Warnstreik Sie wollen auch ein Stück vom Kuchen

René Ruprecht und

In der Metall- und Elektroindustrie ist mehr Geld zu verteilen, als bei den Arbeitern ankommt: Das sagt die IG Metall, die auch am Freitag zu Warnstreiks aufgerufen hat. Um deutlich mehr geht es in Eltmann.

 
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Augsfeld/ Eltmann/ Bamberg - Das Jahr 2020 war für die Deutsche Wirtschaft sicherlich kein gutes. Viele Branchen wurden über Monate hinweg auf Eis gelegt oder hatten mit starken Einschränkungen und Auflagen zu kämpfen. Ob nun der richtige Zeitpunkt für Lohnerhöhungen ist? Absolut, findet die IG Metall. Nicht alle Industriebereiche hatten 2020 schließlich mit einem Krisenjahr zu kämpfen. Bei Warnstreiks legten am Freitag daher unter anderem rund 100 Mitarbeiter bei Bosch Rexroth in Augsfeld und Schaeffler in Eltmann die Arbeit vorübergehend nieder.

„Nach unserem Wissensstand ist in der Metall- und Elektroindustrie viel mehr zu verteilen als vom Arbeitgeber zugegeben wird“, so Versammlungsleiter Matthias Gebhardt, einst 1. Bevollmächtigter der IG Metall Bamberg, nun in Schweinfurt. Zwischen 14 und 15 Prozent der Metallindustriebetriebe, vor allem die Automobilzulieferer und Automobilisten, aber auch Maschinen- und Werkzeughersteller, hätten trotz Corona ein hervorragendes Jahr hingelegt. Die Gewerkschaft habe den Vorschlag gemacht, überall, wo wenig Arbeit da sei, mit der Arbeitszeit hinunterzugehen, etwa auf eine 4-Tage-Woche mit einem Teilentgeltausgleich. Sprich: vier Tage Arbeit mit einer Bezahlung von 4,5 Tagen Arbeit.

In Augsfeld teilt man Gebhardts Auffassung. „Dem Unternehmen geht es sehr gut. Sie haben gute Gewinne gemacht. Wir wollen auch was haben von dem Kuchen, und das steht uns auch zu“, so der Augsfelder Betriebsratsvorsitzende bei Bosch Rexroth, Ingo Pflugmacher. Zudem würde die Auftragslage immer besser werden und der Personalbedarf steige. Pflugmacher: „Wir brauchen jetzt neue Mitarbeiter, damit die Mehrarbeit nicht unendlich wird.“

Mit den Streiks wollen die Mitarbeiter vor Ort verdeutlichen, dass sie hinter den Forderungen der IG Metall stehen. Gleichzeitig soll der Druck auf die Arbeitgeber erhöht werden, damit sich diese am Verhandlungstisch bewegen. „Wir haben schon dreimal verhandelt. Jetzt ist Verhandlungspause. Nachdenkpause“, so Matthias Gebhardt. Seinen Angaben nach folgten dem Streik-Aufruf bis Donnerstagabend deutschlandweit rund 164 000 Streikende, in Bayern rund 23 000, davon allein ein Viertel in Schweinfurt.

Bereits am Donnerstag hatte die IG Metall Bamberg zu einer Kundgebung auf dem Bamberger Maxplatz aufgerufen. Aufgrund der mit der Corona-Pandemie verbundenen Beschränkungen durften nur 200 Personen (mit Maske und Abstand) gewissermaßen stellvertretend für die 20 000 Beschäftigten in der regionalen Metall- und Elektroindustrie an der Kundgebung teilnehmen. Redebeiträge gab es unter anderem von Thomas Werner, Vertrauenskörperleiter von FTE Valeo in Ebern, der sich für die Themen Beschäftigungssicherung und Gestaltung der Transformation starkmachte. Auch die neue 2. Bevollmächtigte der IG Metall Bamberg, Andrea Sicker, plädierte für „gute und sichere Arbeitsplätze in der Region“: Mit knapp 20 000 Menschen in der Metall- und Elektroindustrie sei diese Branche „Grundlage für Wohlstand und Kaufkraft“, wie sie sagte. Die Arbeitgeber müssten hier ihrer Verantwortung gerecht werden.

Die Tarifverhandlungen laufen seit Mitte November. Nach der letzten Verhandlung am 26. Februar waren Arbeitgeber und IG Metall ergebnislos und ohne neuen Verhandlungstermin auseinander gegangen. Martin Feder, 1. Bevollmächtigter der IG Metall Bamberg ist verärgert: „Die Arbeitgeber bieten nichts an, sie bewegen sich null. Sie wollen wissen, ob die IG Metall in Zeiten von Corona die Belegschaften mobilisieren kann. Die Arbeitgeber behaupten wir seien hilflos. Wir zeigen jetzt in den Warnstreikwellen bis Ende März wie ,hilflos’ wir sind.“

Um mehr als nur Geld geht es am Schaeffler-Standort in Eltmann mit rund 450 Mitarbeitern, den die Unternehmensleitung schließen und die Arbeitsplätze nach Schweinfurt verlagern will. Gegen die Schließungspläne gibt es seit Herbst immer wieder Protestaktionen. Die Mitarbeiter in Eltmann können nicht verstehen, dass ihr Standort trotz offenbar profitabler Zahlen geschlossen werden soll. Die IG Metall hatte vorgeschlagen, Eltmann als Kompetenzzentrum für Rollenfertigung auszubauen.

Auch am Freitag sammelten sie sich zum lautstarken Protest. Vor Ort zeigten auch Bürgermeister Michael Ziegler und MdB Dorothee Bär ihre Solidarität mit den Streikenden.

Betriebsrat Florian Gräf sah man am Freitag deutlich an, dass die aktuelle Situation keine leichte ist, als dieser das Wort an die rund 160 anwesenden Beschäftigten richtete. War man in den letzten Wochen noch recht optimistisch, die Konzernleitung vielleicht mit einem guten Konzept überzeugen zu können, stellte sich die Situation heute ganz anders dar. „Wir müssen nach wie vor Zeichen setzen, gegen diese Missstände. Aber auch gegen den Arbeitgeber Schaeffler. Mit welcher Dreistigkeit er vorgeht und mit welcher Dreistigkeit er die Vorschläge der Arbeitnehmervertreter mit Füßen tritt“, erzürnte sich Gräf.

Was er damit genau meinte, verdeutlichte sein Kollege und Betriebsratsvorsitzender Ulli Schöpplein. „Wenn ich ganz ehrlich bin, weiß ich nicht wirklich, wie ich das euch erklären soll.“ Immerhin hatte man zuletzt erreicht, dass in einem zehntägigen Workshop ermittelt wurde, welches Potenzial im Eltmanner Standort steckt.

„Wir wussten, dass wir nicht mit einem Standort in Rumänien und dessen Lohnkosten konkurrieren können. Wir hatten aber Hoffnung. Wenn man binnen zehn Tagen für eine Belegschaftsgröße mit 450 Menschen 18 Millionen Ergebnisverbesserung erzielen kann, wie kann ein Vorstand dann sagen, dass ihm ein paar Millionen fehlen und das Konzept nicht annehmen wird, und auf den Vorschlag besteht, dass Eltmann nach Schweinfurt zieht“, so Schöpplein.

Selbst die Gegenseite wäre im Workshop zu dem Entschluss gekommen, dass es ein tragbares Konzept geben würde. Doch laut Schöpplein setzte dann über Nacht ein Sinneswandel ein und die festgelegten Zahlen seien dann nochmals erhöht worden. „Erst waren wir bei 26,5 Millionen, dann bei 28,5 und gestern dann 31 Millionen.“ Nun werde er Betriebsrat erst einmal schauen, wie man weitermacht. „Es ist noch nichts entschieden! Allerdings fehlen mir so ein bisschen die Ideen, wie ich ich einen Vorstand überzeugen soll, obwohl auf ein bereits profitables Produkt nochmals so viele Millionen oben drauf kommen und dieser es dann hier noch immer nicht fertigen möchte“, so Schöpplein. Man werde jedenfalls nicht kampflos aufgeben. Und: „Wenn der Weg Schweinfurt ist, dann wird es eine teuere Reise für den Konzern!“

Auch Thomas Höhn von der IG Metall war sichtlich niedergeschlagen. Immerhin hatte der Konzern die Task Force dabei unterstützt, ein tragfähiges Konzept zu erstellen. „Die Gruppe hat hart gearbeitet und binnen zehn Tagen ein Paket abgeliefert, dass ich so noch nicht gesehen habe. Dass der Arbeitgeber nicht einmal widerspricht, dass noch 19 Millionen zu holen sind. Und dann ist diese Lücke noch immer zu groß“, so der enttäuschende IG Metaller.

Am Ende betonte Thomas Höhn, dass der Warnstreik noch nicht beendet sei und appellierte an die Teilnehmer, auch am Montag an der geplanten Protestaktion wieder teilzunehmen.

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