Wohnmobil-Gütesiegel Ebern ist kein Top-Platz mehr

Lange zählte der Eberner Wohnmobilstellplatz zu den Aushängeschildern, doch die Kriterien für das Gütesiegel werden nach heutigen Standards nicht mehr erreicht. Nun müsste dringend Geld in die Hand genommen werden.

 
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Die Lage ist top, da gibt es keinen Zweifel: Unmittelbar an der Stadtmauer, die Zuganbindung nach Bamberg einen Steinwurf entfernt, Supermarkt und Schwimmbad in Laufweite – Eberns Wohnmobilstellplatz ist unter den Camping-Reisenden beliebt. Noch. Denn Ebern ist kein Top-Platz mehr. Für das gleichnamige Gütesiegel muss ein Stellplatz diverse Kriterien erfüllen, 70 von 100 Punkten in den Bereichen Lage, Konzeption, Ausstattung, Freizeitwert und Service müssten es sein, seit vergangenen Herbst liegt Ebern knapp darunter. „Top-Platz“ in den Haßbergen ist nun nur noch Hofheim, direkt neben dem Schwimmbad am Stadtrand gelegen, großzügig in Anlage und Ausstattung.

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Die vergangenen Jahre müssen „Top-Platz“-Geschäftsführer Jürgen Dieckert und sein Team sämtliche Hühneraugen zugedrückt haben: Vom Glanz der frühen Jahre, als Urlauber-Portale wie Fachmagazine vom Eberner Platz schwärmten, ist nicht mehr viel übrig. Spätestens, seit die „Seele des Platzes“, Platzwart und Bürgermedaillenträger Hans Elflein den Schlüssel des Sanitärhäuschens an den Nagel und seinen Hut genommen hat. Im Dezember 2018 war das, 18 Jahre hatte Elflein bis dahin für die menschliche Note und den besonderen Charme des Platzes gesorgt.

Einer der erste Top-Plätze

1995 war der Eberner Wohnmobilstellplatz einer der ersten Top-Plätze des Landes geworden, um das Gütesiegel zu behalten waren zuletzt vor rund zehn Jahren knapp 50 000 Euro in die Hand genommen worden. Die Stellplatz-Fläche war mit Schotterrasen und Pflanztrögen versehen worden, die Standplätze wurden parzelliert, nummeriert und mit Stromzählern und Münzautomaten bestückt.

Vor zehn Jahren war es auch, dass die Stadt Ebern einen Bewirtschaftungsvertrag mit der Tourismus- und Werbegemeinschaft (TWG) schloss, die den Platz seither betreibt. Zum Ende des Jahres will die TWG – ein Zusammenschluss von Gewerbetreibenden – den Platz aber nun an die Stadt Ebern zurückgeben. Keine Personalkapazitäten mehr, heißt es, und durch Corona und Lockdown gibt es für die Firmen- und Geschäftsinhaber genug im eigenen Laden zu tun, dass man sich die wachsenden Probleme am Stellplatz inklusive Sanitärhäuschen nicht mehr antun will. Erste Gespräche dazu hatte es mit der Stadt im vergangenen Oktober gegeben, dann wollte man die Sache noch einmal überdenken. Doch nach einer Mitgliederversammlung und Beratungen im Vorstand stand der Entschluss dann fest.

Andere Standards

Nun ist die Stadt doppelt in der Pflicht. Will man den Platz behalten, muss etwas getan werden. Und dass man ihn behalten wolle, steht zumindest für Eberns Ersten Bürgermeister Jürgen Hennemann (SPD) fest: „Für Ebern ist dieser Wohnmobil-Stellplatz wichtig“, bekräftigt er. Zumal hier auch ordentlich Potenzial steckt, wie Jürgen Dieckert vom Stellplatznetzwerk „Top Platz“ vorrechnet: Satte 50,50 Euro pro Nacht und Nase bringt ein Reisewohnmobilist, der am Ort bleibt, der Stadt, das hat eine Studie des wirtschaftswissenschaftlichen Instituts für Fremdenverkehr (dwif) im vergangenen Jahr erst wieder ergeben. Der Markt boomt, doch gerade dies erfordere auch ein Handeln, so Dieckert: „Der Kuchen wird größer, aber der Wettbewerb mindestens genauso.“ Dabei zählen heute andere Kriterien, als noch vor ein paar Jahren. Größer sei die Nachfrage nach ordentlichen Sanitärbereichen, zumal viele der neuen Wohnmobile kürzer seien und daher selbst nur über einen eingeschränkten Sanitärbereich verfügen würden, so der Experte. Ebenfalls heute unerlässlich: vernünftige Internetverbindung. Selbst Vater einer 17-jährige Tochter, weiß Jürgen Dieckert Bescheid: „Wenn Sie irgendwo sind, wo kein WLAN ist, haben Sie als Eltern keinen Spaß.“ Neben der Lage, die für gut 50 Prozent des Erfolges verantwortlich sei, nennt Dieckert zwei weitere Kernbereiche, die einen „Top-Platz“ ausmachen: Qualität und Service. Unter Qualität falle nicht nur moderne Technik, sondern auch das Ambiente. Und da sieht’s in Ebern nicht gerade rosig, oder vielmehr grün aus: „Der Platz ist grau“, sagt Jürgen Dieckert, „wenn man ehrlich ist, sogar sehr grau“. Beim Service wiederum könnten zwar heute technische Errungenschaften unterstützen, „ein Mensch bleibt aber immer erste Wahl“, so Dieckert – gerade beim Zielpublikum ab 60 Jahren aufwärts.

Der Top-Platz-Geschäftsführer hält es für gut möglich, dass Ebern sein Gütesiegel mit verhältnismäßig wenig Aufwand wieder bekommen könnte. So müsse man ja nicht den ganzen Platz umgraben, ein grüner „Rahmen“ würde ja schon reichen. Vermisst werde von den Urlaubern auch eine „kuschelige Ecke“, ein Plätzchen an einer Blühwiese beispielsweise. Ein wenig problematischer sei die aktuell nur fünf Meter breite Parzellengröße, wo ein Wohnmobil mit Markise heute gut 5,60 Meter braucht. Das größte Sorgenkind bleibt aber das WC-Häuschen, das nun wirklich nicht mehr den heutigen Standards entspricht.

Will die Stadt investieren?

Doch kann und vor allem will sich die Stadt das überhaupt leisten? Diese Frage beschäftigte die Stadträte am Donnerstagabend. Skepsis meldete Dieter Gerstenkorn (CSU) angesichts der Haushaltslage an, Harald Pascher und Hermann von Rotenhan (FDP) erinnerten an die aktuellen Wohnmobilstellplatz-Pläne durch einen örtlichen Unternehmer an anderer Stelle in der Stadt – wozu selbst investieren, wenn ein anderer schon für das örtliche Angebot sorgt? „Gar nichts machen geht nicht, dann könnten wir gleich schließen“, befand Bürgermeister Jürgen Hennemann. Und mit einem Traum-Standort an dieser Stelle – „darauf sollten wir auf keinen Fall verzichten“, so das Stadtoberhaupt. Auch deswegen nicht, weil sonst das Wildcampen auf den Dörfern womöglich noch mehr zunehmen würde, wie Grünen-Stadtrat Klaus Schineller befürchtet. Isabell Zimmer (CSU) plädierte für eine Umfrage unter den Wohnmobilisten, was denn in deren Augen nötig und wünschenswert sei, ihr Parteikollege Sebastian Ott für eine belastbare Kostenschätzung.

Was der Wohnmobil-Boom mit sich bringt

Probleme
Die Branche brummt: Was sich der Laie längst gedacht hat, belegt seit vergangenem Jahr die Potenzial-Analyse, die Bernhard Harrer vom diwf, dem Deutschen Wirtschaftswissenschaftlichen Institut für Fremdenverkehr e. V. an der Universität München, im Auftrag des CIVD (Caravaning Industrie Verband Deutschland) erarbeitet hat. Die wesentlichen Erkenntnisse: Insgesamt 10 Millionen Übernachtungen zählten die Reisemobil-Stellplätze 2020 in Deutschland, womit deren Marktanteil an der Gesamtzahl der touristischen Übernachtungen hierzulande um über 50 Prozent gestiegen ist. Und auch der Reisemobilbestand in Deutschland ist von 2016 bis 2020 um 50 Prozent angewachsen – von 450 000 auf 675 000 zugelassene Fahrzeuge. Danach kamen übrigens noch einmal knapp 100 000 Wohnmobile dazu: Exakt 767 325 waren es nach der jüngsten Bestandsanalyse des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA), in den Haßbergen waren zu Jahresanfang 2022 insgesamt 1101 Wohnmobile registriert. Trotz eines heftigen Produktionseinbruchs in der zweiten Jahreshälfte lieferten die Unternehmen 2021 so viele Freizeitfahrzeuge aus wie nie zuvor. Es hätten noch viel mehr sein können, doch Produktionsausfälle und Materialknappheit bei Zulieferern belasten die Lieferketten – auch bei Heinz Dietz, Inhaber von Autohaus und Freizeitcenter Dietz in Ebern. Bis zu zwei Jahre Lieferfristen, verärgerte Kunden, notgedrungen Stornierungen von Anfragen: „Es ist eine Katastrophe“, sagt Heinz Dietz. „So etwas hab ich noch nie erlebt.“ Und Dietz ist lange im Geschäft. Dabei wäre die Nachfrage da.

Chancen
Stellplätze zu errichten oder vorhandene auszubauen wäre angesichts der Lage also durchaus angebracht, auch in den Haßbergen. Zumal Harrers Potenzial-Analyse einen weitere Erkenntnis gebracht hat: Den höchsten Anteil von Reisemobil-Übernachtungen an der Gesamtzahl der touristischen Übernachtungen gibt es zwar in der Region Unterelbe-Unterweser (23,4 Prozent), die Haßberge liegen mit 22,6 Prozent aber auf einem erstaunlichen zweiten Platz. „Es würde sich lohnen“, sagt Heinz Dietz, „aber nur mit einer gewissen Qualität“.