Zugvögel vollbringen enorme Leistungen V-Formationen bringen viele Vorteile

Christian Satorius
Nach Afrika? Europa? Kraniche unterwegs. Foto: dpa/Thomas Warnack

Wie es Zugvögel schaffen, Tausende Kilometer weit zu fliegen.

 
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Küstenseeschwalben fliegen im wahrsten Sinne des Wortes um die halbe Welt – und das zweimal im Jahr. Von den Winterquartieren in der Antarktis bis zu den Brutgebieten an den Küsten Alaskas und Grönlands kommen schnell 20 000 Kilometer zusammen. Hin und zurück sind das 40 000 Kilometer.

Auch wenn längst nicht alle Zugvögel so weite Strecken zurücklegen, fliegen viele von ihnen doch Hunderte oder sogar Tausende Kilometer, ohne zwischendurch zu landen. Besonders ausdauernd sind Pfuhlschnepfen, die durchaus 10 000 Kilometer weit fliegen, bevor sie rasten. Fregattvögel schlafen sogar im Flug, und Mauersegler landen praktisch nur zum Brüten.

Wie die Vögel sich vor Hitze schützen

Solche Distanzen zurückzulegen ist nicht nur kräftezehrend. Die Tiere dürfen beim Fliegen auch nicht überhitzen. Sportler kennen das Problem: Wer unter freiem Himmel im Sonnenschein trainiert, dem wird schnell heiß. Um eine Überhitzung zu vermeiden, greifen die Zugvögel auf Tricks zurück. Statt tagsüber ziehen viele von ihnen nachts, wenn es kühler ist. Ornithologen haben solche Nachtflüge etwa bei Rotkehlchen und Gartengrasmücken beobachtet.

Erst kürzlich haben Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Ornithologie eine weitere Entdeckung gemacht, wie sich Zugvögel womöglich vor Hitze schützen. Die Forscher um Bart Kempenaers verglichen die Farbe des Gefieders mit dem Zugverhalten der Tiere. Dabei stellten sie fest, dass Vögel, die weitere Strecken zurücklegten, tendenziell hellere Federn haben. Ortstreue Vögel waren dunkler gefärbt als Kurzstreckenzieher. Deren Gefieder wiederum war dunkler als das der Langstreckenzieher. Da sich hellere Federn weniger stark in der Sonne aufheizen, könnte die Gefiederfarbe eine wichtige Rolle in der Thermoregulation der Zugvögel spielen, sind die Wissenschaftler überzeugt. „Eine der größten Überraschungen ist, wie einheitlich der Effekt bei den verschiedenen Vogelgruppen ist“, meint Studienleiter Kempenaers. So entdeckten die Forscher das Muster gleichermaßen bei kleinen wie großen Vögeln, bei Wasservögeln und landbewohnenden Arten.

In der Nacht wird tiefer geflogen

Ornithologen haben außerdem beobachtet, das einige Vögel tagsüber höher fliegen als in der Nacht. Auch das hilft gegen Hitze, ist es in größerer Höhe doch kühler als in den Luftschichten nahe des Bodens. Zudem nutzen die Tiere Tricks wie den Rückenwind.

Einen entscheidenden Vorteil bringt die klassische V-Formation, in der viele Vögel ziehen. In dieser Formation bekommt das vorderste Tier den Großteil des Winds ab. Nachfolgende Vögel können von den Luftverwirbelungen der voranfliegenden profitieren und so Energie sparen. Ornithologen sprechen bei diesen Luftverwirbelungen von einer Wirbelschleppe. Immerhin zehn bis sechsunddreißig Prozent Energie sparen Kanadagänsen mit diesem Trick, errechnete der Biologe F. Reed Hainsworth von der Universität Syracuse im Bundesstaat New York.

Der französische Ornithologe Henri Weimerskirch hat die Herzfrequenz fliegender Pelikane gemessen. Das Herz des Vogels, der zuvorderst in der V-Formation fliegt, schlägt demnach etwa 190-mal pro Minute. Hinten geht es deutlich ruhiger zu: Die Herzen der nachfolgenden Pelikane begnügen sich mit 160 Schlägen in der Minute. Zum Vergleich: Selbst in einem energiesparenden Gleitflug sind es immerhin noch etwa 150 Schläge pro Minute. Es fliegt aber nicht stets das stärkste Tier voran. Der Vogel an der Spitze wird regelmäßig ausgewechselt.

Die Tiere nutzen das Magnetfeld

Um in die Brutgebiete vorzudringen, müssen sich die Zugvögel über weite Strecken hinweg orientieren. Gebirgsketten, Küstenverläufe, Flüsse, große Seen und andere weithin sichtbare Anhaltspunkte bieten Orientierungsmöglichkeiten. Auch Sonne, Mond und Sternen können der Navigation der Tiere dienen.

Im Vergleich zum Menschen haben Zugvögel aber noch eine besondere Fähigkeit: Sie können sich am Erdmagnetfeld orientieren. Zwar wissen Ornithologen bereits seit einiger Zeit, dass die Tiere das Magnetfeld nutzen – wie sie das tun, ist aber bis heute nicht abschließend geklärt.

Orientierung am Licht

Der Biologe Dominik Heyers von der Carl-von-Ossietzky-Universität Oldenburg geht davon aus, dass Zugvögel das Magnetfeld der Erde sogar sehen können. In den Augen von Zugvögeln konnten sogenannte Cryptochrome nachgewiesen werden, die dabei als Rezeptormoleküle fungieren könnten.

Zudem orientieren sich Vögel mithilfe von polarisiertem Licht. Durchdringt Sonnenlicht die Atmosphäre, werden die Lichtwellen gestreut. Dabei entstehen charakteristische Polarisationsmuster am Himmel, die uns Menschen in der Regel verborgen bleiben. Vögel aber können die Muster wahrnehmen und nutzen sie zur Navigation. Einen Blick für polarisiertes Licht haben übrigens nicht nur Zugvögel, sondern unter anderem auch Honigbienen, Große-Mausohren-Fledermäuse oder Wasserwanzen.

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