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Wolfgang Plank
 Foto: AdobeStock

Kaufen ist bloß halbso schön. Der schickste Drachen ist nämlich noch immer der selbst gebaute.

 
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Im Grunde hätte man spätestens bei den Kastanien drauf kommen müssen, aber Sturmtief "Mortimer" dürfte nun auch die letzten Schlafmützen wachgepustet haben: Es ist Herbst. Nieseliger, kühler Herbst. Und nun kann man entweder den Mantelkragen hochschlagen und sich fröstelnd in sein nebelgraues Schicksal ergeben – oder die jahreszeitliche Herausforderung annehmen. Heißt im Klartext: Ein Drachen muss her. Nein, kein Bausatz aus dem Internet. Noch nicht mal einer aus dem Spielwarenladen. Dieses Mal muss es so richtig altmodisch sein. Mit langem Drachenschwanz. Und garantiert Marke Eigenbau.

Das klappt ohne Erfahrung oder wenigstens eine gute Anleitung nur selten. Wohl dem also, der noch über ein paar väterliche Grundkenntnisse in Sachen Handwerk und Aerodynamik verfügt. Nicht selten muss man als Sprössling aber heute schon den Opa bemühen – weil entweder der Papa Drachen bereits für Kinderkram hielt oder allenfalls aufspannbare Folien-Adler im Spielzeugladen kaufte. So eine selbst gezimmerte Konstruktion war halt nicht mehr modern, damals. Auch wenn man beim örtlichen Schreiner garantiert zwei Gratis-Leisten aus der Reste-Kiste bekommen hätte. Und dazu womöglich ein paar wertvolle Tipps.

Sei’s drum, das Gerüst ist kein wirkliches Hindernis: Eine Leiste auf 100 Zentimeter Länge sägen, die andere auf 83 und in die Enden jeweils eine Nut feilen. In die längere Leiste im Abstand von 15 Zentimetern von oben und unten kleine Löcher für die "Waagepunkte" bohren und am unteren Ende noch eines für den späteren Drachenschwanz. Die kürzere Querleiste in 30 Zentimetern Abstand von oben mittig auf die lange Leiste kleben oder schrauben und mit Paketschnur kreuzweise fest umwickeln. Damit das Ganze im Wortsinn nicht windschief wird, eine zweite Schnur in die Nuten um das Holzskelett legen, festziehen und verknoten.

Bespannen kann man das Gerüst mit festem "Drachenpapier". Das sieht hübsch aus und geht auch schnell. Für Anfänger allerdings ist Stoff meist die weniger tränenreiche Alternative. Schließlich ist der Papierdrachen nach einem Absturz meist hinüber – und Oma wollte doch ohnehin mal wieder was nähen … Die Schnur an den Waagepunkten so verknoten, dass ein Dreieck entsteht – etwa 30 Zentimeter zur Spitze und etwa 60 Zentimeter zum Schwanz. Fliegt das Ding nicht optimal, kann man hier später noch ein wenig trimmen.

Im Prinzip funktioniert ein Drachen noch so wie vor knapp 2000 Jahren. Zwar erschreckt man keine feindlichen Truppen mehr damit, wie es von chinesischen Heerführern erzählt wird, oder erforscht Blitze wie einst Benjamin Franklin … Aber immer noch ist der Drachen eine Konstruktion, an der durch die anströmende Luft Auftrieb entsteht – und eben nicht, weil der Wind sich wie in einem Schirm verfängt.

Für Kinder reicht erst mal eine einzige Schnur. Schließlich besteht das windige Vergnügen darin, den Drachen möglichst lange in der Luft zu halten und vielleicht das eine oder andere "Briefchen" die Leine hochsausen zu lassen. Für Geübtere darf es dann auch ein trapezförmiger Lenkdrachen mit bis zu vier Steuerseilen sein. Wer da geschickt zieht, loslässt und vor allem den Überblick nicht verliert, kann den Luftikus zu spektakulären Schrauben, Drehungen und Loopings bewegen.

Aber auch für das Trapez-Modell braucht man durchaus Übung. Und ein paar Tricks gegen den Absturz: Wenn der Drachen kopfüber gen Boden segelt – Leine nachlassen. Reicht auch das nicht, den Zug komplett aus der Schnur nehmen. Mit etwas Glück beginnt der Drachen zu taumeln und verliert rapide an Tempo. So steigt die Chance, dass man nicht gleich wieder basteln muss. Obwohl: Bis zum ersten Schnee ist lang.


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