Waldau Oldtimer soweit das Auge reicht

, aktualisiert am 21.05.2023 - 14:01 Uhr

Einmal im Jahr verwandelt sich die Wiese am Ortsrand von Waldau zu einem großen Ausstellungsplatz. Sie ist dann reserviert für historische Gefährte aller Art. Und die kommen – wie ihre stolzen Besitzer – aus ganz Deutschland in den Süden Thüringens.

 
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Waldau - Flausen im Kopf, die haben sie wohl alle, die da stolz vor ihren Gefährten Rede und Antwort stehen. Sei es der Simson-Liebhaber oder der, der den großen, alten VW-Bus lenkt. Oder auch der stolze Besitzer des Deutz, Baujahr 1953.   Das ist Wolfgang Jacobi und er gehört zu den Oldtimerfreunden Waldau. Sie richten das Treffen aus – zum 15. Mal nun schon. Und diesmal hat Jacobi  neben zwei weiteren Gefährten  den 11er Deutz, ein Zylinder, luftgekühlt mit dabei. Den habe er sich zum 65. Geburtstag gekauft. Ein Schmuckstück, das nur dann und wann aus der Garage geholt wird. Zum Sonntagsausflug – wenn’s mit Kaffee und Kuchen im Korb um die Talsperre Schönbrunn  geht.

Mit dabei ist auch Jacobis Neffe. Axel Sieberichs heißt er – und ihm scheint kein Weg zu weit. Mit seiner kleinen Simson, einer S 51, ist er nach Waldau gedüst. Immer schön vorsichtig, mit Durchschnittsgeschwindigkeit 40.  Doch er kommt nicht etwa aus dem Nachbardorf. Nein, er ist der Gast des Treffens, der die weiteste Anreise hatte:   528 Kilometer hat er, verteilt auf zwei Tage, mit seinem Moped zurückgelegt, um dabei sein zu können.  „Ich habe nur zum Schlafen und Essen angehalten. Am Dienstag um 8.15 Uhr  bin ich gestartet – und am  Mittwoch 15 Uhr  angekommen“, erzählt er.  Die Reise sei ohne Zwischenfälle verlaufen. Ein wenig Sorge hatte er vor dem Start schon. Das Maschinchen sei „neu“ – und noch nicht ganz fertig. Die Rücklichter seien nicht original, das soll sich noch ändern.  Und im vergangenen Jahr hatte Axel Sieberichs einen neuen Motor eingebaut. „Sie hat   die Bewährungsprobe bestanden“, sagt der 34-Jährige, der aus dem westlichsten Landkreis der Republik kommt, aber aus Waldau stammt. Hier hat er seine Liebe zu den Mopeds entdeckt. Auf der Schwalbe seines Onkels hat er das Fahren gelernt. Schwalben hat er auch Zuhause in Hückelhoven stehen. Zwei an der Zahl. Und mit einer war er 2019  beim Treffen in der Heimat.

Motorräder sind auch die Leidenschaft von Bernd Rose. Der Heldburger ist ein Bastler, wie er im Buche steht. Er restauriert seine Schätze – baut sie originalgetreu wieder auf. Die Zündapp, mit der er am Samstag beim Oldtimertreffen in Waldau vorgefahren ist, stammt aus dem Jahr 1939. Sie  ist auf Hochglanz poliert und funkelt in der Sonne. Die 28-PS-Maschine fahre wie eine Eins. „Ihre Spitzengeschwindigkeit ist mit 125 Kilometer pro Stunde angegeben. Aber ich muss mit ihr noch ein bisschen sachte machen, sie hat erst 600 Kilometer drauf“, sagt der Bastler, der Zuhause schon das nächste  Projekt in Arbeit hat.   Er  verarztet  eine Zündapp K 500.

Andere  sind auf vier Rädern unterwegs – beispielsweise das Team um Konrad von Freyberg, der vom Verein Automobilbaumuseum Eisenach nach Waldau gekommen ist. Auch er ist mittlerweile Stammgast beim Oldtimer-Treffen. Und er hat eine besondere Verbindung dorthin. „Ich bin ein echter Hinternäher“, erzählt der 90-Jährige, der im Nachbarort aufgewachsen und in Schleusingen zur Schule gegangen war. „Beim Greifzu in Suhl ist er in die Lehre gegangen“, sagt Bernd Schmidt, der Vorsitzende der Waldauer Oldtimerfreunde. Das heißt, nach dem Schulbesuch lernte Konrad von Freyberg in der Werkstatt des legendären DDR-Rennfahrers Paul Greifzu in Suhl den Beruf des Kraftfahrzeugschlossers, bevor er studierte und schließlich bei Wartburg in Eisenach landete. Von dort hat er etwas mitgebracht zum Treffen: Ein Fahrgestell mit einem ganz besonderen Motor, das normalerweise in der Ostkantine steht. Darum scharen sich die Besucher – und stellen   Fragen. Konrad von Freyberg erklärt gern, bis die Stimme heiser klingt. Er erzählt aus den 1980er Jahren, als die Fahrzeugexporte im Automobilwerk Eisenach zusammenzubrechen drohten – wegen der Zweitaktmotoren. Ein Viertakter musste her. Und so entwickelten sie einen im Werk. Zwei Experimentiermustermotoren waren fix und fertig  – dreizylindrige, 1200 Kubikzentimeter, 60 PS. Und das Beste: Der Viertaktmotor hätte den Kraftstoffverbrauch drastisch gesenkt und  in den 353er Wartburg gebaut werden können – ohne Veränderungen vornehmen zu müssen. Auch hätten 90 Prozent der Fertigungstechnikanlagen genutzt werden können, erzählt der Fachmann. 1986 sollte er, der bei allen Tests top Ergebnisse geliefert hatte, in Serie gehen. Doch dann kam das Aus – VW lieferte die Motoren. Die Prototypen gibt’s aber   heute noch. Und das Fahrgestell mit Motor bewundern die Oldtimerfreunde  in Waldau.

Egal mit wem man spricht – überall erfährt man interessante Geschichten. Das Treffen macht Spaß, es ist zum Austausch für   Bastler gedacht,  bringt aber auch  den einen oder anderen Laien  zum Staunen.

Hundert historische Lkw und Busse, mindestens 250 Autos und über 500 Mopeds und Motorräder sind am Samstag auf dem Platz zu bewundern. Es ist Kommen und Gehen.  Von überallher sind sie angereist, um ihre Schätze zu zeigen.  Und natürlich haben die Vereinsmitglieder für den passenden Rahmen gesorgt. Zum 15. gibt’s nämlich Selbstgekochtes. Ob Soljanka, Kesselgulasch oder Rouladen mit Klößen – die Gäste schlemmen.  „Bis auf die Klöße oder auch das Eis haben wir die Versorgung selbst gestemmt“, erzählt Bernd Schmidt. Seit Mittwoch bewirten sie ihre Gäste, haben ihnen am Freitag  die Schwarze Crux bei Ilmenau gezeigt. „Ein Ausflug gehört jedes Jahr dazu“, erzählt der Vereinschef, der weiß, dass sich viele über die familiäre Atmosphäre freuen beim liebevoll organisierten Waldauer Treffen. Dass alles passt, ist auch befreundeten Vereinen zu verdanken. Die Waldauer bekommen große Unterstützung. „Dafür sind wir sehr dankbar“, versichern sie. Und dieses Jahr  gibt’s am Abschluss-Samstagabend etwas Besonderes: Mit Freibier stoßen die Gäste aufs kleine Jubiläum an.

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