Vier Jahre später sind die Sorgen nicht kleiner geworden, auch auf „Herz Kraft Werke“ sparst du die Realität nicht aus. Donald Trump kommt in einem Stück vor, in „Ruiniert“ fragst du „Was hat uns so ruiniert“ und forderst als Antwort mehr Liebe. Reicht das?
Die Antwort „Liebe“ mag naiv sein, aber nicht weniger richtig. „Ruiniert“ ist ein Appell, uns wieder aufeinander einzulassen. Und nicht immer nur auf den Handybildschirm zu flüchten. Ich nehme mich da nicht aus, ich gucke selbst zu viel auf mein Handy, es ist der Parasit unserer Zeit. Durch die Flut an Informationen, die vor allem online ungefiltert auf uns einprasseln, hinterfragen wir vieles nicht mehr, stumpfen ab, und lassen zu, dass unsere Sprache verroht, weil wir müde sind, ständig zu allem eine Haltung zu haben. Wir lassen uns von Stimmungen treiben. Auch das führt dazu, dass Leute wie Trump oder Parteien wie die AfD so stark werden. Es macht mich wütend, wenn ich diese AfD-Politiker mit ihren hohlen Parolen sprechen höre, wie sie rechtes Gedankengut verbreiten, als wäre es völlig in Ordnung. Ich kann nachvollziehen, dass es Menschen gibt, die frustriert und unzufrieden sind mit der Politik in unserem Land. Aber ich bin fassungslos, wie leichtfertig Leute auf die Straße gehen und sich entweder aktiv beteiligen oder zumindest tolerieren, dass als Stilmittel sogar NS-Verherrlichungen benutzt werden, um Aufmerksamkeit zu bekommen.
Haben Sie Angst vor der Zukunft?
Nein. Wir leben in Zeiten der Umwälzungen und Dinge verändern sich schnell. Aber ich denke auch. Wie geil, dass ich genau jetzt auf diesem Planeten vorbeischauen darf. Wie schön, auf dieser Welt zu sein. Wir haben nur dieses eine Leben, ich will mir den Honig rausziehen.
Passen Sie auf, dass Ihre Kinder nicht im Internet versacken?
Ich habe den Kindern verboten, sich selbst im Netzt darzustellen oder zu zeigen, bis sie 16 sind. Dann können sie selbst entscheiden. Ich habe dafür gekämpft, dass sie eine Privatsphäre haben und normal aufwachsen und ein Gefühl für andere Menschen bekommen ohne dieses „Sohn-oder-Tochter-von-Ding“. Und abgesehen von meinen eigenen Kindern glaube ich, dass vor allem Mädchen zu früh anfangen, sich über Äußerlichkeiten zu profilieren. Die Verunsicherung in der Pubertät ist groß genug, da braucht niemand auch noch hässliche Kommentare, von Menschen, die man gar nicht kennt. Ich weiß, wovon ich rede.
Wie waren Sie selbst so mit 13, 14?
Nach außen immer sehr selbstbewusst und vor allem stur. Ich war nicht angepasst, auch nicht sehr beliebt. Ich hatte zwei, drei enge Freundinnen, aber war weder die Schönheitskönigin, noch die Klassenbeste. Und ich stand immer auf ältere Jungs (lacht). Ich war früh entwickelt und hatte schon einen Freund aus der Oberstufe. Ich hatte immer einen ganz schlimmen Ruf, obwohl ich sehr spät mein erstes Mal hatte und auch spät erst anfing zu knutschen. Ich strahlte halt nur körperlich aus, dass ich über alles Bescheid wüsste, das war allerdings überhaupt nicht so. Trotzdem: Es war eine lustige Zeit.
Sie sind früh zu Hause ausgezogen.
Ja, mit 16. Ich musste früh Verantwortung übernehmen, das hat mich stark gemacht. In meiner Kindheit ist viel schiefgelaufen, aber meine Eltern hatten immer ein unheimlich großes Vertrauen in mich. Sie konnten sich auf mich verlassen. Ich hatte auch nie das Bedürfnis, mit Drogen oder Alkohol zu experimentieren.
Bis heute nicht?
Bis heute nicht. Jetzt wäre es auch zu spät, damit anzufangen. Ich habe noch nicht mal richtig gekifft.
Nie?
Vor Jahren habe ich mal bei Xavier (Naidoo) am Joint gezogen. Danach saß ich stundenlang einfach nur da un
In „Vincent“ singen Sie über den Tag, an dem Sie zum ersten Mal verknallt waren. In wen?
Das erste Mal verknallt war ich in Michael Jackson. Noch Jahre bevor ich im Kinderchor mit ihm auf der Bühne in Bremen stand. Sondern schon mit fünf oder sechs. Ich hatte mein ganzes Zimmer mit ihm tapeziert. Jetzt hat er mein Herz gebrochen.
Sie haben „Leaving Neverland“, den Dokumentationsfilm, in dem Jackson der Vergewaltigung mehrerer Jungs bezichtigt wird, gesehen?
Ja.
Und wann haben Sie sich zum ersten Mal in einen erreichbaren Jungen verliebt?
Mit 14. In den Anführer einer Jungs-Clique in Delmenhorst. Das waren so Breakdancer, die immer auf dem Marktplatz abhingen. Freitags war bei uns Dorfdisco, und immer spielten sie „Always“ von Bon Jovi. Ich war aufgeregt und ahnte, dass er mich an diesem Abend auffordern würde zum Tanzen. Das war dann auch so, und am Ende des Songs hat er mich geküsst. Das war mein erster Kuss, und es war wahnsinnig schön. Er war viel größer als ich, das ist mir danach nicht mehr so oft passiert (lacht).
Blieb es bei dem einen Kuss?
Nee, wir waren danach zusammen, aber nur mit Händchenhalten und Küssen. Bis heute mache ich „Always“ jedes Mal lauter, wenn es im Radio läuft.
In „Schloss aus Glas“ geht es um die Scheidung Ihrer Eltern.
Meine Mutter ist nicht begeistert über den Song, mein Vater sieht das mit mehr Abstand. Aber als Frau, die selbst eine Scheidung hinter sich und Kinder hat, die Scheidungskinder sind, habe ich das Recht, solch einen Song zu machen. Das Lied ist ja auch liebevoll, es geht um die Leidenschaft, die meine Eltern miteinander hatten, im Guten wie im Schlechten.
Wie meinen Sie das?
Wenn kein Feuer mehr da ist, dann brennt auch nichts, und die Beziehung erlischt. Wenn es jedoch richtig knallt in einer Beziehung, dann ist das einerseits gut, aber es kann auch gefährlich werden. Meine Eltern haben eine sehr explosive Ehe geführt und wir alle tragen unsere Narben aus dieser Zeit. Trotz allem wäre mein Vater bis heute immer für meine Mama da, und umgekehrt auch.
Wie war das bei Ihrer eigenen Scheidung?
Connor: Marc (Terenzi) und ich hatten nie so eine Beziehung. Wir waren einfach zu jung und hatten zu unterschiedliche Wünsche und Ziele. Aber wir verstehen uns auch heute noch super.
In „Keiner pisst in mein Revier“ sagen Sie über deinen Lebensgefährten und Manager Florian Fischer: „Er ist der, bei dem ich bleibe“. Ist das so?
Connor: Wer weiß schon, was in 20 Jahren ist, ich glaube nicht an dieses „für immer“, aber ich glaube an uns. Er ist jetzt meine Liebe, die hält, seit zehn Jahren schon entscheide ich mich immer wieder für diese Beziehung. Ich denke jeden Morgen, wenn wir uns zum Abschied küssen, was für ein Glück ich habe mit diesem wohlwollenden und liebevollen Mann.
Sie warnen im Songtext die anderen Frauen, deinen Mann anzumachen. Sind Sie schnell eifersüchtig?
Nein, dazu hat er mir noch nie einen Grund gegeben. Aber er ist ein schöner und interessanter Mann und ich bin mir darüber bewusst, dass er auch auf andere Frauen anziehend wirkt. Der Song ist eine Ansage an die Frauen, die meinen, sie könnten mit ihrem Hintern in seine Richtung wackeln.
Wenn Sie denn oft angeflirtet?
Mittlerweile wieder mehr als früher. Ich weiß nicht, vielleicht bin ich schon in der „Mit-der-fang-ich-sowieso-nichts-an-Kategorie. Ich bin ein sehr offener und kommunikativer Typ. Ich bin ein typischer Zwilling, flirte gerne, aber ich bin nicht erreichbar und komme niemandem zu nah. Ich habe nur eine große Klappe.
Sarah Connor auf Tour
Die Sängerin geht auf „Herz Kraft Werke“-Tour und tritt am 25. Oktober um 20 Uhr in der Messehalle in Erfurt auf sowie am 9. November um 20 Uhr in der Olympiahalle in München. Karten gibt es bei uns.