Warum ein instabiles Klima schlecht für die Menschheit ist
Klima und GeschichteWarum ein instabiles Klima schlecht für die Menschheit ist
Markus Brauer 28.11.2024 - 12:51 Uhr
Seit jeher ist der Mensch mit wechselnden Umweltbedingungen und Klimaveränderungen konfrontiert. Extreme Wetterereignisse brachten Zerstörung und Tod. Sie prägten sich in das Gedächtnis der Überlebenden ein und hinterließen sichtbare Spuren in Kunst, Wissenschaft und Alltagsleben.
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Ob Kulturen im Laufe von Jahrtausenden erblühten oder vergingen, hing zum großen Teil davon ab, wie stark sich das Klima wandelte. Darauf weist eine neue Studie hin, in der ein Forscherteam des Helmholtz-Zentrums Hereon in Geesthacht (Schleswig-Holstein) und des Leibniz-Zentrum für Archäologie (LEIZA) in Mainz Klimadaten mit Zehntausenden von archäologischen Funden abgeglichen hat.
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Erdbevölkerung wuchs nie kontinuierlich
Wie die Wissenschaftler im Fachmagazin „Nature Communications“ schreiben, schrumpfte die Bevölkerung auf den verschiedenen Kontinenten, wenn das Klima über lange Zeit instabil wurde.
Die Untersuchung zeigt, dass die Zunahme der Erdbevölkerung nicht kontinuierlich verlief. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass sich über Jahrtausende Epochen mit starkem Wachstum und Rückgang abwechselten. Dieses Auf und Ab hängt offenbar mit der Intensität von Klimaveränderungen zusammen, schreibt das Team um den Umweltwissenschaftler Kai Wirtz vom Hereon.
Die Archäologen, Klimaforscher und Umweltwissenschaftler trugen für ihre Untersuchung riesige Mengen an Informationen aus verschiedenen Datenbanken zusammen, darunter auch aus einer neuen Metadatenbank am LEIZA zu archäologischen Funden. Das Alter dieser Funde wurde mithilfe der sogenannten 14C-Methode bestimmt. Das ist ein Datierungsverfahren, welches die Zerfallsraten von unterschiedlichen Kohlenstoffisotopen im organischen Material nutzt.
Insgesamt trugen die Experten allein für Europa Daten von etwa 91.000 archäologischen Fundstellen zusammen, die aus der Zeit von vor 9000 bis 3000 Jahren stammen. Hinzu kamen 14C Daten von etwa genauso vielen Fundorten aus Nord- und Südamerika, Afrika, Australien und Asien.
Neben der Genauigkeit dieser Daten liegt ein großer Vorteil in ihrer Zugänglichkeit – im Gegensatz zu den häufig nicht großflächig verfügbaren archäologischen Fundberichten. Anhand der 14C Daten konnten die Forscher abschätzen, zu welchen Zeiten relativ viele oder wenige Menschen in den jeweiligen Regionen lebten.
Abgleich von archäologischen und klimatologischen Daten
Diese archäologisch-demografischen Daten wurden anschließend mit vergangenen Klimadaten kombiniert. Dabei handelt es sich um sogenannte Stellvertreter-Daten, aus denen Experten abschätzen können, wie das Klima einst an verschiedenen Orten der Erde aussah. Aus der chemischen Isotopen-Zusammensetzung von uralten Stalaktiten aus Tropfsteinhöhlen lässt sich zum Beispiel rekonstruieren, wie feucht oder warm es war.
„Durch die Verschneidung der archäologischen Daten mit den Klimadaten können wir deutlich sehen, dass es in Jahrzehnten und Jahrhunderten, in denen das Klima stabil war, großräumig zu einem Bevölkerungswachstum kam“, erläutert Kai Wirtz. Wenn es beständig sehr kalt oder warm war oder sich einzelne trockene oder feuchte Jahre abwechselten, seien die Menschen zurechtgekommen. Nicht aber, wenn sich das Klima mittelfristig fundamental änderte.
Ein Grund dafür könnte sein, dass sich Jäger und Sammler und auch Ackerbauern nicht gut genug an das veränderte Klima anpassen konnten. Nahrungsknappheit könnte dann Kriege und Seuchen begünstigt haben.
„Die Frage, warum Gesellschaften entstehen, blühen und dann wieder zusammenbrechen, beschäftigt die Archäologie, aber auch alle Geschichtswissenschaften schon immer“, erklärt Detlef Gronenborn vom LEIZA.
„Nun zeigt sich, dass auf kontinentaler, aber auch auf globaler Ebene häufig ein Klimawandel mit ausschlaggebend war – mehr noch als gesellschaftsinterne Vorgänge wie Umstürze. Der innovative Ansatz unserer Studie steht daher im Kontext einer internationalen und interdisziplinären Strömung, in der Forscher die Wechselwirkungen zwischen dem Planeten und dem Menschen in den Fokus nehmen.“ Diese Strömung nennt sich auch „Planetary Thinking“.
Zur Info: „Unter dem Begriff ,Planetary Thinking‘ lässt sich eine internationale und interdisziplinäre Strömung zusammenfassen, die die Wissenschaften von der Erde und dem Menschen in planetarisch-universelle Kontexte einordnet“, erläutert der Politikwissenschaftler Claus Leggewie. Planetar zu denken, bedeute: „Relationierung menschlicher Existenz im Universum und Relativierung der vorherrschenden anthropozentrischen (vom Menschen ausgehenden) Sichtweise.“
Komplex und global: der Einfluss von Klimaveränderungen
Kai Wirtz betont, dass es mit den vorliegenden Daten nicht möglich sei, die genaue Zahl der Menschen in einer Region zu bestimmen. „Wir können aber durchaus abschätzen, um wieviel Prozent die Bevölkerung ab- oder zunahm.“ Eine Stärke der Studie liege darin, dass erstmals sehr verschiedene Klimaparameter und sehr viele regionale Bevölkerungsdynamiken systematisch ausgewertet wurden.
„Es gibt viele Studien zu einzelnen Kulturen, deren Verschwinden man auf einen Parameter zurückgeführt hat – etwa eine Dürre. Unsere Ergebnisse zeigen, dass der Einfluss des Klimas komplexer ist.“ Sie machten deutlich, dass die Klimastabilität weltweit ein entscheidender Treiber der demografischen Entwicklung war.
In der Studie hat das Forscherteam auch den Einfluss der Solarstrahlung untersucht, denn deren Intensität verändert sich im Laufe von Jahren, Jahrzehnten und Jahrhunderten. „Der Abgleich mit den Daten legt nahe, dass die Menschheit immer dann gedieh, wenn die Sonneneinstrahlung geringer war“, sagt Kai Wirtz.