Oberfranken – Die Industrie- und Handelskammer (IHK) für Oberfranken steuert aktuell in rauer See. Die neue Präsidentin Sonja Weigand ist zwar erst seit einigen Wochen im Amt, aber der Druck auf sie wächst. Erst in der vergangenen Woche hatte Weigand – wie berichtet – Schlagzeilen ausgelöst, als sie sich über eine „gezielte Indiskretion“ beschwerte und im Zusammenhang mit dem Rauswurf von IHK-Hauptgeschäftsführerin Christi Degen den Mitgliedern der Vollversammlung einen Maulkorb verordnete. Am Montag ging nun der Unternehmer Udo Schmidt-Steingraeber, der dem IHK-Gremium Bayreuth angehört, auf Konfrontationskurs zur Präsidentin. In einem Brief an Weigand wirft er ihr unter anderem eine schlechte Informationspolitik vor und kritisiert ihre Presseschelte als falsch und undemokratisch. Es ist nach Ansicht des Chefs der Bayreuther Klaviermanufaktur Steingraeber widersinnig und kontraproduktiv, „die Wirtschaft in den Geruch eines stummen Bundes für geheime Entscheidungen zu bringen“.

Sonja Weigand war für eine persönliche Stellungnahme gestern nicht erreichbar. Per Mitteilung lässt die IHK-Präsidentin und Chefin des Bamberger Lebensmittelgroßhändlers Denscheilmann + Wellein wissen, die Kammer habe Verständnis, dass die Personalentscheidung bezüglich Christi Degen auch für die Öffentlichkeit von großem Interesse sei. Sie bitte aber um Verständnis, dass „wir bei unserer Haltung bleiben“. Das IHK-Präsidium komme am 15. Mai zu einer Sitzung zusammen, um das weitere Vorgehen zu diskutieren, das dann einer außerordentlichen Vollversammlung zur Beschlussfassung vorgelegt werden solle. Weigand wird wie folgt zitiert: „Dass Personalfragen der IHK für Oberfranken Bayreuth nicht in der breiten Öffentlichkeit diskutiert werden, sondern erst im dafür zuständigen IHK-Ehrenamt, hat nichts mit einer Missachtung unserer Medien oder gar der Öffentlichkeit zu tun.“ Es gehe vielmehr um eine Wertschätzung des IHK-Ehrenamtes.

IHK-Vizepräsident Hans Rebhan wollte am Montag auf Nachfrage keinen Kommentar zu den jüngsten Entwicklungen bei der Kammer beziehungsweise zum Brief von Udo Schmidt-Steingraeber abgeben. Es gebe in der Sache nichts Neues, sagte Rebhan, der auch Vorsitzender des IHK-Gremiums Kronach ist. „Jedes Gequatsche schadet nur.“ Es sei bedauerlich, dass die Trennung von IHK-Hauptgeschäftsführerin Christi Degen durch eine Indiskretion nun öffentlich diskutiert werde. Rebhan ist der Meinung, die Gründe für eine derartige Personalentscheidung sollten in den zuständigen Gremien und „nicht in der Presse diskutiert werden“.

Weigands Vorgänger im Präsidentenamt, Heribert Trunk, zeigte sich gestern im Gespräch mit unserer Zeitung ebenfalls zugeknöpft: „Im Moment sage ich nichts.“ Er wolle sich aber zu gegebener Zeit wieder äußern, kündigte er an. Trunk hatte in den sozialen Medien mehrmals kritisch zu den jüngsten Ereignissen in der Bayreuther Kammer Stellung bezogen – auch im Hinblick auf die Kosten, die durch die vorzeitige Trennung von der Hauptgeschäftsführerin für die IHK entstehen.

Ein Kammer-Insider, der nicht genannt werden möchte, sagte unserer Zeitung, es sei zu befürchten, dass innerhalb kurzer Zeit vieles von dem, was in den vergangenen Jahren in der IHK und durch sie aufgebaut worden sei, nun wieder eingerissen werde. „Ich glaube, im Präsidium brodelt es.“

Schmidt-Steingraebers Brief im Original-Wortlaut

Sehr geehrte Frau Weigand, zunächst habe ich mich gefreut Ihr Schreiben zu erhalten, aber leider erfahren wir von Ihnen nicht mehr, als wir nicht ohnehin schon aus der Presse wüssten. Auch unter der strikten Respektierung der Vertraulichkeit von Personalangelegenheiten gibt es doch Hinweise die Sie uns hätten geben sollen (ich meine geben müssen), in Stichpunkten sind dies beispielhaft:

- Einstimmig?
Wäre die Abstimmung im Präsidium einstimmig gewesen, hätten Sie in der Presse darauf abgehoben. Die Diskussion verlief also streitig . . . ? Hinweise zu den Beratungen und auch über die Beteiligten sollten schon möglich sein.

- Gefahr im Verzug? Die höchst ungewöhnliche Terminierung Ihrer Entscheidung zusammen mit der Tatsache, dass diese dem Ansehen der IHK-BT unabwendbar erheblichen Schaden zufügen wird, lässt nur den Schluss zu, dass Sie für die IHK Gefahr im Verzug sahen. Andernfalls hätten Sie mitteilen müssen, es sei „... schon vor der Neuwahl klar gewesen ... und man habe im neuen Präsidium nur noch die letzten Gespräche ...“ – oder gab es keine „Gefahr“?

- Persönliche oder fachliche Gründe? . . . dann wäre zumindest die Floskel „... auf eigenen Wunsch ...“ üblich. Sie haben aber solche neutralen Formulierungen vermieden und lassen damit konkludent vermuten, in Ihrem persönlichen Innenverhältnis zu Frau Degen liegt der eigentliche Grund für die Trennung. Dass eine solche Vermutung nahezuliegen scheint, ist fatal.

Sie schelten die Presse und deren Berichterstattung, Sie scheinen es für problematischer zu halten, dass eines Ihrer Präsidiumsmitglieder mit der Presse sprach („durchsticht“) als die Causa selber. Dabei handelt es sich längst eher um eine Causa Weigand als um eine Causa Degen und SIE, verehrte Präsidentin, sind eine Person in der Öffentlichkeit, über die selbstverständlich öffentlich diskutiert wird, werden muss. Verklausuliert verordnen Sie in Ihrem letzten Satz den gewählten Vertretern der IHK-Mitglieder einen „Maulkorb“, und auch hier muss ich Ihnen widersprechen: Sie vertreten über 40 000 Unternehmen in Oberfranken mit vielen Hunderttausend Menschen dahinter – das IST Öffentlichkeit und es ist so widersinnig wie kontraproduktiv, die Wirtschaft in den Geruch eines stummen Bundes für geheime Entscheidungen zu bringen. Presseschelte ist undemokratisch und auf katastrophale Art und Weise falsch, gerade im Kontext der aktuellen Weltlage und der virulenten gesellschaftlichen Probleme.

Einige Hundert Unternehmer unterstützen als gewählte Vertreter die Arbeit der Geschäftsführung und des Präsidiums der IHK – und zwar in dieser Reihenfolge. „Ehrenamt“ hat immer und überall auch etwas mit der Demut vor der Sache und deren Zielen zu tun – man stellt sich, seine Kraft samt Ideen für eine wichtige Aufgabe zur Verfügung und nicht umgekehrt. Die Demut vor dem Amt sollte man auf allen hierarchischen Ebenen des Ehrenamts pflegen.

Bei unserem zufälligen Treffen, vergangene Woche in München, hatte ich Ihnen alles schon einmal vorgetragen. Und Sie hatten mir versprochen, bald für öffentliche Aufklärung zu sorgen. Mit Ihrem gestrigen Schreiben haben Sie aber die Sache nur noch schlimmer gemacht und Öl ins öffentliche Feuer gegossen. Ich hatte sowohl Ihnen als auch dem Bayreuther Vizepräsidenten versprochen, keine öffentliche Stellungnahme abzugeben und auf Ihre Aufklärung zu vertrauen; daran fühle ich mich nicht mehr gebunden und werde dieses Schreiben an die Oberfränkische Presse weiterleiten – zur freien Verfügung nach deren Belieben.

Ich wünsche Ihnen sehr, dass Sie bald damit beginnen können, sich den eigentlichen Aufgaben der Präsidentin zu widmen.

Mit besten Grüßen Udo Schmidt-Steingraeber