Verdacht auf Luchs Trauriger Abschied von Hirsch Hansi

Karl-Heinz Hofmannund ger
Eine Erinnerung an bessere Zeiten: Hier lebte Zuchthirsch „Hansi“ noch und ließ sich von seinem Besitzer Alfred Hofmann aus der Hand füttern. Foto: Privat

Schon seit einigen Jahren züchtet Alfred Hofmann Damhirsche in einem Gatter. Nun hat er aber einen seiner Hirsche tot aufgefunden – und hat bereits einen Verdacht.

 
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Pures Entsetzen erlebte jüngst Alfred Hofmann in Häusles. Seit 1996 hegt und pflegt er in einem Gehege unweit seines Anwesens in Häusles ein Rudel Damhirsche. Seit geraumer Zeit stand auch ein wertvoller und handzahmer Zuchthirsch mit auf der Weide, den er liebevoll „Hansi“ getauft hatte. Als er eines Morgens jedoch das Gehege betrat, traute er seinen Augen nicht: Ausgerechnet sein Zuchthirsch mit gut 70 bis 80 Kilogramm Lebendgewicht lag zerfleischt und aufgerissen am Gatter. Als Verantwortlicher für den Vorfall kommt in seinen Augen lediglich ein Luchs infrage. Ob dieser Verdacht tatsächlich stimmt, will nun das Landesamt für Umwelt (LfU) mit einer DNA-Analyse klären.

„So etwas habe ich im vergangenen Vierteljahrhundert, in dem ich Damwild züchte, noch nicht erlebt“, sagt Alfred Hofmann. Bevor er zu dem Schluss gekommen sei, dass sein Tier durch einen Luchs gerissen worden sein muss, habe er reiflich überlegt und den Aufriss gründlich ins Auge genommen. Ein anderer Täter käme in seinen Augen jedoch keinesfalls infrage.

Das Areal, auf dem er seine Hirsche halte, sei von einem zwei Meter hohen Schutzzaun umgeben. Dieser habe jedoch keinerlei Beschädigung oder Schlupfloch aufgewiesen, durch das ein Hund oder gar ein Wolf hätte eindringen können. „Der Luchs als Raubkatze schafft es hingegen, solche hohen Hindernisse zu überwinden“, betont der Hirschhalter.

Selbstverständlich habe er gleich das Landratsamt über seinen Fund informiert. Dieses habe umgehend reagiert und einen Mitarbeiter zu ihm geschickt, der den Schaden inspizieren sollte. Dieser habe unter anderem gleich DNA-Proben an den Wunden des Kadavers entnommen, welche nun zur Untersuchung beim Landesamtvorliegen würden.

„Schadensfälle mit toten und verletzten Nutztieren, die durch einen großen Beutegreifer entstanden sein könnten, sollen umgehend an die Fachstelle Große Beutegreifer im Bayerischen Landesamt für Umwelt übermittelt werden“, erklärt das Landratsamt das Vorgehen. Diese führe die Bewertung derartiger Ereignisses in Hinblick auf mögliche Schadensersatzansprüche sowie die Erfassung im Rahmen des Monitorings durch. Nachgewiesen werde die Beteiligung eines großen Beutegreifers – etwa eines Wolfes oder Fuchses – durch eine Analyse des genetischen Materials, welches an dem Fundort durch Spezialisten entnommen worden sei.

„Die Ergebnisse der genetischen Analyse liegen aktuell noch nicht vor“, erklärt das LfU auf Nachfrage der Neuen Presse. Eingegangen seien die Proben bereits am 21. Februar. Bis diese abgeschlossen sei, könne man leider keine fundierte Aussage über die Todesursache des Hirschs machen. Grund hierfür sei unter anderem, dass der Kadaver erst einige Tage nach Eintreten des Todes entdeckt worden sei. In der Zwischenzeit hätten jedoch wohl zahlreiche Wildtiere die Gelegenheit genutzt, sich zu bedienen. „Sollte im Rahmen der genetischen Analyse ein großer Beutegreifer nachgewiesen werden, so besteht Anspruch auf Ausgleich“, teilt das LfU mit. Hierfür gebe es einen eigens eingerichteten Ausgleichsfonds. Im Fall von Zuchthirschen erfolge die Bemessung der Höhe des Schadensausgleichs individuell durch einen Sachverständigen. Seien derartige Spuren infolge von Witterungsverhältnissen nicht mehr nachweisbar, gehe der Halter jedoch vermutlich leer aus.

Dass ein solcher Fall eintritt, befürchtet Alfred Hofmann jedoch. Schließlich habe es kurz vor dem Fund stark geregnet. Damit seien wichtige DNA-Spuren möglicherweise verloren gegangen. Die Aussicht, auf seinem Schaden sitzen bleiben zu müssen, schmerze ihn als Halter, der sehr auf eine ökologische Bewirtschaftung setze, auch finanziell. „An und für sich habe ich nichts gegen den Luchs“, betont er. Dennoch finde er, dass im Schadensfall Entschädigungen schnellstmöglich und möglichst unbürokratisch ausgezahlt werden müssten, wenn es das Ziel von Politik und Gesellschaft sei Beutegreifer in Deutschland wieder heimisch zu machen.

„Dass ein ausgewachsener Damhirsch durch einen Luchs gerissen wird, ist durchaus möglich“, erklärt Alexander Kelle, Förster und Berufsjäger im Forstrevier Rothenkirchen und Ansprechpartner für große Beutegreifer im Jagdverband Kronach. Tatsächlich sei ein solches Szenario jedoch eher selten – insbesondere wenn der Luchs alternativ zu dem ausgewachsenen Hirsch eine kleinere Hirschkuh reißen könne. Außerdem seien die Raubkatzen sehr selten. Seiner Einschätzung zufolge biete der Raum Kronach maximal ausreichend Platz für drei ausgewachsene Luchse.

Einen Zaun mit einer Höhe von zwei Metern könne ein Luchs wiederum leicht mit einem Sprung überwinden. „In einem solchen Fall würden sich aber mit hoher Wahrscheinlichkeit Fellspuren am Zaun finden“, betont der Experte. Alternativ sei es auch möglich, dass die Raubkatze einen nahe gelegenen Baum genutzt habe, um das Hindernis zu überwinden. „Dies könnte man mit Kratzspuren belegen“, berichtet Förster Kelle. Solche würde der Luchs nämlich hinterlassen, wenn er auf einen Baum klettere. Weitere Belege für einen Luchs könne man am Kadaver erkennen. „Im Gegensatz zu einem Wolf oder einem Fuchs interessieren sich Raubkatzen nicht für Innereien“, berichtet er. Stattdessen hätten Luchse es vornehmlich auf Muskelfleisch abgesehen.

Es gebe jedoch auch eine alternative Erklärung für den verendeten Hirsch. „Wenn es zu Auseinandersetzungen zwischen Hirschen kommt, können hierbei auch innere Verletzungen entstehen“, erklärt er. An diesen würden die Tiere dann Tage später sterben, ohne, dass man es von außen wahrnehmen könne. Finde man den Leichnam nicht rechtzeitig, würden Krähen, Füchse und andere Tiere die Gelegenheit nutzen und sich den Bauch vollschlagen. Üblich seien derartige Vorfälle im Frühjahr jedoch nicht, sondern lediglich in der Brunftzeit im Herbst.

Aus diesem Grund hält auch Alfred Hofmann diese Erklärung für eher unwahrscheinlich. Zwar stünden in dem Gatter noch zwei weitere Zuchthirsche. Grund für einen tödlichen Konflikt zwischen den Tieren habe es jedoch nicht gegeben. Die drei Männchen und 40 weiblichen Tiere in dem Gatter hätten definitiv ausreichend Platz gehabt. „Eine mögliche Erklärung in solch einem Fall wäre selbstverständlich stets auch ein wildernder Hund“, betont Förster Kelle. Auch diese könnten, wenn sie der Jagdtrieb packe, mitunter problemlos einen zwei Meter hohen Zaun überspringen.

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