Zusammenrücken für die Menschlichkeit Coburger Familie nimmt sechs Flüchtlinge auf

Sie verstehen sich: Nicole (von links), Olga, Alexander und Alexander Churilov mit ihren Gästen Platon, Kyril, Diana, Xenia, Anna und Iwan. Foto: Frank Wunderatsch

Sie haben eine Odyssee durch Europa hinter sich. Nun hoffen die Menschen aus dem Kriegsgebiet, in Coburg zur Ruhe zu kommen. Wohnungen werden dringend gesucht.

 
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Alexander Churilov ist erleichtert. Denn seinem zwölfjährigen Sohn Artem und der Expartnerin ist es gelungen, die Ukraine zu verlassen. Alexander Churilov lebt mit seiner Ehefrau Olga und den beiden gemeinsamen Kindern in Coburg. Sie kam 2015 nach Deutschland, er 2017 aus Mariupol in der Ukraine. Zunächst war es unklar, ob und wie nun auch Artem aus dem Kriegsgebiet herauskommen sollte. „Sie sind bei Bekannten mitgefahren nach Polen und inzwischen in Hamburg angekommen“, schildert Churilov. Während die Mutter mit dem Jungen lieber in einer Großstadt leben möchte, haben ehemalige Fußballkollegen von Alexander Churilov nun bei ihm in der Vestestadt Unterschlupf gefunden. „Seit dem 4. März sind wir zu zehnt“, sagt er. Um ihn herum flitzen vier Kinder durch die Wohnung, ein weicher Fußball wird durch den Flur gekickt. „Platon ist elf Jahre alt und geht heute zum Probetraining beim FC Coburg“, verrät er. Dort spielt sein fünfjähriger Sohn, dort stand er noch bis Januar auch selbst für die erste Herrenmannschaft im Tor. Inzwischen hat der ehemalige ukrainische Fußballprofi beim SC Eltersdorf unterschrieben.

Einer seiner Gäste ist Iwan, ein Profispieler aus Kiew. Er strandete zu Kriegsbeginn im Trainingslager in der Türkei. Zum zweiten Mal hat er nun alles verloren, nachdem er zunächst vor einigen Jahren aus Donezk floh, als dort die Panzer rollten. Seine Frau Xenia schaffte es aus Kiew herauszukommen, beide leben nun bei den Churilovs in Coburg. „Wir wollen schnell Deutsch lernen und hoffen, eine Wohnung und Arbeit zu finden“, sagt Xenia auf Englisch. Die beiden haben sich schon bei den Behörden angemeldet, bald sollen sie die erste finanzielle Hilfe bekommen.

Genauso weit sind Kyril und Anna, die mit den beiden Kindern Platon und der sechsjährigen Diana geflüchtet sind. Kyril war ebenfalls im Trainingslager, die Familie traf sich dann in Rumänien, ehe es weiter nach Deutschland ging. Mit dabei ist der Familienhund Kandy. Besonders den Kindern fällt es schwer, psychisch mit all dem Erlebten zurechtzukommen. Die Flüchtlinge sind froh, in Coburg nun erst mal zur Ruhe kommen zu können. „Unsere Familien kannten sich vorher nicht, jetzt schon“, meint Olga Churilov und legt den Arm liebevoll um Xenias Schulter.

Die Lage in der Ukraine sei schrecklich, besonders in der belagerten Stadt Mariupol leiden die Menschen. Alles sei kaputt, Leichen liegen am Straßenrand, es gibt kein Wasser, keinen Strom, kein Gas zum Heizen. „Seit dem 2. März habe ich keinen Kontakt zu meinen Eltern in Mariupol“, sagt Alexander Churilov, dessen Bruder auch in der Ukraine ist.

Begeistert sind alle von der überwältigenden Hilfsbereitschaft der Menschen. Schon an der polnischen Grenze stehen Freiwillige, die Essen oder Kleidung verteilen. „Das ist so wichtig für die Menschen, die im Krieg alles verloren haben“, sagt Alexander Churilov. Die Hilfsaktion seines Arbeitgebers Björn Schumacher von der gleichnamigen Firma in Ebersdorf habe dazu geführt, dass 20 Lkw mit dringend benötigten Gütern in die Ukraine gefahren wurden. Insbesondere möchte er allen Mitarbeitern, dem FC Coburg, dem HSC und allen Kindern und Eltern danken sowie den anderen Helfern und Spendern. „Alle haben mitgemacht, es wurden so viele sehr gute Sachen gespendet“, meint Alexander Churilov. Auch privat bekommt er Hilfsangebote von Vereinskollegen oder anderen Menschen aus Coburg. Und immer wieder Anrufe von Freunden und Bekannten aus der Ukraine, aus Polen, aus den deutschen Ankerzentren, die verzweifelt nach Hilfe und einer Unterkunft suchen. Nun hofft er, einer weiteren befreundeten Familie mit kleinen Kindern irgendwie beistehen zu können. Sie lebte bis zum Krieg in Mariupol, ihr Haus wurde von Bomben zerstört. Jetzt haben sie einen Weg aus der belagerten Stadt gefunden und wohnen vorerst in einer Kirche. „Hauptsache nicht mehr in Mariupol im Bunker“, meint Alexander Churilov. Für ihn ist die Zerstörung seiner Heimat schwer zu ertragen. Umso mehr möchte er sich weiter engagieren und für Geflüchtete eine erste Anlaufstelle sein. „Wir wünschen uns Frieden und dass die Kinder wieder lachen können“, sagt er.

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