War Alkohol im Spiel? Raser nach tödlichem Unfall vor Gericht

Martin Schweiger
Der Angeklagte beteuert, keinen Alkohol getrunken zu haben. Zahlreiche Beweise, unter anderem ein Foto, lassen Zweifel an dieser Darstellung aufkommen. Foto: picture alliance/dpa/Volker Hartmann

Im April des vergangenen Jahres kam es bei Theres zu einem schweren Verkehrsunfall, bei dem eine 55-jährige Mutter starb. Der Unfallverursacher sitzt seit dieser Woche vor Gericht . Er zeigt sich reuig, beruft sich allerdings auch auf Erinnerungslücken.

 
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Unter Tränen und sichtlich mitgenommen hat am Donnerstag ein 33-jähriger Familienvater am Amtsgericht die Schuld an einem tödlichen Verkehrsunfall auf sich genommen (wir berichteten). Er bereue die Tat und wolle sie am liebsten ungeschehen machen, sagte er vor dem Schöffengericht. Der Angeklagte fuhr am 10. April vergangenen Jahres, dem Palmsonntag, mit weit über 100 Stundenkilometer über die damalige Behelfsbrücke über den Main bei Horhausen (Gemeinde Theres). In einer S-Kurve fuhr er mit seinem 412-PS-starken VW Touareg geradeaus und rammte dabei den Kleinwagen, einen VW Up, einer 55-jährigen Mutter. Der Kleinwagen wurde mehrere Meter zurück geschoben. Die Geschädigte verstarb noch an der Unfallstelle, während der Angeklagte nur leicht verletzt wurde. Er erlitt Schnitt- und Brandwunden an den Armen und im Gesicht und brach sich eine Rippe.

Dabei hatte der Tag so schön begonnen für den zweifachen Vater. Bei einem Fußballspiel, bei dem es um den Aufstieg ging, schoss er ein Freistoßtor. Sein Team gewann und feierte anschließend im Vereinsheim. Dabei soll auch Alkohol geflossen sein. Der Angeklagte beteuerte jedoch auf der Anklagebank, keinen Alkohol – oder nur minimal – getrunken zu haben. Er sei bereits mehrmals von der Polizei angehalten worden und habe immer 0,0 Promille geblasen. An dem Tag sei er ebenfalls nüchtern gewesen. „Dafür lege ich die Hand ins Feuer“, gab er zu Protokoll. Nach dem Feiern im Vereinsheim habe er sich in Untertheres noch etwas zu Essen gekauft. Ab diesem Zeitpunkt bis zum Unfall fehle ihm die Erinnerung.

Es gab jedoch mehrere Zeugen, die die anschließende Fahrt von Untertheres bis zur Unfallstelle beobachtet hatten. Ein Rentner, der damals zwischen Ober- und Untertheres auf dem Gehweg neben der Straße spazieren ging, bezeugte vor Gericht, dass der Angeklagte von Untertheres kommend „laut hupend und sehr schnell“ in Richtung des Kreisels bei Obertheres gefahren sei. „Mal schauen, ob er den Kreisel packt“, habe er sich gedacht. Wenig später habe es einen „fürchterlichen Schlag getan“ und Reifen hätten gequietscht. Er sei schnell zur Unfallstelle gelaufen, wo er ein „Trümmerfeld“ vorgefunden habe.

Die Zeugin, die zuerst mit ihrem Freund an der Unfallstelle war, hatte den Angeklagten bereits im Kreisel vor sich fahren sehen. „Ich habe gedacht, ich sei bei einem Kartbahn-Rennen. Ich war erstaunt, dass er auf der Strecke blieb“, gab sie zu Protokoll. Nur wenige Sekunden später zeigte sich, dass der Angeklagte die Fahrspur nicht halten konnte. Am Unfallort sei der Angeklagte selbst über die Beifahrerseite ausgestiegen und habe im Gesicht geblutet. „Die ist mir voll reingefahren“, habe er damals unter Schock noch gesagt. Alkoholgeruch habe sie nicht wahrgenommen. Sie habe als Erste einen Notruf abgesetzt, während ihr Freund versucht habe, der schwer verletzten Frau zu helfen. „Der Unfall hat mich so mitgenommen, wie bislang noch nichts in meinem Leben“, sagte die junge Frau unter Tränen aus. Sie und ihr Freund hätten die ganze Nacht nicht schlafen können. Um das Geschehene zu verarbeiten, habe sie es niedergeschrieben. Der Unfallverursacher habe noch versucht zu helfen, sei dann aber plötzlich weg gewesen. Gegen 5 Uhr morgens tauchte er im rund zehn Kilometer entfernten Traustadt vor der Haustür eines Freundes auf. Sein Oberkörper war frei. Seine Sporthose und Schuhe waren durchnässt. Der Freund versorgte den Frierenden zusammen mit seiner Mutter und rief die Polizei.

Der Vorsitzende Richter Christoph Gillot hatte Zweifel an der Aussage des Angeklagten, keinen Alkohol getrunken zu haben. Denn im Fahrzeug des Angeklagten wurden Reste eines Glases gefunden, in dem sich noch der Rest eines alkoholischen Mixgetränkes befand. Zudem sei nach dem Fußballspiel in der Kabine ein Foto geschossen worden, bei dem der Angeklagte mit einer Bierflasche in der Hand zuprostete. Er trinke kein Bier, beteuerte der Angeklagte. Das Glas mit dem Cola-Rum-Gemisch habe er für einen Bekannten mitgenommen. Er habe höchstens davon einmal genippt.

Skeptisch machte den Vorsitzenden auch die Tatsache, dass das Handy des Angeklagten um 20.11 Uhr, also rund zehn Minuten nach dem Unfall, ausgeschaltet wurde. „Wenn das Handy aus ist, kann man Sie nicht orten. Vielleicht hatten Sie ja Angst vor einem Alkoholtest?“, fragte der Richter, was der Angeklagte verneinte. Er brauche seinen Führerschein. Er fahre bis zu 70 000 Kilometer im Jahr und habe noch nie einen Unfall gebaut.

Zweifel an der Aussage des 33-jährigen Angestellten hatten auch die beiden Anwälte des Ehemannes der Verstorbenen, der mit seinen beiden Töchtern als Nebenkläger auftrat. Für Rechtsanwalt Alexander Wessel kommt sogar ein Mord in Betracht. Der 421-PS-SUV des Angeklagten sei ein „gemeingefährliches Tatmittel“, mit dem der Fahrer als „Sieger“ aus dem Unfall hervorgegangen sei, argumentierte Wessel. Mit seiner „irrsinnigen Fahrweise“ habe er einen „bedingten Tötungsvorsatz“ gezeigt. Der Anwalt stellte daher den Antrag, den Fall an das Landgericht nach Bamberg zu verweisen. Rechtsanwalt Thomas Gärtner aus Bamberg pflichtete seinem Kollegen bei. Das Schöffengericht am Amtsgericht könne nur Freiheitsstrafen bis zu vier Jahren verhängen. Es gebe vergleichbare Fälle in Bayern, bei denen der Täter zu sechs Jahren und acht Monaten Haft verurteilt wurde, sagte Gärtner. Das Amtsgericht teilte am Freitag mit, dass der Antrag abgelehnt wurde. Die Fortsetzung des Verfahrens erfolgt damit wie geplant am Donnerstag, 9. März, um 9 Uhr am Amtsgericht. Dann soll auch ein Urteil fallen.

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