Wahlrecht in Bayern Stimmen der Unterfranken zählen weniger

Christian Schuster
Bei den Landtagswahlen ergeben sich durch das aktuelle Wahlrecht regionale Ungleichgewichte. Seit rund zwei Jahren gehen Unterfranken dagegen auch rechtlich vor. Foto: picture alliance/dpa//Matthias Bein

Ungleichgewicht im Landtag: Unterfranken ist zahlenmäßig schlechter Vertreten als andere Regierungsbezirke. Eine Klage am Bayerischen Verfassungsgerichtshof scheiterte jedoch.

 
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München/Hammelburg - Damit ein Unterfranke einen Sitz im Landtag erhält, benötigt er rund 25 Prozent mehr Stimmen, als ein Kandidat oder eine Kandidatin aus Niederbayern. Gegen diese „Ungerechtigkeit“ gingen vier Unterfranken, darunter auch die Grünen-Politikerin Manuela Rottmann vor – und reichten Klage am Bayerischen Verfassungsgericht ein. Die Richter dort sahen darin jedoch keinen Verstoß gegen die Landesverfassung. Die Klage ist gescheitert, wie unter anderem die Main Post jüngst berichtete.

Unterfranken ist derzeit schlechter im bayerischen Parlament vertreten als andere Regierungsbezirke. Seit der letzten Wahl im Jahr 2018 sitzen statt den gesetzlich vorgeschriebenen 180 Abgeordneten insgesamt 205 im Maximilianeum. Die 25 zusätzlichen Sitze sind mit Vertretern aus allen Regierungsbezirken besetzt – außer aus Unterfranken. Laut Manuela Rottmann, die die Kläger in dieser Popularklage vertrat, werde damit der Wahl-Grundsatz verletzt, dass jede Stimme gleich viel wert sein muss.

Der Grund für das Ungleichgewicht liegt im derzeit geltenden bayerischen Wahlrecht verankert. Bei der Berechnung der Sitze werden die Überhang- und Ausgleichsmandate nicht bayernweit, sondern auf Ebene der Wahlkreise berechnet – diese sind im Falle der Landtagswahl mit den Regierungsbezirken deckungsgleich. Da die CSU in sechs der sieben Regierungsbezirke mehr Direktmandate gewann, als ihr nach dem Ergebnis der Gesamtstimmen zustanden, konnten die anderen Parteien ebenfalls zusätzliche Kandidaten über die Überhangmandate in den Landtag bringen. In Unterfranken gelang der CSU das beste Ergebnis in Bayern mit 41,4 Prozent. Einerseits Grund zur Freude bei der Unionspartei. Aber daraus ergaben sich folglich auch keine Überhangmandate – und Ausgleichsmandate für die anderen Parteien waren daher ebenfalls nicht nötig.

Doch was bedeutet das konkret? Manuela Rottmann veranschaulichte die Situation für die bayerischen Verfassungsrichter anhand der Wählerzahlen: Unterfränkische Kandidaten benötigten im Durchschnitt 70 000 Stimmen, um ein Mandat zu erlangen. In Niederbayern waren lediglich rund 56 000 Stimmen nötig - rund 25 Prozent weniger. Die Unterschiede werden sogar deutlicher, vergleicht man die Parteien miteinander: Während ein Kandidat der SPD in Niederbayern bereits mit 41 000 Stimmen in den Landtag einzog, benötigte die FPD in Schwaben sogar 88 000 Stimmen für einen Sitz – mehr als doppelt so viele.

Die Richter am Verfassungsgerichtshof bestätigten die Rechnung – eine Verfassungswidrigkeit erkannten sie jedoch nicht. Die „Ungleichheit“ sei die Folge der Regelung, dass die Überhangmandate und in der Folge die Ausgleichsmandate eben nicht bayernweit berechnet würden. Die Verteilung der Mandate auf Wahlkreisebene sei mit der Verfassung kompatibel, abgesehen davon könnten die Richter nicht feststellen, dass mit einer anderen Regelung der Wahlgleichheit „besser Rechnung getragen werden“ könnte.

Allerdings gebe es die, wie die Hammelburger Juristin Rottmann der NP-Redaktion erklärt. In Bayern habe sogar bereits einmal eine Rechtslage bestanden, die „das Problem an der Wurzel gelöst hat“: Eine Regelung aus dem Jahr 1954 habe nur maximal so viele Direktmandate zugelassen, wie dem Gesamtstimmenanteil entsprächen. Überhangmandate – und damit die immer weiter anschwellenden Parlamente – seien dadurch gleich gänzlich verhindert worden. Ein Sachverhalt, der keinen Einfluss auf die Entscheidung der Münchener Verfassungsrichter hatte. Es sei nicht Aufgabe des Gerichts, sich um die Verbesserung des Wahlrechts zu kümmern. Das sei Sache des Parlaments.

Tatsächlich wäre der Landtag inzwischen auch die einzige Ebene, auf der man das Problem angehen könnte. Denn mit dem Urteil vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof ist die höchste gerichtliche Instanz in dieser Sache erreicht, erklärt Rottmann. Seit einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Jahr 1998 werden Landeswahlgesetze nicht mehr auf Bundesebene auf ihre Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz überprüft. Die Aussichten auf eine Debatte im Maximilianeum stehen derzeit jedoch schlecht: Eine Mehrheit aus CSU, Freien Wählern, AfD und FDP hatte einen Antrag von Grünen und SPD, eine Lösung für das Problem zu diskutieren, erst im April 2019 abgelehnt. Doch den Kopf in den Sand zu stecken, helfe an dieser Stelle laut Manuela Rottmann nicht: „Wenn das Wahlverhalten sich weiter so ausdifferenziert wie in den letzten Jahren, wird sich auch der Konflikt des geltenden Wahlrechts mit dem Grundsatz der Wahlgleichheit verschärfen“, so das Fazit der Grünen-Bundestagsabgeordneten.

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