Schwierige Ausgangslage und Prinzip Hoffnung
Die Chancen, tatsächlich ins Kanzleramt einzuziehen, sind für Habeck derzeit gering. In Umfragen liegt seine Partei aktuell bei schlappen 9 bis 11 Prozent. Grüne verweisen an dieser Stelle gern auf die nur um ein paar Prozentpunkte besseren Umfragewerte der SPD, die ja auch einen Kanzlerkandidaten ins Rennen schickt.
Eine Reaktion seines ehemaligen Regierungspartners, FDP-Chef Christian Lindner folgte prompt: "Schon verrückt. Keine eigene Mehrheit, aber jetzt zwei Kanzlerkandidaten in der Regierung", schrieb der von Kanzler Scholz entlassene Finanzminister auf der Plattform X.
Auch Unionskanzlerkandidat Merz reagierte bereits spöttisch. "Die Selbsterklärung zum Kanzlerkandidaten bei neun Prozent Wählerzustimmung hat ja durchaus einen humorvollen Teil", sagte der Unionsfraktions- und CDU-Parteichef. Die Grünen müssten das "dann mit sich und ihren Wählerinnen und Wählern ausmachen", fügte er hinzu.
Habeck sagt im Video: "Natürlich, ich kenne die Umfragen. Ich weiß, dass die Ampel-Regierung gescheitert ist. Ich weiß, dass Vertrauen kaputtgegangen ist." Und: "Ich weiß, einen Führungsanspruch muss man sich erarbeiten. Ich will ihn mir erarbeiten."
Lob kam von seiner Parteikollegin Franziska Brantner, die parlamentarische Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium ist und als aussichtsreiche Bewerberin für den Parteivorsitz gilt. In Zeiten großer Unsicherheiten gebe er "Halt und Orientierung, ehrlich und mit klarem Kompass. Da wo andere polarisieren und spalten, auf politische Unterschiede pochen, schaut er auf Gemeinsamkeiten und führt zusammen". Brantner ist eine enge Vertraute Habecks.
Habeck gibt Groko die Schuld an Reformstau
Wie einen Klotz am Bein schleppt Habeck die schlechte Wirtschaftslage in Deutschland mit. Er selbst erklärt die Situation unter anderem mit dem Verlust russischer Energieimporte infolge des Angriffskriegs gegen die Ukraine und verschleppten Reformen der Vorgängerregierungen. "Wir dürfen uns nicht einlullen lassen, wie in den Regierungsjahren von CDU/CSU und SPD, wo faktisch alles liegen geblieben ist und nichts gemacht wurde. All das müssen wir jetzt mühsam nachholen", sagt Habeck in seinem Video, kurz nachdem er die Notwendigkeit von Investitionen in Infrastruktur und Bildung betont hat und die Wichtigkeit von Klimaschutz. Detaillierte Forderungen oder Vorschläge präsentiert er nicht.
Wie er sich den Bundestagswahlkampf vorstellt, das skizzierte Habeck Ende August bei einem Wahlkampfauftritt in Sachsen, wo seine Partei wenige Tage später herbe Verluste einstecken musste und mit Ach und Krach den Wiedereinzug in den Landtag schaffte. Habeck glaubt, an die Möglichkeit eines Stimmungsumschwungs zum Besseren. "Und es muss nur irgendein Kristallisationspunkt kommen, wo wir uns selbst beweisen, dass wir viel, viel besser in Deutschland sind, als die Stimmungslage und die Umfragen es im Moment zeigen. Wenn das passiert, dann kann wirklich alles passieren", sagte er damals.
Einladung an den Küchentisch
Erst einmal aber will Habeck nach eigenem Bekunden zuhören, wie er im Video sagt. "Was Sie umtreibt in Ihrem Alltag, worauf es Ihnen ankommt. Vielleicht komme ich auf Ideen, die ich sonst nie hätte." Vielleicht könne man am Küchentisch reden. "Ich fände es jedenfalls schön, Sie laden mich ein, und wann immer die Zeit es zulässt, baue ich Küchentisch-Gespräche in meinen Alltag ein, bevor der Wahlkampf so richtig los geht."