McConnell teilte mit, angesichts der knappen Zeit sei es nicht möglich, ein Impeachment-Verfahren im Senat noch vor Bidens Vereidigung abzuschließen. Daher sei dem Land am meisten gedient, sich zunächst auf eine geordnete Amtsübergabe zu konzentrieren.
Biden sagte, er hoffe, der Senat werde einen Weg finden, das Amtsenthebungsverfahren zu führen und gleichzeitig an anderen dringenden Angelegenheiten für das Land zu arbeiten. Es sei wichtig für seine Regierung, Schlüsselpositionen im Kabinett schnell zu besetzen - dazu ist Biden auf den Senat angewiesen, der diese Personalien absegnen muss. Biden nannte auch den Kampf gegen die Corona-Pandemie und Hilfen für die Wirtschaft als Themen, mit denen sich der Senat gleich zu seinem Amtsantritt beschäftigen müsse.
Wann genau das Verfahren im Senat beginnen wird und wie lange es dauern könnte, ist unklar. Vor allem stellt sich die Frage, wie sich Trumps Republikaner in der Kammer positionieren werden. Einzelne Republikaner im Senat haben sich bereits offen gegen Trump gestellt, aber bisher kein Ja zum Impeachment zugesagt.
Der demokratische Vorsitzende des Geheimdienstausschusses im Repräsentantenhaus, Adam Schiff, sagte, es könne womöglich ein politisches "Erdbeben" im Senat geben, das zur Mehrheit für ein Impeachment führen könnte. Schiff bezog sich auf einen Bericht der "New York Times", wonach McConnell intern erkennen ließ, dass er ein Impeachment-Verfahren gegen Trump für gerechtfertigt halte. Unter Berufung auf nicht näher genannte Quellen aus McConnells Umfeld schrieb die Zeitung, dieser sei froh, dass das Verfahren angestoßen sei. Das könne es seiner Partei erleichtern, sich von Trump zu lösen.
Bei der Sitzung im Repräsentantenhaus bezeichnete die demokratische Vorsitzende der Kammer, Nancy Pelosi, Trump als eine "Gefahr für das Land". Der Republikaner habe "inländische Terroristen" angestachelt, um sich gegen seine Wahlniederlage zu wehren.
Auch der Minderheitsführer der Republikaner im Repräsentantenhaus, Kevin McCarthy, sagte zwar: "Der Präsident ist nicht ohne Schuld." Der Präsident trage Verantwortung für den Angriff auf den Kongress durch einen aufrührerischen Mob. Es sei aber falsch, ihn deswegen in den letzten Tagen seiner Amtszeit des Amtes zu entheben. Dies würde die politische Spaltung des Landes nur verstärken, warnte er.
Kurz nach der Einleitung eines Amtsenthebungsverfahrens wandte sich Trump mit einem Aufruf zur Versöhnung an die Nation. "Ich verurteile eindeutig die Gewalt, die wir in der vergangenen Woche gesehen habe", sagte Trump in einer gut fünfminütigen Videobotschaft, die das Weiße Haus veröffentlichte. "Gewalt und Vandalismus haben überhaupt keinen Platz in unserem Land." Er rief die Bevölkerung dazu auf, Spannungen abzubauen, Gemüter zu beruhigen und zum Frieden im Land beizutragen. Trump war bemüht, sich von seinen Anhängern zu distanzieren, die das Kapitol erstürmt hatten. Mit Blick auf Berichte über mögliche weitere gewalttätige Proteste in der Hauptstadt Washington und anderen Teilen des Landes in den nächsten Tagen rief Trump zum Gewaltverzicht auf. Das Amtsenthebungsverfahren erwähnte er in dem Clip nicht.
Trump hatte bereits zuvor ein Amtsenthebungsverfahren über sich ergehen lassen müssen - als erst dritter Präsident in der US-Geschichte. In dem ersten Verfahren musste er sich in der Ukraine-Affäre wegen Machtmissbrauchs und der Behinderung von Kongressermittlungen verantworten. Am Ende wurde er mit der Mehrheit seiner Republikaner im Senat von allen Vorwürfen freigesprochen. Seitdem haben sich jedoch einige Parteikollegen von ihm abgewandt. Die Krawalle am Kapitol lösten auch unter ihnen große Empörung aus.
Die Sicherheitsvorkehrungen am Kapitol und in der Innenstadt Washingtons wurden unterdessen im Vorfeld der Amtseinführung Bidens drastisch verschärft. Zahlreiche Straßen wurden gesperrt, rund ums Kapitol waren Tausende Soldaten der Nationalgarde im Einsatz.
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