Vhs-Diskussion in Coburg Von Krieg und Frieden

Carl-Hubertus von Butler im Januar 2002 mit afghanischen Polizisten im Vorfeld einer Patrouille durch die Hauptstadt Kabul. Foto: Anja Niedringhaus/dpa

War der westliche Einsatz in Afghanistan tatsächlich ein Debakel? Zu dieser Frage lud die Volkshochschule am Mittwochabend zur Diskussion. Am Ende aber ging es um weit mehr.

 
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Coburg - „Das Debakel von Afghanistan“ – unter dieser Überschrift hatte die Volkshochschule (Vhs) Coburg in Kooperation mit der Neuen Presse am Mittwochabend in den großen Saal des Pfarrzentrums St. Augustin zur Diskussion geladen. Bei dämmriger Beleuchtung standen drei Männer auf der Bühne: Amir Gholami, ein junger Mann, der in dem Land am Hindukusch aufgewachsen ist und seit einigen Jahren in der Region lebt, Michael Selzer, vielen bekannt als ehemaliger Sprecher der Stadt Coburg, der aber auch mehrfach als Reserveoffizier in Afghanistan im Einsatz war, sowie der, man darf getrost sagen, Stargast des Abends: Carl-Hubertus von Butler, Generalleutnant a. D. des Heeres der Bundeswehr, seines Zeichens erster Kommandeur der deutschen Truppen in dem islamisch geprägten Land. Der 70-Jährige stammt aus Coburg und lebt heute in Heldritt. Vor seiner Verabschiedung in den Ruhestand mit einem Großen Zapfenstreich im März 2012 war er noch drei Jahre Befehlshaber des Heeresführungskommandos. Moderiert wurde die Veranstaltung vonNP-Redaktionsleiter Wolfgang Braunschmidt.

„Ein Debakel“, „Völlig umsonst“ – so oder so ähnlich war in den vergangenen Wochen immer wieder zu lesen und hören in den deutschen Leitmedien. Aber war er das tatsächlich, der westliche Militäreinsatz in Afghanistan? „Natürlich könnte man jetzt sagen: Es war alles umsonst, aber so einfach möchte ich es mir nicht machen“, antwortete Carl-Hubertus von Butler auf die Eingangsfrage vor den 30, womöglich 40 Zuhörerinnen und Zuhörern. Das Hauptziel, nach dem 11. September den Terrorismus zu bekämpfen, sei erreicht worden. Dazu hätten sich in dem Land dank der Besatzung Medien entwickeln können, Straßen seien gebaut, Minen geräumt worden. Mädchen hätten die Schule besuchen können. „Es war mitnichten ein Debakel.“ Der große Fehler sei der völlig überstürzte Rückzug gewesen. Von Butler: „Das war politischer Riesenmist.“

Wurde am Hindukusch unsere Sicherheit verteidigt?

„Es ist zum Versagen geworden“, befand auch Michael Selzer. „Wir haben 20 Jahre so etwas wie Hoffnung aufkeimen lassen und das dann mit einem Federstrich zunichte gemacht.“ Während der einstündigen Veranstaltung flüchtete sich der Reserveoffizier immer wieder in Zynismus. Etwa als er meinte, dass in einer der letzten deutschen Maschinen aus Kabul „lieber Bierkisten ausgeflogen wurden als Menschen“. Selzer: „Es ist unsere Verantwortung, die Leute da rauszuholen. Wir haben uns ganz schäbig verhalten.“

Amir Gholami, der junge Mann aus Afghanistan, der mittlerweile eine Ausbildung zum Fachlagerist absolviert, verfolgte die Runde zurückhaltend. Zwei Botschaften aber waren ihm wichtig: „Wir vertrauen den Taliban nicht.“ Und (Hallo, Herr Noch-Innenminister): „Afghanistan ist nicht sicher!“

Michael Selzer tat sich seinerseits noch mit einer Einschätzung hervor, die Bezug nahm auf den ehemaligen deutschen Verteidigungsminister Peter Struck – und sein berühmt-berüchtigtes Zitat aus dem Jahr 2004. Der Afghanistan-Veteran: „So abwegig war der Satz nicht, dass unsere Sicherheit auch am Hindukusch verteidigt wird.“ Allerdings, so Selzer mit Blick auf die Taliban-Oase Pakistan, habe der Hindukusch zwei Seiten.

Und Carl-Hubertus von Butler? Der Generalleutnant a. D. blickte in die Zukunft. „Wir müssen aus Afghanistan lernen, Konsequenzen ziehen“, so der 70-Jährige. Schließlich könne die Antwort doch nicht lauten, es einfach sein zu lassen. „Wir haben eine Verpflichtung, diesen Regionen zu helfen auf dem Weg zu etwas wie Demokratie.“ Von Butler warb in diesem Kontext nachdrücklich für eine gemeinsame europäische Armee.

Irgendwann an diesem Abend zählt der pensionierte Drei-Sterne-General die deutschen Auslandseinsätze auf. Elf an der Zahl, in Mali, am Horn von Afrika etc. Von Butler unterstreicht ihre Bedeutung für die Bundesrepublik. Der längste Einsatz läuft seit mehr als 20 Jahren. Nicht irgendwo auf der Welt, sondern in Europa: Im Kosovo, wo jüngst ein Grenzstreit mit Serbien innerhalb weniger Tage gewaltsam zu eskalieren drohte.

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