Veranstaltungstipps Wanda: "Die Musik macht, was sie will"

Das Gespräch führte Steffen Rüth
 Foto: Universal Music

Wanda hat den deutschsprachigen Rock ’n Roll in den letzten Jahren fast im Alleingang neu definiert. Anfang nächsten Jahres geht die Band mit dem Album „Ciao“ auf Tour.

 
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„Ciao!“ heißt auf Italienisch „Hallo“, aber auch „Tschüss“.
Marco Michael Wanda: Ein bestechend vielseitiges kleines Wörtchen.

Auf dem Cover winken Sie von einem Schiff. Machen Sie sich nach diesem Album etwa aus dem Staub?
Marco Michael Wanda: Nein, wir hoffen, dass der Abschied noch fern ist. Ich würde gerne so lange wie es geht Rock’n’Roll mit dieser Band machen. So lange, wie der Körper es hergibt und so lange uns das Publikum erleben will. Nur für mich würde ich das nicht machen wollen. Ich habe das starke Bedürfnis, die Musik mit den Menschen zu teilen.

Sie sind jetzt 32. Was tuen Sie für den Körper?
Wanda: Was man so macht. Wenig Sport. Auf der Bühne bewege ich mich genug. Unsere Arbeit hat viele Berührungspunkte mit der Lebensrealität eines Fußballers. Wir machen 90 Minuten Show, nur ohne Halbzeitpause.

Haben Sie einen Lieblingsfußballer?
Wanda: Lionel Messi. Der hat das Spiel praktisch nochmal neu erfunden. Ich schaue insgesamt sehr gern Fußball. Ich bin Fan von allen Mannschaften, die attraktiv spielen, Bayern München mag ich zum Beispiel gern.

Spielen Sie selbst?
Manuel Christoph Poppe: Ja. Wir haben das Album in einem kleinen Dorf an der österreichisch-tschechischen Grenze aufgenommen. Nebenan war ein Fußballplatz. Dort haben wir in den Pausen gekickt, manchmal mit den Jungs aus dem Dorf.

Fußballer leben gesund und diszipliniert. Ihnen dagegen sagt man eine Neigung zum Rausch nach.
Wanda: Wir leben mittlerweile gesünder. Ich habe nicht mehr die Kraft, mich besinnungslos zu trinken. Das schaffe ich nicht mehr.
Poppe: 2015, 2016 haben wir wirklich sehr viel getrunken.
Wanda: Das waren wilde Jahre. Alles ging so schnell. Am Anfang kamen zehn Leute, dann 100, dann 10 000. Was wir in den vergangenen fünf Jahren erlebt haben, war wirklich unglaublich und schlicht der Wahnsinn. Ich hoffe, dass es noch lange so weitergeht und bin wahrhaftig stolz auf diese Band. Ich bin glücklich, wenn viele Menschen kommen, um mit uns eine Orgie zu feiern.

Haben Sie von Anfang an die große Karriere im Blick gehabt?
Wanda: Ach nein. Aber mir war immer klar: Das hier kann ich. Bei allen anderen beruflichen Gehversuchen bin ich gescheitert. Es hat sich in Wien sehr schnell herumgesprochen, was bei uns abgeht. Bestimmt seit 20 Jahren hat keine Band mehr über die Lebensrealitäten der Menschen gesungen und ist dabei so durch die Decke gegangen. Wir sind nicht durch eine Facebook-Seite gewachsen, sondern durch Mundpropaganda. Die Leute wollen uns.

Haben Sie sich durch den Erfolg verändert?
Wanda: Nein. Ich lebe nicht anders als vor zehn Jahren. Ich bin derselbe Mensch, interessiere mich immer noch für Filme und Fußball, habe immer noch kein Auto.

„Niente“ war ruhig und etwas melancholisch. Auf „Ciao!“ legen Sie musikalisch wieder einen Gang zu. Ist die Ruhephase vorüber?
Wanda: Das passiert bei uns ohne Planung. Es war gut, etwas Fahrt rauszunehmen. Hätten wir in der Geschwindigkeit nach „Amore“ und „Bussi“ weiter getourt und Musik gemacht und diese Energie auf die Spitze getrieben, dann wäre irgendwann einer von uns tot umgefallen. Aber letztlich macht die Musik, was sie will.

Kommen die Lieder zu euch?
Wanda: Nein, das ist Arbeit. Eine sehr dankbare Arbeit, die zum Glück immer noch leicht von der Hand geht. In ein sonderliches Grübeln bin ich nicht verfallen. Ich drehe auch nicht durch, wenn ich mal einen Monat kein gutes Lied schreibe. Früher bin ich da ausgerastet. Mittlerweile vertraue ich mir, vertrauen wir uns. Man müsste meinen, nach drei Alben wäre man verbraucht und leer und mache sich die Hosen voll, ob man überhaupt noch was zu erzählen hat. Das Gegenteil ist eingetreten.

Was brauchen Sie, um ein gutes Lied zu schreiben?
Wanda: Eine verstimmte Gitarre und einen großen Aschenbecher. Beim Liederschreiben rauche ich am meisten. Innerhalb von drei Wochen hatte ich die Lieder geschrieben, in gut einer Woche haben wir alles aufgenommen. Es ging sehr, sehr schnell, viel schneller als sonst. Irgendwie ist da ein geistiger Durchbruch passiert.

Ihre Texte handeln von den wichtigen Fragen des Lebens. Haben Sie auch Antworten?
Wanda: Ich schreibe über Ängste, Hoffnungen, Sehnsüchte, Wünsche und Träume. Was mich interessiert, sind wir Menschen. In spiritueller Hinsicht trete ich in Kontakt mit einer Sphäre, die sich mit Worten nicht beschreiben lässt. Auf der Bühne spüre ich das auch. Ich habe manchmal das Gefühl, ich werde eins mit allen 15 000 Menschen. Und die sind alle ich, und jeder ist jeder.

Hat das eine religiöse Komponente?
Wanda: Zumindest ist es ein dankbarer Zustand, der sich absolut geil anfühlt.

Sie sprechen nicht gern konkret über Ihre Texte, doch in „Der Erste der aufwacht“ sagen Sie, es sei „spannend, dass diese Welt noch steht“. Wie meinen Sie das denn?
Wanda: Uns wird permanent eingeredet, dass die Straßen eigentlich brennen müssten, weil der Graben zwischen links und rechts so groß geworden ist. Aber zeigt mir doch mal, wo diese Gesellschaft eigentlich gespalten ist. Denn ich sehe das nicht. Ich stehe vor tausenden von Menschen, die sich in den Armen liegen, lachen und weinen. Mich würde es brennend interessierten, wo dieses gesellschaftliche Verlangen nach dystopischen Zuständen eigentlich herkommt.

Also ist das alles übertrieben mit den Warnungen vor dem Auseinanderdriften der Menschen?
Wanda: Das ist ein Schwachsinn. Nur: Wenn man das allen zu lange einredet, kann es eine selbsterfüllende Prophezeiung werden. Letzen Endes wird mit diesem Geschwafel nur Geld und politische Macht generiert. Ich finde das lähmend und gefährlich.

Ihre Musik ist nach wie vor stark von den Beatles geprägt.
Wanda: Ja, und das ändert sich auch nicht. Die Beatles sind die beste Band aller Zeiten. Ich habe sie seit meiner Kindheit sehr oft gehört und tue das bis heute, oft mit Kopfhörern. Dieser Anziehungskraft kann ich gar nicht entkommen.

Sie sind eine Band im Geist des frühen Rock ‚n’ Rolls der Sechziger. Haben Sie Sehnsucht nach einer Zeit wie damals?
Wanda: Nein. Ich wünsche mir keine Welt herbei. Ich lebe sehr gerne heute und finde diese Zeiten, ob ich will oder nicht, interessant. Ich glaube nicht an irgendein Utopia.

Wanda auf Tour

Die österreichische Rock-Band geht auf „Ciao Tour! 2020“. Im Gepäck hat sie Songs des neuen Albums. Am 25. Februar um 20 Uhr tritt sie in der Posthalle in Würzburg auf und am 29. Februar um 20 Uhr in der Olympiahalle in München. Karten gibt es bei uns.

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