Sozial bedenkliche Selbstkasteiung
Sicher ist es vernünftig, aus Gründen wie etwa dem Klimaschutz auf manches zunehmend zu verzichten. Und genießen kann ohnehin nur, wer es nicht ununterbrochen maßlos tut. Aber die Grenzen zwischen Neurose und ethischem Handeln sind bei manchen fließend. Dabei ist gerade die permanente Selbstkasteiung sozial bedenklich. Es wird zu einem Distinktionsmerkmal, mit dem sich jene aufwerten, die es sich leisten können: Der gebildete, gezügelte Bürger isst kein Fleisch, trinkt kaum Alkohol, raucht nicht, treibt Sport, lebt nachhaltig.
Wer im Januar auf Alkohol verzichtet, fühlt sich moralisch überlegen. Wer es nicht tut, kann sich Samstagmittag im Garten ein herbes Bier einschenken, zuschauen, wie die ersten grünen Spitzen der Narzissen aus der feuchten Erde stechen und ein bisschen an den Frühling denken. Auch das ist der Januar. Man sollte ihn genießen. Die nächste Trockenperiode kommt sicher früh genug.
Dry January
„Trockener Januar“
Der „Dry January“ ist eine Gesundheitskampagne, die dazu aufruft, nach Neujahr einen ganzen Monat lang auf Alkohol zu verzichten.
Vereinigtes Königreich
Nach dem großen Erfolg im Ursprungsland Großbritannien breitet sich die Idee weiter aus, insbesondere in die Schweiz, nach Frankreich und Deutschland. In der Bundesrepublik wird sie unter anderem vom Sucht- und Drogenbeauftragten, vom Blauen Kreuz und von der Techniker Krankenkasse gefördert.