Rockmann räumte Fehler bei Wahlorganisation und -ablauf ein, lehnte eine Wiederholung der Wahl aber ab. Denn es sei nicht genau zu sagen, wieviele Personen aufgrund der Umstände wie langen Warteschlangen von der Abgabe ihrer Stimme Abstand genommen hätten. "Die Bedingungen waren leider, leider sehr erschwert, das ist sehr bedauerlich. Aber man hätte wählen können, wenn man gewartet hätte." Mit Ausnahme fehlender Stimmzettel sei niemandem sein Wahlrecht genommen worden.
Abstimmung wohl erst nach der Sommerpause
Beim Wahlprüfungsausschuss gingen nach Angaben seiner Vorsitzenden Daniela Ludwig (CSU) 2117 Einsprüche zur Bundestagswahl ein, darunter knapp 90 Prozent "ausschließlich oder teilweise zum Berliner Wahlgeschehen." Voraussetzung für eine Wiederholung ist, dass Fehler und Pannen "mandatsrelevant" sind, sich also auf die Sitzverteilung auswirken. Rockmann verneint das im Falle Berlins, Thiel bejaht es.
Der Ausschuss des Bundestags untersucht seit geraumer Zeit, ob das tatsächlich der Fall ist und zumindest in bestimmten Wahlkreisen oder -bezirken neu abgestimmt werden muss. In den kommenden Monaten will er eine Empfehlung dazu abgeben. Das werde allerdings wohl erst nach der parlamentarischen Sommerpause der Fall sein, sagte Ludwig. Über die Empfehlung stimmt dann der Bundestag ab. Gegen diese Entscheidung wiederum kann beim Bundesverfassungsgericht Klage eingereicht werden.
Auch im Hinblick auf das Berliner Abgeordnetenhaus steht die Frage einer zumindest teilweisen Wahlwiederholung im Raum. Darüber befinden muss nach diversen Einsprüchen der Verfassungsgerichtshof des Landes. Derzeit werden die Vorgänge dort überprüft, eine Entscheidung wird in den kommenden Monaten erwartet.
Thiel hält Neuorganisation in Berlin für nötig
Nach seiner Einschätzung seien die Probleme nicht auf die Tatsache zurückzuführen, dass Berlin eine Großstadt sei, ergänzte Thiel. In Hamburg, München oder Köln habe schließlich auch alles geklappt. Außerdem glaube er, dass das beim nächsten Mal wieder passieren könnte, so Thiel. "Die gesamte Wahlorganisation in Berlin braucht dringend eine Überarbeitung."
Ausschussmitglied Thomas Seitz (AfD) prangerte im Lichte der Anhörung "chaotische Zustände" in Berlin und "komplettes Systemversagen" an. Der Berliner CDU-Bundestagsabgeordnete Thomas Heilmann sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Die Anhörung hat gezeigt, dass die Wahlfehler noch schlimmer sind als gedacht." Das sei eine Blamage für Deutschland. "Um Schaden von unserer Demokratie abzuwenden, muss es Konsequenzen geben."
Die Anhörung insbesondere von Bundes- und Landeswahlleitung hatte der Ausschuss nach den Worten der Vorsitzenden Ludwig anberaumt, um ein klareres Bild zu erhalten. Dieses eher selten praktizierte Vorgehen sei deshalb nötig gewesen, weil nach Sichtung umfangreicher schriftlicher Unterlagen "weite Teile des Sachverhalts" weiter unklar beziehungsweise zwischen Beteiligten strittig gewesen seien.