Warum ist Schienenverkehr relativ sicher?
Anders als im oft chaotischen Individualverkehr auf der Straße fahren Züge in festen Spuren und hinterm Steuer sitzen nur professionelle Lokführer. Für die Sicherheit sind seit der deutschen Bahnreform und EU-Marktliberalisierung Netzbetreiber und Bahnunternehmen verantwortlich, überwacht durch das Eisenbahnbundesamt (EBA), das Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) unterstellt ist. Zughersteller und Betreiber müssen strenge Sicherheitsvorschriften erfüllen. Bei der Infrastruktur sind automatisierte Sicherungssysteme eingebaut, die Züge abbremsen sollen, wenn sie zu schnell sind, Haltesignale ignoriert werden oder Gegenverkehr droht. Arbeits-, Lenk- und Ruhezeiten von Lokführern, Zugpersonal und Fahrdienstleistern, die Weichen richtig stellen müssen, sind ebenfalls genau reguliert.
Welche Restrisiken bestehen dennoch?
Absolute Sicherheit gibt es nirgends. Menschliches Versagen, zu laxe Kontrollen und Technikmängel führten immer wieder auch in Deutschland zu schweren Unglücken. So starben 2016 im bayerischen Bad Aibling zwölf Menschen und 89 wurden verletzt, als zwei Regionalzüge auf eingleisiger Strecke kollidierten, weil der Fahrdienstleister fahrlässig handelte und die Notfalltechnik Schwächen aufwies. Die ICE-Katastrophe von Eschede wurde 1998 von einem defekten Radreifen ausgelöst, der nie hätte eingebaut werden dürfen. Und auch danach waren große Teile der ICE-Flotte lange mit anfälligen Radwellen unterwegs, bis nach einem glimpflich verlaufenen Bruch die Achsen komplett getauscht werden mussten. Beim ICE 511 wiederum, der im Oktober 2018 bei Dierdorf wegen eines überhitzten Trafos teils ausbrannte, wurden Defizite bei Einbau, Brandschutz und Wartung offenbar.
Wer ermittelt bei schweren Bahnunfällen?
Wenn Personen verletzt oder getötet werden, sind wie in Bayern Staatsanwaltschaft und Bundespolizei vor Ort, um Ursachen und Verantwortung aufzuklären. Auch die Bundesstelle für Eisenbahnunfalluntersuchung (BEU) in Bonn schaltet sich ein mit dem Ziel, Fehlerquellen zu entdecken und abzustellen. Die Unfallberichte der BEU müssen gemäß EU-Vorgaben veröffentlicht werden und zeigen nicht selten deutliche Versäumnisse auf. 2020 wurden 2112 gefährliche Ereignisse erfasst, darunter 1352 Unfälle und 760 Störungen. Als besonders schwere Unglücke mit mindestens einem Toten, fünf Verletzten oder zwei Millionen Euro Sachschaden wurden nur drei Kollisionen und zwei Entgleisungen eingestuft.
Wie kann die Bahn noch sicherer werden?
Die Modernisierung des lange vernachlässigten und teils auf Nebenstrecken völlig veralteten Schienennetzes hat begonnen und kostet viele Milliarden Euro. Besonders digitale Leit- und Sicherungssysteme sollen die Bahn noch sicherer machen, bisher ist hier und da noch Stellwerk-Technik aus der Kaiserzeit im Einsatz. Auch die Zugflotten werden modernisiert und erweitert. Mit einer Personaloffensive stockt der DB-Konzern zudem die Mitarbeiterzahl auf, nachdem besonders Lokführer und Fahrdienstleiter unzumutbare und gefährliche Überlastungen beklagten. Die Kurzausbildungen von Umsteigern sind allerdings umstritten, weil Fehler von unerfahrenen oder überlasteten Schienenlotsen gefährliche Folgen haben können, wie BEU-Unfallberichte zeigen.