Eigener Inhalt Wacklige Nummer

Wolfgang Plank

Mit beiden Beinen fest auf dem Boden? Im Seilgarten klappt das kein bisschen, ist aber völlig ohne Risiko.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Für den stilechten Nervenkitzel müsste man sich eigentlich nach Choccayhua begeben. Ein kleines Dorf in den peruanischen Anden, 4000 Meter hoch gelegen. Etwas abseits der üblichen Touristenziele zwar, aber immerhin könnte man dort über die letzte Hängebrücke spazieren, die noch aus der Inkazeit stammt: Qu’eswachaka, runde 28 Meter lang, etwa 1,20 Meter breit, selbstverständlich schwankend – und zehn Stockwerke über den reißenden Fluten des Rio Apurimac. Qu’eswachaka zu begehen ist nicht jedermanns Sache, auch wenn die Konstruktion jedes Jahr neu gebaut wird, genauer: geflochten. Aus Gras. Eine Brücke, die man sich vorstellen muss wie die, auf der Indiana Jones in "Der Tempel des Todes" mit seinem Erzfeind Mola Ram an- oder besser übereinander gerät. Oder wie jene, über die am Ende Daniel alias Sean Connery schreitet – der Mann, der König sein wollte.

Okay, man kann für ein ähnliches Gefühl auch in den Harz fahren. An die Rappbode-Talsperre. Seit vergangenem Jahr spannt sich dort die längste Hängeseilbrücke Deutschlands – 483 Meter luftige Verbindung unmittelbar neben der mit 106 Metern höchsten Staumauer der Republik. Andere Stahlseil-Konstruktionen mögen länger sein, mit 458 Metern jedoch hält diese sogar den Weltrekord für freihängende Teilstücke. Einige rekordgierige Städter sind deshalb ganz versessen darauf, demnächst sogar 720 Meter Schwankbrücke über das Höllental zu spannen – die meisten Einheimischen indes sähen wohl lieber die unberührte Natur des Frankenwaldes erhalten.

Weil man aber für ein bisschen Abenteuer und Adrenalin nicht gleich eine ganze Hängebrücke braucht, schenken wir uns Nepal und den Harz, hoffen fürs Höllental und besuchen stattdessen ohne großen Aufwand den nächsten Hochseilgarten. Um die 500 gibt’s davon in Deutschland – und für ein paar Euro Eintritt Helden-Gefühl ohne jedes Risiko.

Drei, vier Etagen über dem Boden kann man dort von Baum zu Baum balancieren oder sich von Pfeiler zu Pfeiler arbeiten. Auf gespannten Seilen wie im Zirkus, über wackelig Geknüpftes, kippelnde Planken, schwankende Stege – und gelegentlich kommt man auf seinem Weg auch auf das eine oder andere schmale Brett. Je nachdem, wie findig der Erbauer der Anlage war.

So oder so – eine ordentliche Portion Nervenkitzel ist in jedem Fall garantiert. Ein Grund, warum gerne auch Unternehmen solche Touren für ihre Mitarbeiter buchen. Die sollen im Hochseilgarten Ängste abbauen und Teamfähigkeit trainieren. Natürlich kann man sich auch alleine aufmachen. Einigermaßen trittsicher allerdings sollte man für das luftige Abenteuer schon sein und auch nicht völlig unsportlich. Beruhigend: Bei einem Fehltritt stürzt man in keinen reißenden Fluss, sondern hängt einfach nur ein wenig im Seil …

Denn Klettergurt ist Pflicht. Und über den hängt man mit zwei Haken oder Rollen an einem umlaufenden Sicherungsseil. Nicht weil doppelt besser hält, sondern weil dieses Seil ja befestigt sein muss und man also nicht ohne gelegentliches Umsteigen auskommt. Da gilt dann die wichtigste Regel im Klettergarten: Nie beide gleichzeitig aushängen!

Mit so viel Vollkasko kann’s auch schon losgehen. Doch Vorsicht: Selbst wissend um eine perfekte Sicherung sind die meisten Menschen oberhalb von fünf Metern nicht mehr wirklich schwindelfrei. Also erst mal ein bisschen Vertrauen ins eigene Können fassen – und dann langsam steigern. Auch für die schwierigsten Sektionen gilt: Wirklich passieren kann nichts. Allenfalls blamiert man sich vor denen, die warten müssen, während man selbst hilflos zwischen Himmel und Erde baumelt.


Fotos: AdobeStock

Bilder