König Harolds Festsaal Wo einst Englands letzter angelsächsische König residierte

Markus Brauer

Lange war unklar, wo der letzte angelsächsische König Englands residierte. Eine Spur lieferte zwar eines der berühmtesten Kunstwerke des Mittelalters – der Wandteppich von Bayeux. Auf ihm ist König Harold im Festsaal seines Hauses und in einer Kirche dargestellt.

 
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Der Wandteppich von Bayeux zeigt König Harald II. beim Reiten nach Bosham, wo er die Kirche besucht und in einem Saal feiert, bevor er nach Frankreich aufbricht. Foto: © The Society of Antiquaries of London

Als der Waffenlärm verklungen war, ritt der Sieger Wilhelm, Herzog von der Normandie, bei einbrechender Dämmerung über das Schlachtfeld. „Es war unmöglich, die Toten zu betrachten ohne eine Regung des Bedauerns. Die Blüte der Jugend und des Adels Englands bedeckte weit und breit den Boden.“

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Englands letzter angelsächsischer König

So schildert der normannische Chronist Wilhelm von Poitiers die düstere Szenerie am Abend des 14. Oktober 1066. Sieben Wochen später ließt sich der Normannenherzog in der Londoner Westminster Abbey zum König von England krönen.

Unter den Toten auf dem blutigen Feld lag auch Harold Godwinson, Englands letzter angelsächsischer König, besser bekannt als Harald II.. Die Schlacht war der erste und wichtigste Teil der Eroberung Englands durch die Normannen. Der Verlauf des Feldzugs ist auf dem berühmten Teppich von Bayeux in 58 Szenen dargestellt.

  • Zur Info: Der Teppich von Bayeux ist eine in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts entstandene Stickarbeit auf einem rund 52 Zentimeter hohen Tuchstreifen. Die in Bild und Text auf 68 Metern in 58 Einzelszenen dargestellte Eroberung Englands durch den Normannenherzog Wilhelm den Eroberer beginnt mit einem Zusammentreffen von Harald Godwinson, Earl of Wessex, mit dem englischen König Edward und endet mit der Schlacht bei Hastings am 14. Oktober 1066. Es fehlen die Schlussszenen, so dass die ursprüngliche Länge des Tuchstreifens unbekannt ist.
  • Auf dem Wandteppich zu sehen sind neben dem Komet Halley auch zwei Darstellungen von König Harold, in denen er eine Kirche besucht und in einem illustren Saal ein Fest feiert – einmal vor seinem Aufbruch nach Frankreich und einmal nach seiner Rückkehr in den angrenzenden Hafen.
Gesandte Wilhelms, Herzog der Normandie treffen 1064 auf König Harold. Foto: Imago/Photo12

Wo stand König Harolds Residenz?

Dieser Festsaal lag dem Wandteppich zufolge in Harolds Residenz in dem heutigen Dorf Bosham, an der Küste von West Sussex in Südengland, rund 70 Kilometer von Hastings entfernt. Historiker vermuten ihn schon lange an einer Stelle, an der heute ein Privathaus aus dem 17. Jahrhundert steht.

Um den Ort zu lokalisieren, haben Archäologen um David Gould von der Exeter University die archäologischen Funde aus früheren Ausgrabungen sowie die Umgebung des Hauses in Bosham und dortige mittelalterliche Überreste genauer untersucht. Die Funde glichen sie mit Vermerken auf alten Karten und Dokumenten ab.

König Harold segelt mit seinen Truppen über den Ärmelkanal. Foto: Imago/Robert Harding
Wilhelm von der Normandie empfängt die Gesandtschaft aus England. Foto: Imago/United Archives

Die Studie ist im Fachmagazin „The Antiquaries Journal“ erschienen.

Hinweise auf größere Anlage in Bosham

Im mittelalterlichen Bosham standen demnach einst zwei weitere, bisher unbekannte Gebäude. Auf den Grundmauern des einen wurde das bis heute erhaltene Haus gebaut, das andere stand im Garten des heutigen Anwesens.

Die Überreste legen nahe, dass der auf dem Bayeux-Teppich dargestellte Festsaal zu einem größeren Komplex gehörte, der auch eine Kirche -die Holy Trinity Church – umfasste, die heute noch steht.

Die Holy Trinity Church in Bosham gehörte einst zum Wohnkomplex von König Harold. Foto: © Newcastle University
Ein Teil der Gartenruine von Bosham, die durch neuere Forschungen als mittelalterliches Gebäude bestätigt wurde. Foto: © Newcastle University

Die neuen Untersuchungen bestätigten zudem den Fund einer früheren Ausgrabung. Danach stand an der Stelle des heutigen Privathauses in Bosham einst eine Latrine in einem großen Holzgebäude. In England bauten ab dem 10. Jahrhundert nur Personen mit hohem Status solche Latrinen in ihre Wohnanlagen ein. Daher schließen die Spatenforscher, dass sich in Bosham ein elitäres Klohaus befand, das Teil von Harolds verloren geglaubter königlicher Residenz war.

Königsresidenz mit Klohaus

„Die Erkenntnis, dass bei den Ausgrabungen von 2006 tatsächlich ein angelsächsisches Bad gefunden wurde, bestätigte uns, dass dieses Haus an der Stelle einer Eliteresidenz aus der Zeit vor der normannischen Eroberung steht“, erläutert Seniorautor Duncan Wright von der Newcastle University.

Zusammen genommen belegen die Hinweise „über jeden vernünftigen Zweifel erhaben, dass wir hier den Standort von Harold Godwinsons privatem Machtzentrum gefunden haben, das prominent auf dem Wandteppich von Bayeux abgebildet ist.“

Wilhelm der Eroberer regierte von 1066 bis 1087 England. Foto: Imago/UIG
Die angelsächsischen Truppen treffen auf dem Schlachtfeld von Hastings ein. Foto: Imago/Photo12
Ihnen folgen die Soldaten Wilhelms des Eroberers. Foto: Imago/United Archives
Tod auf dem Schlachtfeld Foto: Imago/Photo12

Herrenhäuser statt Burgen

„Bei der normannischen Eroberung trat eine neue herrschende Klasse an die Stelle einer englischen Aristokratie, die nur wenige physische Überreste hinterlassen hat. Das macht die Entdeckung in Bosham enorm bedeutsam. Wir haben ein angelsächsisches Musterhaus gefunden“, betont Koautor Oliver Creighton von der University of Exeter.

Anders als die normannischen Eliten, die bevorzugt in Burgen hausten, lebten die angelsächsischen Herrscher in geschlossenen Wohnkomplexen aus Herrenhäusern mit angrenzenden Kirchen oder Kapellen. Die Wissenschaftler vermuten, dass es einst rund 1.000 solcher Anlagen gab.