In überhitzten Zeiten wie diesen braucht es Menschen, die einen kühlen Kopf bewahren. Felsen in der Brandung der aufgepeitschen Hysterie. Dichter und Denker, die über den Dingen stehen. Lichtgestalten wie Dieter Nuhr. Sein freier Geist sprengt die Ketten ängstlicher Engstirnigkeit, tiefenentspannt
kuriert er den gesellschaftlichen Bluthochdruck, herkuleshaft nimmt er die Bürden der Moderne auf die leichte Schulter.

Nachdem es ihm mittels radikaler Besonnenheit bereits gelungen ist, die Klimapanik zu bezwingen und die Weltherrschaft Greta Thunbergs abzuwenden, nimmt er nun einen großen Schluck aus der Sagrotan-Pulle und schreitet zur neuen Heldentat: die Rettung der Volksgesundheit. Nicht etwa vor Corona, sondern vor der Angst vor Corona. Denn weit bedrohlicher als das Virus findet der abgeklärte Aufklärer die "deutsche Lust am Weltuntergang", die ihm die Laune und seine Tournee verdirbt.

Während ganz Europa herunterfährt, gibt der Chefkomiker deshalb Vollgas: "Wir haben eine Erkrankungsrate von 0,0001 Prozent der Bevölkerung, also ich würde gerne einfach auftreten am Wochenende…" twitterte er launig in die Online-Runde.

Sollte es Nuhrs Absicht gewesen sein, sich wieder mal einen erfrischenden Shitstorm um die hohe Nase wehen zu lassen, dann ist ihm das vortrefflich gelungen: Selbst Fans wiesen den Kabarettisten auf seine mathematische Teilleistungsschwäche hin - tatsächlich waren zu dem Zeitpunkt nämlich schon 200 Mal mehr Menschen infiziert - und legten ihm nahe, sich mit
Exponentialkurven und den Grundlagen der Epidemiologie zu befassen.

Mit derlei Undank und Unverstand zu leben, hat Nuhr, der Christian Lindner des deutschen Kabaretts, in den letzten Jahren gelernt. Es ist nunmal das Schicksal der Erleuchteten, von Dunkelheit umgeben zu sein. Wieder einmal hat die verzagte Öffentlichkeit das raffinierte Nuhrsche Kalkül nicht verstanden: Er möchte die heilsame Kraft des Lachens mit dem darwinistischen Prinzip der Masernparty kombinieren. Womit er sich endgültig für höhere Aufgaben in Staat und Gesellschaft empfiehlt. Jens Spahn kann einpacken.