Aber wer legt überhaupt fest, wo die Scham beginnt? Die Forscher der BZGA betonen in ihrem Bericht, dass nicht nur die Eltern Einfluss darauf haben, sondern auch Freunde, Kindergarten, Schule, Medien.
Babys in Bikinis
Dabei können sich Schamgrenzen und -auslöser durchaus verändern. Während kleine Kinder früher in Bädern, am Strand oder in Parks selbstverständlich auch mal nackt unterwegs waren, tragen heute schon Babys Bikinis und Badeanzüge und lernen so: In der Öffentlichkeit zeige ich mich nicht nackt. Laut Katrin Stallmann ist das eine sinnvolle und Kinder schützende Entwicklung: „Das liegt schlichtweg an der Präsenz digitaler Endgeräte. Kein Elternteil möchte, dass Fotos der Kinder im Netz landen. In einem geschützten Rahmen, zum Beispiel zu Hause, kann Nacktheit jedoch als sehr positiv für Kinder empfunden werden.“
Apropos Netz: Verändern Internet und soziale Medien das Schamempfinden von Jugendlichen? Führen die überall verfügbaren Bilder von Nacktheit und Sex zu weniger Schamempfinden und mehr Offenherzigkeit? Oder verhalten sich junge Menschen – im Gegenteil – schamhafter, weil jeder verbale und visuelle Fehltritt schnell online landen kann? Katrin Stallmann kann weder aus ihrer Praxis noch aus der Forschung solche Trends bestätigen. In ihre sexualpädagogische Beratung kommen Kinder und Jugendliche, die zum Beispiel wissen wollen, ob mit dem „eigenen Körper alles stimmt“. Oder was im Bett normal ist und was nicht. Dann ist es der Pädagogin wichtig, „einen Raum zu schaffen, der es den Jugendlichen ermöglicht, schamfrei, wertfrei und selbstbestimmt über ihre Anliegen zu sprechen“.