Die Pädagogin Nicola Hengels-Stitou, der bei Instagram 254 000 Menschen folgen, hat sich gegen den Kult der Wine-Moms ausgesprochen. Sie sagt, es gehe ihr nicht darum, dass Eltern keinen Alkohol trinken sollten. „Aber dass da suggeriert wird, dass es normal sei, sich die Elternschaft erträglich zu saufen, das kritisiere ich“, sagt die Influencerin.
„Betrink dich lieber, als dich zu beschweren“
Autorin Natalie Stüben, die selbst nüchtern lebt, kritisiert die Bewältigungsstrategie der Wine-Moms. „Betrink dich lieber, als dich zu beschweren“, fasst sie es zusammen. Sie zitiert eine Studie, die nachgewiesen habe, dass die Fähigkeit, die Bedürfnisse des Kindes zu erkennen, schon bei moderatem Alkoholkonsum sinkt. Trotzdem seien Eltern eine schwer zu erreichende Zielgruppe für Hilfsangebote. Stüben empfiehlt daher die App Elma für suchtkranke Eltern.
Aber was bedeutet eigentlich, alkoholabhängig zu sein? Viele Menschen denken bei dieser Frage an den alkoholkranken Obdachlosen, dessen Hände zittern, wenn er nicht trinkt. Was viele Menschen nicht wissen: Es gibt auch eine psychische Abhängigkeit von Alkohol.
Stüben erklärt, dass diese psychische Abhängigkeit vor allem an sogenannten Cravings und an Kontrollverlusten zu erkennen sei. „Cravings sind Momente, in denen Sie einen inneren Druck verspüren zu trinken, einen großen Wunsch, der andere Dinge verdrängt und weniger wichtig erscheinen lässt“, erklärt Stüben.
Kontrollverlust beim Alkoholtrinken könne auch bedeuten, eine Zeit lang nichts zu trinken. „Aber sobald Sie trinken, ist es, als würde sich ein Schalter umlegen. Dann finden Sie einfach kein Ende“, beschreibt es Stüben.
Wine-Moms als Verkaufsmasche
Im Endeffekt scheinen die Wine-Moms auch eine Verkaufsmasche zu sein. Es gibt eine Analyse von Forscherinnen, die Social- Media-Seiten in den Vereinigten Staaten, in Kanada und Australien betrachtet haben. Sie weisen darauf hin, dass Müttern dort gezielt das Gefühl gegeben wird, dass Alkohol eine Lösung ihrer Probleme sei. Das sei vor allem deshalb fatal, weil schon während der Coronapandemie der Alkoholkonsum von Müttern stark angestiegen sei, erklären die Forscherinnen.
Die vermeintlich witzigen Inhalte bringen Mommy-Influencerinnen eine große Reichweite, mit der sie ihr Geld verdienen.
Unternehmen kommen die Wine-Moms gerade recht
Und Unternehmen springen auf den Trend auf, wie dieses Video zeigt: Wir sehen den Körper einer Frau in einem schicken Jeans-Jumpsuit, sie schenkt sich ein großes Glas Rotwein ein. Darüber steht: „They say it takes a village. We say it takes a vineyard.“ Auf Deutsch: Sie sagen, es bräuchte ein ganzes Dorf – zum Kindergroßziehen ist damit gemeint. Aber was brauchen Mütter nach Ansicht dieses Werbevideos? Nur einen Weinberg.
Dabei brauchen Mütter eigentlich etwas anderes: Gleich verteilte Care-Arbeit, mehr gute Kita-Plätze, kostenfreie Nachmittagsbetreuung auch für Schulkinder und eine freie Entscheidung darüber, wie viel Sorgearbeit und wie viel Erwerbsarbeit sie wollen.