseren Lebensraum selbst wegnehmen und ihn zerstören, dann sollten wir uns klarmachen, dass unsere Spezies irgendwann keine Existenzgrundlage mehr haben wird. Die Natur kennt keine Probleme. Sie kennt nur Lösungen. Und diese Lösung wird sein, dass es auf diesem Planeten eines Tages ohne Menschen weitergehen wird.

Was halten Sie von Greta Thunberg und „Fridays For Future“?
Tolles Mädchen, tolle Sache. Es ist erfrischend zu sehen, dass junge Menschen aufstehen, Hoffnung haben, sich lautstark um das Klima sorgen. Das ist eine sehr positive Entwicklung in einer Gesellschaft, die von einigen starrsinnige, machtgeilen und profitgierigen Politikern in Geiselhaft genommen wurde.

Im Lied „Heiße Luft“ beklagen Sie, dass die Politiker das Maul aufreißen, aber nichts damit bewirken.
Die Politiker, die heute an der Macht sind, versprechen viel, aber es kommt nur heiße Luft, nur Populismus dabei heraus. Das haben wir gerade wieder beim UNO-Klimagipfel gesehen. Dazu kommt: Wahlkämpfe werden nicht mehr geführt, um die Menschen mit seinem Programm zu überzeugen. Sondern, um den politischen Gegner zu vernichten. Schmutzkampagnen haben die Argumente abgelöst.

Hat Sie das Strache-Ibiza-Video überraschen können?
Überrascht hat mich, dass so etwas öffentlich wurde. Der Voyeurismus der Bevölkerung wurde bedient. Was ich interessant fand: Als Wähler hat man hinter die Kulissen einer rechtspopulistischen Partei blicken können. Was ich da gesehen habe in den Ausführungen und dem Gebaren des Herrn Strache, das hat mich nicht überrascht, sondern in meinen Vermutungen bestätigt.

Ist die FPÖ dadurch entzaubert?
Für mich hat diese Partei nie einen Zauber gehabt.

In „Hinter’m Tellerrand“ geht es um die Menschen, die sich für nichts interessieren außer ihrem nächsten Schnitzel.
Hier geht es nicht ums Schnitzel, sondern um die „Hauptsach‘ mir geht’s gut Mentaliät“ unserer Wohlstandsgesellschaft. Das ist aber kein österreichisches, sondern ein gesamteuropäisches Problem. Ich kann gerade nicht erkennen, dass Europa wirklich eine Gemeinschaft ist. Mich besorgt, dass Rechtspopulisten aus Europa eine Festung machen wollen, aber man kann auch zum Beispiel Italien und Griechenland in der Flüchtlingskrise nicht mehr oder weniger allein lassen.

Gibt es Politiker, die Sie für integer halten?
Unsere Bundespräsident Alexander van der Bellen. Er hat Österreich in der Regierungskrise aufgrund seiner souveränen Führung vor einem großen Desaster bewahrt.

Sie singen auch darüber, dass man mit der Zeit dazulernt und so hoffentlich die früheren Fehler nicht wiederholt. Sind Sie optimistisch, was eine zweite Kanzlerschaft von Sebastian Kurz angeht?
Ich hoffe inständig, dass er nicht mehr den Fehler begeht, mit einer rechtspopulistischen Partei zu koalieren. Er hat sich das ein bisschen zu einfach vorgestellt, die Sache ist aus dem Ruder gelaufen. Es darf einfach nicht gesellschaftsfähig werden, Judenwitze zu machen und rechtsradikale Parolen zu brüllen. Er hat sich die Umtriebe der FPÖ, seien es burschenschaftliche Liederbücher, Homophobie, Frauenfeindlichkeit, Rassismus, zu passiv und zu schweigend angeschaut. Das wird in dieser Form nicht mehr so leicht passieren. Ich halte Sebastian Kurz nach wie vor für einen sehr intelligenten Politiker, der sicher aus seinen Fehlern lernen dürfte.

In „Sag Ma Net Es Gibt Kann Teufel“ geht es um Gott. Sind Sie gläubig?
Ich glaube an eine übergeordnete Kraft, und ich bin zwar katholisch erzogen worden, aber ich bin kein gläubiger Mensch im Sinne der kirchlichen Lehre. Vor einigen Jahren bin ich sogar aus der Kirche ausgetreten.

Was war der Grund?
Der Vatikan und sein Personal.

Was werden Sie an Ihrem 65. Geburtstag am 27. Februar 2020 machen?
Wahrscheinlich eine Weltreise. Ich habe so viele Länder noch nie gesehen, Vietnam, Australien, Argentinien, Brasilien. Auch nach Kanada möchte ich sehr gern. Ganz sicher werde ich an meinem Geburtstag nicht daheim sein.

Rainhard Fendrich live

Der österreichische Liedermacher geht auf „Starkregen Live 2020“-Tour und gastiert am am 17. Mai um 19 Uhr in der Arena in Nürnberg und am 24. Oktober um 20 Uhr in der Arena in Würzburg. Karten gibt es im Ticketshop unserer Zeitung.