Veranstaltungstipps Thomas Anders: "Ich war immer ein positiver Mensch"

Das Gespäch führte Olaf Neumann
 Foto: Ben Wolf

Seit zwei Jahren macht Thomas Anders Schlagermusik – und entert damit die Charts. Wir sprachen mit ihm über sein Album „Ewig mit dir“ und seine poppige Schlagermusik.

 
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Herr Anders, Sie sind ein Weltstar. Wie kommt es, dass Sie jetzt Platten ausschließlich für den deutschsprachigen Markt machen?
Weil ich Spaß daran habe! Ich mache bestimmt auch mal wieder etwas Englischsprachiges. Ich habe mich bewusst wieder für die deutsche Sprache entschienen, weil es viele Fans gibt, die das mögen.

Wünscht man sich als Künstler nicht immer, dass das gerade aktuelle Album, in das man alles reingesteckt hat, auch das erfolgreichste wird?
Das wird bei mir dann ein bisschen schwierig. Ich muss es ja mit Modern Talking vergleichen. Unser meistverkauftes Album war „Back For Good“ mit 5,7 Millionen Einheiten. Dann wird die Luft dünn! Natürlich wünscht man sich, dass ein Album erfolgreich wird, deshalb spreche ich ja auch mit Ihnen. Aber ich setze mich jetzt nicht in Vergleich zu den Zahlen mit Modern Talking, weil das unglücklich macht.

Bereits bei Ihrem ersten Fernsehauftritt mit 18 Jahren bei Michael Schanzes „Hätten Sie heut‘ Zeit für mich?“ sangen Sie auf Deutsch. Fällt es Ihnen leicht, in der Muttersprache zu texten?
Jetzt beim zweiten Album fiel es mir wesentlich leichter als beim ersten. Wenn man über 30 Jahre ausschließlich in englischer Sprache gesungen hat, dann ist dieser Wechsel nicht selbstverständlich. Jede Sprache hat eine andere Phonetik. Und wenn es dann auch noch die Muttersprache ist, dann achtet man sehr genau darauf, wie man singt. Es dauerte ein paar Jahre, bis ich meinen Weg gefunden hatte.

Ihr Stimme klingt anders, wenn Sie deutsch singen. Liegt das daran, dass Sie an Ihrer Gesangsperformance gearbeitet haben?
Das liegt eher am Klang der deutschen Sprache. Ich habe nicht bewusst versucht, anders zu singen. Mein Gesang auf der Platte ist ganz natürlich.
Sind Sie näher bei sich selbst, wenn Sie in Ihrer Muttersprache singen?
Ich bin kritischer. Das hängt damit zusammen, dass die deutsche Sprache viel mehr Wörter hat als die englische. Die englische Sprache lässt mehr Fantasie zu in der Deutung des Gesprochenen. „I love you from the bottom of my heart“ klingt bei weitem nicht so kitschig wie „Ich liebe dich aus der Tiefe meines Herzens“. Um dasselbe kitschfrei auszudrücken, müssten wir ganz andere Worte benutzen.

Gibt es Wörter, die für Sie tabu sind?
Es gibt eher Bilder, die ich vermeide. Ich mag nicht über den Sonnenuntergang am blauen Meer singen. Es soll eine junge Sprache sein. Heute werden Worte vertextet, an die man früher nie gedacht hätte, weil sie zu kompliziert sind. Ein deutscher Interpret geht heute viel freier und selbstverständlicher mit seinen Liedern um. Er verwendet zum Beispiel Umgangssprache. Früher war viel mehr Kitsch und Honig mit drin.

Die Texte erarbeiteten Sie mit Songautoren, die auch für Udo Lindenberg, Helene Fischer und Howard Carpendale schreiben. Fühlen Sie sich einem Künstler wie Udo Lindenberg nahe?
Wie Udo Lindenberg singt, ist einzigartig. Sein „Hinterm Horizont“ wurde von Beatrice Reszat geschrieben, die auch für mich textet. Ich habe mich mit fast allen Schreibern auf meinem Album persönlich auseinandergesetzt. Ich wollte, dass sie mich auch als Mensch begreifen. Beatrice Reszat verbrachte einen ganzen Tag mit mir, damit sie auch merkt, wie ich spreche. Sie kann sich sehr gut in mich einfühlen. „Das Leben ist jetzt“ stammt von Wolfgang Hofer, der für Udo Jürgens gearbeitet hat. Ich habe ihm gesagt, dass ich gern etwas Lebensbejahendes hätte. Ich muss mich in einem Song wiederfinden, sonst hätte er keine Seele. Ich muss die Fantasie des Zuhörers mit meiner Stimme anregen.

Die Ballade „Hätt’s nie ohne Dich geschafft“ ist Ihrer Frau Claudia gewidmet, mit der Sie seit 18 Jahren verheiratet sind. Sind Frauen von erfolgreichen Künstlern aus besonderem Holz geschnitzt?
Sie müssen leidensfähig sein! Nach außen sieht es immer so aus, als hätten alle Künstler ein sorgenfreies Leben. Das Klischee lautet: Wir singen ein bisschen, machen ein bisschen Fernsehen und haben dann die Millionen auf dem Konto. Und die Frau darf shoppen gehen. Aber wir Künstler sind in Wahrheit Personen, die gar nicht so einfach zu handeln sind. Wir sind vielleicht sensibler als andere und möchten mehr Verständnis für verschiedene Situationen, in denen wir uns bewegen. Eine Frau muss auf einen Künstler-Partner oft verzichten, wenn sie nicht permanent mit ihm mitfährt. Dafür ist meine Frau aber zu selbständig.

Beschreibt der Song „Das Leben ist jetzt“ Ihr eigenes Lebensgefühl?
Ja. Natürlich kann ich nicht an jedem Tag meines Lebens ein Feuerwerk abbrennen. Auch für mich gibt es gute und schlechte Tage. Ich gehe sehr beobachtend durch die Welt. Wenn ich im Supermarkt Gespräche mitbekomme, in denen Menschen sich montags schon aufs Wochenende freuen, dann macht mich das betroffen. Ich kann doch nicht eine ganze Woche lang ohne Freude leben, um dann die Sau rauszulassen. Ich würde eingehen! Ich habe an jedem Tag etwas ganz Besonderes, worauf ich mich freue. Wir tendieren dazu, die Vergangenheit zu glorifizieren und alle Hoffnung in die Zukunft zu setzen. Aber hey: Wir leben jetzt!

Sie leben sehr bewusst. Was hat dazu geführt?
Grundsätzlich war ich schon immer ein sehr positiver Mensch. Für mich gibt es kein halb leeres Glas. So denkt man aber nicht mit Anfang 30. Deshalb versuche ich, kleine Denkanstöße zu geben. Der Körper braucht Dinge, die mit Sinnlichkeit zu tun haben.

Gemessen am derzeitigen Weltgeschehen müssten Sie eigentlich pessimistische Lieder machen. Wollen Sie all dem Negativen etwas Positives entgegensetzen?
Nur weil wir eine Handvoll Idioten als führende Politiker haben, fange ich jetzt nicht an, Trübsal zu blasen. Man muss genau jetzt auf das Positive zeigen. Ich bin auch kein politischer Liedermacher, das ist nicht mein Genre.

Sie spielen viel in Russland und in Amerika. Haben Sie das Gefühl, das es einen neuen kalten Krieg gibt?
Wenn man in diese Länder reist, ist es dort nicht so, wie es bei uns oft dargestellt wird. Unsere Zeitungen sind zu populistisch. Wenn man mit den Menschen vor Ort ist, spürt man nichts von einer großen Unzufriedenheit. Momentan haben wir hier ein Klagen auf ziemlich hohem Niveau. Journalisten trauen sich schon gar nicht mehr, etwas Positives zu schreiben. Aber fahren Sie einfach mal nach Südamerika, wo ich Anfang des Jahres war. Dort treffen sie auf lachende Menschen, die leben aber hundert Stufen unter unserem Wohlstand. Dessen ungeachtet gibt es hier verschiedene Gruppen, die gegen alles demonstrieren. Das finde ich anmaßend. All diese Leute würde ich gern mal nach Sibirien fliegen. Die küssen deutschen Boden, wenn sie zurück sind.

2006 wurden Sie von der National-Universität für Kunst und Kultur in Kiew ehrenhalber zum Professor ernannt, mit der Begründung: Modern Talking habe den Musikgeschmack einer ganzen Generation geprägt. Hat Ihre Musik in Osteuropa eine ähnlich politische Bedeutung wie „Wind Of Change“ von den Scorpions?
Ja. Zu mir kommen Menschen, die mir sagen, dass Modern Talking ihr Leben verändert habe. Das ist in den Köpfen der Bevölkerung fest verankert, weil Modern Talking zur Zeit der Perestroika Europa mit Nummer-1-Hits überschwemmt hat. Die UdSSR erwarb damals von Bertelsmann die Pressrechte für die Modern-Talking-Alben und veröffentlichte unsere ersten beiden Platten. Es war das erste Mal, dass man in der UdSSR westliche Musik legal kaufen konnte. Alles andere war verboten und lief unter der Ladentheke. Seitdem steht fast in jedem russischen Haushalt eine Modern-Talking-Platte. So kommen wir auf hundert Millionen verkaufte Tonträger in Russland.

2019 gehen Sie in Deutschland erstmals Solotournee. Auch in den USA stehen Sie regelmäßig auf der Bühne. Was bedeutet den Amerikanern Ihre Musik?
Mein US-Promoter ist ein schlauer Fuchs und kriegt es hin, dass meine Konzerte fast immer ausverkauft sind. Amerika ist ein klassisches Einwanderungsland. Meine Popularität basiert darauf, dass viele Menschen, die aus Osteuropa, Asien oder Südamerika – wo Modern Talking überall sehr groß war – in die USA eingewandert sind. Diese Leute haben wiederum amerikanische Partner, Kinder oder Freunde, die sie zu meinen Konzerten mitbringen. Chicago zum Beispiel hat die größte polnische Community in den USA. Die wird von meinem Promoter gezielt angesprochen. Und im Einzugsgebiet von Houston leben die meisten Asiaten, während Los Angeles über eine Million Exil-Perser hat. Die Hälfte der Besucher eines meiner Konzerte gehört immer einer bestimmten Volksgruppe an.

Werden Sie in den USA als deutscher Künstler wahrgenommen?
Das weiß ich gar nicht. Ich glaube, wer zu mir kommt und sich mit mit beschäftigt, kommt sehr schnell darauf, dass ich Deutscher bin.

Rechnen Sie in Zukunft mit noch mehr internationaler Tätigkeit?
Das ist eine gute Frage. Aber ich will jetzt nicht über das Thema Klonen sprechen. Für die Medien ist Thomas Anders immer derjenige, der in Osteuropa extrem erfolgreich ist. Aber ich kriege Anfragen aus der ganzen Welt. Ich fliege jedoch nicht für eine Show nach Australien. Es sind oft Entwicklungen, die drei, vier Jahre brauchen, aber irgendwann findet es statt. So war es jetzt auch mit Südamerika, wo ich in Buenos Aires, Cotchabamba und La Paz aufgereten bin.

Würde es Sie reizen, einmal in Los Angeles ein Album mit einem amerikanischen Produzenten aufzunehmen?
Das habe ich alles schon gemacht. Das braucht kein Mensch, weil es zu teuer ist, dort aufzunehmen. Ein Album muss ja auch promotet und vertrieben werden. Wenn 10.000 Amerikaner solch ein Album kaufen würden, stünde das in keiner Relation zu den Kosten. Das amerikanische Showbusiness hat garantiert nicht auf Thomas Anders gewartet. Die warten dort auf keinen außerhalb von Amerika. Sie glauben, sie hätten das Entertainment erfunden und alle anderen sollen sich mal in die zweite Reihe stellen. Amerikaner können gerade noch mit Engländern umgehen, weil die die gleiche Sprache sprechen. Alles andere hat ganz hinten anzustehen. Dagegen anzukämpfen liegt nicht in meinem Interesse. Ich habe auch so meine 125 Millionen Tonträger verkauft. Ich kann jedem deutschen Künstler nur raten, nicht fest daran zu glauben, dass er die Vereinigten Staaten erobern kann. Die Hits von Nena und Falco waren Zufallsprodukte.

Es heißt immer, Rammstein und die Scorpions seien die erfolgreichsten deutschen Acts im Ausland. Haben Sie die längst überholt?
Von den Verkaufszahlen her mit Sicherheit. Neben Rammstein und den Scorpions ist Thomas Anders mit Sicherheit derjenige, der im Ausland die meisten Tickets verkauft.

In der ZDF-Show „Du ahnst es nicht!“ betreiben Sie ab dem 21. Oktober Ahnenforschung und erkunden die Stammbäume Ihrer Gäste. Haben Sie bereits in Erfahrung gebracht, woher Sie selbst stammen?
Das wurde in der Sendung gemacht, ich wusste nichts davon. Ich darf natürlich nicht sagen, was dabei rausgekommen ist. Von den 19 Gästen, die wir für die Ahnenfälle hatten, dachten 16, sie stammten aus irgendeinem Königshaus. Das ist bei mir nicht der Fall. Aber meine Familiengeschichte lässt sich auf jeden Fall bis ins 15. Jahrhundert zurückverfolgen.

Thomas Anders auf Tour

Der Sänger geht auf „Ewig mit euch“-Tour und steht am 2. Mai um 20 Uhr auf der Bühne der Messehalle in Erfurt. Karten dafür gibt es im Ticketshop unserer Zeitung.

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