Innerhalb der damaligen schwarz-roten Bundesregierung gab es in den Jahren 2020 und 2021 unterschiedliche Auffassungen, in welchem Umfang und auf welchem Weg lokale Mitarbeiter der Bundeswehr und deutscher Institutionen in Deutschland aufgenommen werden sollten. Zu denjenigen, die auf der Bremse standen, zählte der damalige Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU).
Orden für einen Bundespolizisten und einen Diplomaten?
Jenseits der politisch Verantwortlichen gibt es aus Sicht der Mitglieder des Ausschusses neben den an der Evakuierung beteiligten Bundeswehr-Soldaten noch einige Menschen, die in der akuten Notsituation im August 2021 entschlossen und mutig gehandelt haben. Ein Bundespolizist, ein Diplomat und vier weitere Menschen sollten aus Sicht der FDP-Obfrau im Afghanistan-Untersuchungsausschuss, Ann-Veruschka Jurisch, dafür einen Bundesverdienstorden erhalten.
"Durch ihren unermüdlichen Einsatz und ihre Hartnäckigkeit" hätten insbesondere der damalige Geschäftsträger der deutschen Botschaft, Jan Hendrik van Thiel, und sein Sicherheitsberater von der GSG-9 der Bundespolizei - ein Polizist mit dem Arbeitsnamen "Fisch" - die Landung der Bundeswehr erst möglich gemacht, sagt die Abgeordnete am Rande der wahrscheinlich letzten Zeugenvernehmung des Ausschusses.
Der Ausschuss hat den Auftrag, die Umstände der hektischen deutschen Evakuierung aus Kabul und die Entscheidungswege mit Blick auf die Aufnahme afghanischer Ortskräfte zu untersuchen. Dabei soll er auf mögliche politische Fehlentscheidungen hinweisen und Empfehlungen für das Handeln in der Bundesregierung in künftigen Krisen und Konflikten abgeben.
Szenario "Emirat 2.0"
Helge Braun räumt ein, es wäre wohl besser gewesen, man hätte sich damals auch auf das vom Bundesnachrichtendienst (BND) für unwahrscheinlich erachtete Szenario einer raschen Machtübernahme durch die militant-islamistischen Taliban vorbereitet. Fachaufsicht für den BND hat das Kanzleramt.
Die Grünen-Politikerin Canan Bayram weist Braun darauf hin, dass dieses intern "Emirat 2.0" genannte Szenario in einer Staatssekretärsrunde bereits im November 2020 als wahrscheinlich angesehen wurde. Merkel sagt, darauf angesprochen: "Ich habe dieses Szenario nicht zur Kenntnis bekommen."
Auf eine Frage des FDP-Abgeordneten Peter Heidt, ob sie in Bezug auf Afghanistan jemals von ihrer Richtlinienkompetenz Gebrauch gemacht habe, antwortet die Altkanzlerin: "Richtlinienkompetenz ist ja nicht Ordre de Mufti oder basta", vielmehr habe sie sich stets um Einigkeit im Kabinett bemüht.
Jurisch regt in einem Schreiben an den Bundespräsidenten an, neben dem Polizisten und dem Diplomaten auch zwei frühere Mitarbeiter der deutschen Botschaft in Kabul, einen deutschen Zivilisten sowie einen damals in der afghanischen Hauptstadt eingesetzten BND-Mitarbeiter mit dem Bundesverdienstorden zu ehren. Zur Begründung führt sie aus, sie alle hätten sich freiwillig entschieden, trotz der hohen damit verbundenen Gefahren über zwölf Tage am Flughafen Kabul zu bleiben, um zusammen mit der Bundeswehr die Evakuierungsoperation vorzubereiten und zum Erfolg zu führen.
Bundespolizist sah Entscheidungen des Auswärtigen Amts kritisch
Der frühere Sicherheitsberater der Botschaft - der Polizist "Fisch" - hatte bei einer früheren Sitzung des Untersuchungsausschusses als Zeuge gesagt, er habe nach seinen Erfahrungen im Irak und in Afghanistan entschieden, "dass ich nicht mehr für das Auswärtige Amt im Ausland arbeiten werde". Der Diplomat Markus Potzel war, bevor die Taliban in Kabul die Macht übernahmen, als neuer deutscher Botschafter für Afghanistan vorgesehen. Potzel habe ihm am Samstag, dem 14. August, - einen Tag vor der hektischen Evakuierung - noch schriftlich mitgeteilt, er sei gegen eine Verlegung des Botschaftspersonals zum Flughafen, berichtete der Bundespolizist.