„Die Ergebnisse der genetischen Analyse liegen aktuell noch nicht vor“, erklärt das LfU auf Nachfrage der Neuen Presse. Eingegangen seien die Proben bereits am 21. Februar. Bis diese abgeschlossen sei, könne man leider keine fundierte Aussage über die Todesursache des Hirschs machen. Grund hierfür sei unter anderem, dass der Kadaver erst einige Tage nach Eintreten des Todes entdeckt worden sei. In der Zwischenzeit hätten jedoch wohl zahlreiche Wildtiere die Gelegenheit genutzt, sich zu bedienen. „Sollte im Rahmen der genetischen Analyse ein großer Beutegreifer nachgewiesen werden, so besteht Anspruch auf Ausgleich“, teilt das LfU mit. Hierfür gebe es einen eigens eingerichteten Ausgleichsfonds. Im Fall von Zuchthirschen erfolge die Bemessung der Höhe des Schadensausgleichs individuell durch einen Sachverständigen. Seien derartige Spuren infolge von Witterungsverhältnissen nicht mehr nachweisbar, gehe der Halter jedoch vermutlich leer aus.
Dass ein solcher Fall eintritt, befürchtet Alfred Hofmann jedoch. Schließlich habe es kurz vor dem Fund stark geregnet. Damit seien wichtige DNA-Spuren möglicherweise verloren gegangen. Die Aussicht, auf seinem Schaden sitzen bleiben zu müssen, schmerze ihn als Halter, der sehr auf eine ökologische Bewirtschaftung setze, auch finanziell. „An und für sich habe ich nichts gegen den Luchs“, betont er. Dennoch finde er, dass im Schadensfall Entschädigungen schnellstmöglich und möglichst unbürokratisch ausgezahlt werden müssten, wenn es das Ziel von Politik und Gesellschaft sei Beutegreifer in Deutschland wieder heimisch zu machen.
„Dass ein ausgewachsener Damhirsch durch einen Luchs gerissen wird, ist durchaus möglich“, erklärt Alexander Kelle, Förster und Berufsjäger im Forstrevier Rothenkirchen und Ansprechpartner für große Beutegreifer im Jagdverband Kronach. Tatsächlich sei ein solches Szenario jedoch eher selten – insbesondere wenn der Luchs alternativ zu dem ausgewachsenen Hirsch eine kleinere Hirschkuh reißen könne. Außerdem seien die Raubkatzen sehr selten. Seiner Einschätzung zufolge biete der Raum Kronach maximal ausreichend Platz für drei ausgewachsene Luchse.
Einen Zaun mit einer Höhe von zwei Metern könne ein Luchs wiederum leicht mit einem Sprung überwinden. „In einem solchen Fall würden sich aber mit hoher Wahrscheinlichkeit Fellspuren am Zaun finden“, betont der Experte. Alternativ sei es auch möglich, dass die Raubkatze einen nahe gelegenen Baum genutzt habe, um das Hindernis zu überwinden. „Dies könnte man mit Kratzspuren belegen“, berichtet Förster Kelle. Solche würde der Luchs nämlich hinterlassen, wenn er auf einen Baum klettere. Weitere Belege für einen Luchs könne man am Kadaver erkennen. „Im Gegensatz zu einem Wolf oder einem Fuchs interessieren sich Raubkatzen nicht für Innereien“, berichtet er. Stattdessen hätten Luchse es vornehmlich auf Muskelfleisch abgesehen.
Es gebe jedoch auch eine alternative Erklärung für den verendeten Hirsch. „Wenn es zu Auseinandersetzungen zwischen Hirschen kommt, können hierbei auch innere Verletzungen entstehen“, erklärt er. An diesen würden die Tiere dann Tage später sterben, ohne, dass man es von außen wahrnehmen könne. Finde man den Leichnam nicht rechtzeitig, würden Krähen, Füchse und andere Tiere die Gelegenheit nutzen und sich den Bauch vollschlagen. Üblich seien derartige Vorfälle im Frühjahr jedoch nicht, sondern lediglich in der Brunftzeit im Herbst.
Aus diesem Grund hält auch Alfred Hofmann diese Erklärung für eher unwahrscheinlich. Zwar stünden in dem Gatter noch zwei weitere Zuchthirsche. Grund für einen tödlichen Konflikt zwischen den Tieren habe es jedoch nicht gegeben. Die drei Männchen und 40 weiblichen Tiere in dem Gatter hätten definitiv ausreichend Platz gehabt. „Eine mögliche Erklärung in solch einem Fall wäre selbstverständlich stets auch ein wildernder Hund“, betont Förster Kelle. Auch diese könnten, wenn sie der Jagdtrieb packe, mitunter problemlos einen zwei Meter hohen Zaun überspringen.