Veranstaltungstipps Sarah Connor: "Alles dreht sich um meine Kinder"

Das Gespräch führte Steffen Rüth

Sarah Connor hat 2015 mit ihrem ersten deutschsprachigen Album ein fulminantes Comeback gefeiert. Auch der Nachfolger entert Platz eins der deutschen Charts.

 
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 Foto: Nina Kuhn

Sarah, die erste Zeile Ihrer Single „Vincent“ lautet: „Vincent krieg keinen hoch, wenn er an Mädchen denkt.“ Wie haben Ihre Kinder darauf reagiert?
Wir hören neue Songs meist im Auto, wenn ich sie von der Schule abhole. Zuerst hatten sie den Anfang verpasst, weil sie gequatscht haben. Ich habe dann vorsichtig nachgefragt, ob sie den Anfang auch mitbekommen hätten und ihn nochmal gespielt. Dann war natürlich erstmal Gekicher und auch ein wenig Empörung. Ich habe ihnen erklärt, dass der Song für einen Kumpel von ihnen ist, der sich wenige Tage zuvor vor seiner Mutter, einer Freundin von mir, geoutet hatte. Ich wollte einen Song machen, der ihm Mut macht und ihn bestärkt zu sich zu stehen. Das haben sie verstanden.

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Auch Ihr 15-jähriger Sohn Tyler?
Er meinte einfach nur „Ach echt? Er ist schwul? Aha.. cool“. Das war’s. Thema beendet. Ich war beeindruckt wie lässig er reagiert.

Ihre Kinder scheinen recht entspannte Zeitgenossen zu sein.
Ich war tatsächlich ein bisschen stolz über Tylers Reaktion und dass er sich scheinbar mit dem Thema schon mal auseinandergesetzt und eine klare Haltung dazu hat. Jetzt, wo der Song draußen ist, merke ich, dass er unter Erwachsenen viel mehr polarisiert. Natürlich hat sich die Situation gebessert, in Berlin kann man sein wer man will und niemanden stört das. Aber ich komme vom Land, ich weiß, wie dort viele Menschen denken. „Vincent” sagt einfach sehr direkt, dass es auch ihr Sohn sein könnte. Oder meiner. Aber noch wichtiger: Dass Vincent geliebt wird, egal wie, was oder wer er ist.

Sie haben den Song mit Peter Plate und Ulf Sommer geschrieben, die selbst beide schwul sind. Gab es Diskussionen über den Text?
Sie haben sich riesig gefreut, als ich mit der Idee kam für einen Song über einen 15-jährigen Jungen, der sich outet. Beide konnten mir viel zu dem Thema erzählen. Ulf kommt aus dem Osten. Für ihn war es besonders krass. Wir hatten übrigens auch eine etwas sanftere Version. „Vincent wird nicht rot, wenn er an Mädchen denkt“. Aber wir waren uns einig, dass die nicht so intensiv ist.

Musikalisch hat die Nummer ein bisschen was von Beyoncés „Crazy In Love“.
Ich liebe Beyoncé. Auch sie ist eine Frau, die in ihren Texten kein Blatt vor den Mund nimmt und sehr privat aus ihrem Leben erzählt. Man kommt ihr durch ihre Lieder nah, und das fehlt mir in der deutschsprachigen Musik oft. Viele deutsche Songs sind mir zu belanglos, da geht es um nichts. Mich macht Musik neugierig, wenn der Künstler ein Anliegen hat, wenn es um etwas Persönliches geht.

„Du bist mein Fels, mein Licht und mein Frieden“ singen Sie in „Unendlich“. Wen sprichen Sie da an?
Meine kleine Tochter Phini (7). Ich saß in meinem Büro am Laptop, als sie reinkam und sagte „Heute schreibst du einen deutschen Song für mich“. Alle anderen in der Familie hätten schließlich schon einen. Also habe ich geschrieben, wie sie auf mich wirkt. Nämlich so, als wenn die Sonne aufgeht, sobald sie ins Zimmer kommt. Der Refrain fiel mir dann tatsächlich in der Kirche ein. Mit der Kirche habe ich nichts am Hut, aber zu Weihnachten gehen wir zum Krippenspiel und da sprach der Pfarrer über das Licht, die Liebe und den Frieden – und ich hatte meine Zeile (lacht).

Sie erzählen in Ihren Songs schon gerne über Ihre Familie, oder?
Natürlich. Alles dreht sich um meine Kinder. Sie sind meine größte Inspiration. Bei vier Kindern passiert halt auch so viel. Ich liege abends neben meinem Teenagersohn im Bett, sehe die Haare an seinen Beinen und denke „Der war doch gerade noch mein kleiner Junge“. Am liebsten würde ich gerade die Zeit anhalten, weil es oft so wild und lustig und klar, manchmal auch anstrengend, ist. Aber auch, weil ich merke, dass der erste so langsam erwachsen wird.

Sie sind die Älteste von acht Geschwistern. Haben Sie sich selbst immer eine Großfamilie gewünscht?
Das hat sich so ergeben. Nach meiner Tochter Summer, die mit einem Herzfehler geboren wurde, habe ich nicht gedacht „Jetzt unbedingt nochmal“. Aber mein Partner wollte unbedingt ein weiteres Kind, und so ist dann Phini zu uns gekommen. Und auch Jax, der jetzt zweieinhalb ist, ist ein echter Sonnenschein. Doch jetzt ist es genug. Andererseits: Bei uns weiß man nie.

Ihr vor vier Jahren veröffentlichtes Album „Muttersprache“ war ein riesiger, auch überraschender Erfolg. Was haben Sie jetzt mit „Herz Kraft Werke“ erreichen wollen?
Ich wollte vor allem richtig große Melodien machen, die haben mir im Rückblick bei „Muttersprache“ ein bisschen gefehlt, weil ich mich erstmal mit Deutsch als Singsprache anfreunden musste damit, die richtigen Worte zu finden, als um meine Stimme und den Soul. Bei „Herz Kraft Werke“ tobe ich mich stimmlich mehr aus und in den Texten kommt man mir noch ein Stück näher. Ich habe dieses Mal noch öfter ganz allein gearbeitet.

Wie haben Sie den Triumph mit „Muttersprache“ erlebt?
Irgendwie abgespalten von mir selbst. Ich sitze hier in meinem „Dörfchen“ etwas außerhalb von Berlin, habe kein Spotify und versuche zwischen zwei Alben so unberühmt wie möglich zu sein. Nur, wenn ich auf die Bühne gehe, und da unten stehen 15.000 Leute und singen meine Lieder mit, merke ich „Wow, krass, diese Platte hat echt viele Leute berührt“. Besonders glücklich hat mich der Erfolg gemacht, weil das meine eigenen Texte sind und offenbar eine Menge Menschen eine Beziehung zu meinen Geschichten, meinen Ängsten, Sorgen, Freuden und Fragen, aufbauen können.

Vier Jahre später sind die Sorgen nicht kleiner geworden, auch auf „Herz Kraft Werke“ sparst du die Realität nicht aus. Donald Trump kommt in einem Stück vor, in „Ruiniert“ fragst du „Was hat uns so ruiniert“ und forderst als Antwort mehr Liebe. Reicht das?
Die Antwort „Liebe“ mag naiv sein, aber nicht weniger richtig. „Ruiniert“ ist ein Appell, uns wieder aufeinander einzulassen. Und nicht immer nur auf den Handybildschirm zu flüchten. Ich nehme mich da nicht aus, ich gucke selbst zu viel auf mein Handy, es ist der Parasit unserer Zeit. Durch die Flut an Informationen, die vor allem online ungefiltert auf uns einprasseln, hinterfragen wir vieles nicht mehr, stumpfen ab, und lassen zu, dass unsere Sprache verroht, weil wir müde sind, ständig zu allem eine Haltung zu haben. Wir lassen uns von Stimmungen treiben. Auch das führt dazu, dass Leute wie Trump oder Parteien wie die AfD so stark werden. Es macht mich wütend, wenn ich diese AfD-Politiker mit ihren hohlen Parolen sprechen höre, wie sie rechtes Gedankengut verbreiten, als wäre es völlig in Ordnung. Ich kann nachvollziehen, dass es Menschen gibt, die frustriert und unzufrieden sind mit der Politik in unserem Land. Aber ich bin fassungslos, wie leichtfertig Leute auf die Straße gehen und sich entweder aktiv beteiligen oder zumindest tolerieren, dass als Stilmittel sogar NS-Verherrlichungen benutzt werden, um Aufmerksamkeit zu bekommen.

Haben Sie Angst vor der Zukunft?
Nein. Wir leben in Zeiten der Umwälzungen und Dinge verändern sich schnell. Aber ich denke auch. Wie geil, dass ich genau jetzt auf diesem Planeten vorbeischauen darf. Wie schön, auf dieser Welt zu sein. Wir haben nur dieses eine Leben, ich will mir den Honig rausziehen.

Passen Sie auf, dass Ihre Kinder nicht im Internet versacken?
Ich habe den Kindern verboten, sich selbst im Netzt darzustellen oder zu zeigen, bis sie 16 sind. Dann können sie selbst entscheiden. Ich habe dafür gekämpft, dass sie eine Privatsphäre haben und normal aufwachsen und ein Gefühl für andere Menschen bekommen ohne dieses „Sohn-oder-Tochter-von-Ding“. Und abgesehen von meinen eigenen Kindern glaube ich, dass vor allem Mädchen zu früh anfangen, sich über Äußerlichkeiten zu profilieren. Die Verunsicherung in der Pubertät ist groß genug, da braucht niemand auch noch hässliche Kommentare, von Menschen, die man gar nicht kennt. Ich weiß, wovon ich rede.

Wie waren Sie selbst so mit 13, 14?
Nach außen immer sehr selbstbewusst und vor allem stur. Ich war nicht angepasst, auch nicht sehr beliebt. Ich hatte zwei, drei enge Freundinnen, aber war weder die Schönheitskönigin, noch die Klassenbeste. Und ich stand immer auf ältere Jungs (lacht). Ich war früh entwickelt und hatte schon einen Freund aus der Oberstufe. Ich hatte immer einen ganz schlimmen Ruf, obwohl ich sehr spät mein erstes Mal hatte und auch spät erst anfing zu knutschen. Ich strahlte halt nur körperlich aus, dass ich über alles Bescheid wüsste, das war allerdings überhaupt nicht so. Trotzdem: Es war eine lustige Zeit.

Sie sind früh zu Hause ausgezogen.
Ja, mit 16. Ich musste früh Verantwortung übernehmen, das hat mich stark gemacht. In meiner Kindheit ist viel schiefgelaufen, aber meine Eltern hatten immer ein unheimlich großes Vertrauen in mich. Sie konnten sich auf mich verlassen. Ich hatte auch nie das Bedürfnis, mit Drogen oder Alkohol zu experimentieren.

Bis heute nicht?
Bis heute nicht. Jetzt wäre es auch zu spät, damit anzufangen. Ich habe noch nicht mal richtig gekifft.

Nie?
Vor Jahren habe ich mal bei Xavier (Naidoo) am Joint gezogen. Danach saß ich stundenlang einfach nur da un

In „Vincent“ singen Sie über den Tag, an dem Sie zum ersten Mal verknallt waren. In wen?
Das erste Mal verknallt war ich in Michael Jackson. Noch Jahre bevor ich im Kinderchor mit ihm auf der Bühne in Bremen stand. Sondern schon mit fünf oder sechs. Ich hatte mein ganzes Zimmer mit ihm tapeziert. Jetzt hat er mein Herz gebrochen.

Sie haben „Leaving Neverland“, den Dokumentationsfilm, in dem Jackson der Vergewaltigung mehrerer Jungs bezichtigt wird, gesehen?
Ja.

Und wann haben Sie sich zum ersten Mal in einen erreichbaren Jungen verliebt?
Mit 14. In den Anführer einer Jungs-Clique in Delmenhorst. Das waren so Breakdancer, die immer auf dem Marktplatz abhingen. Freitags war bei uns Dorfdisco, und immer spielten sie „Always“ von Bon Jovi. Ich war aufgeregt und ahnte, dass er mich an diesem Abend auffordern würde zum Tanzen. Das war dann auch so, und am Ende des Songs hat er mich geküsst. Das war mein erster Kuss, und es war wahnsinnig schön. Er war viel größer als ich, das ist mir danach nicht mehr so oft passiert (lacht).

Blieb es bei dem einen Kuss?
Nee, wir waren danach zusammen, aber nur mit Händchenhalten und Küssen. Bis heute mache ich „Always“ jedes Mal lauter, wenn es im Radio läuft.

In „Schloss aus Glas“ geht es um die Scheidung Ihrer Eltern.
Meine Mutter ist nicht begeistert über den Song, mein Vater sieht das mit mehr Abstand. Aber als Frau, die selbst eine Scheidung hinter sich und Kinder hat, die Scheidungskinder sind, habe ich das Recht, solch einen Song zu machen. Das Lied ist ja auch liebevoll, es geht um die Leidenschaft, die meine Eltern miteinander hatten, im Guten wie im Schlechten.

Wie meinen Sie das?
Wenn kein Feuer mehr da ist, dann brennt auch nichts, und die Beziehung erlischt. Wenn es jedoch richtig knallt in einer Beziehung, dann ist das einerseits gut, aber es kann auch gefährlich werden. Meine Eltern haben eine sehr explosive Ehe geführt und wir alle tragen unsere Narben aus dieser Zeit. Trotz allem wäre mein Vater bis heute immer für meine Mama da, und umgekehrt auch.

Wie war das bei Ihrer eigenen Scheidung?
Connor: Marc (Terenzi) und ich hatten nie so eine Beziehung. Wir waren einfach zu jung und hatten zu unterschiedliche Wünsche und Ziele. Aber wir verstehen uns auch heute noch super.

In „Keiner pisst in mein Revier“ sagen Sie über deinen Lebensgefährten und Manager Florian Fischer: „Er ist der, bei dem ich bleibe“. Ist das so?
Connor: Wer weiß schon, was in 20 Jahren ist, ich glaube nicht an dieses „für immer“, aber ich glaube an uns. Er ist jetzt meine Liebe, die hält, seit zehn Jahren schon entscheide ich mich immer wieder für diese Beziehung. Ich denke jeden Morgen, wenn wir uns zum Abschied küssen, was für ein Glück ich habe mit diesem wohlwollenden und liebevollen Mann.

Sie warnen im Songtext die anderen Frauen, deinen Mann anzumachen. Sind Sie schnell eifersüchtig?
Nein, dazu hat er mir noch nie einen Grund gegeben. Aber er ist ein schöner und interessanter Mann und ich bin mir darüber bewusst, dass er auch auf andere Frauen anziehend wirkt. Der Song ist eine Ansage an die Frauen, die meinen, sie könnten mit ihrem Hintern in seine Richtung wackeln.

Wenn Sie denn oft angeflirtet?
Mittlerweile wieder mehr als früher. Ich weiß nicht, vielleicht bin ich schon in der „Mit-der-fang-ich-sowieso-nichts-an-Kategorie. Ich bin ein sehr offener und kommunikativer Typ. Ich bin ein typischer Zwilling, flirte gerne, aber ich bin nicht erreichbar und komme niemandem zu nah. Ich habe nur eine große Klappe.

Sarah Connor auf Tour

Die Sängerin geht auf „Herz Kraft Werke“-Tour und tritt am 25. Oktober um 20 Uhr in der Messehalle in Erfurt auf sowie am 9. November um 20 Uhr in der Olympiahalle in München. Karten gibt es bei uns.