Eigener Inhalt Arbeit 4.0: Ein Wörterbuch

 Quelle: Unbekannt

Wenn Politiker oder Gewerkschafter über die neue Arbeitswelt reden, dann greift man als Zuhörer am besten zum Wörterbuch. Wir stellen Ihnen acht Begriffe vor, von denen Sie künftig noch viel hören werden

 
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Da haben wir ja noch einmal Glück gehabt. Der Job-Futuromat der ARD stimmt hoffnungsvoll für Journalisten: "0 % der Tätigkeiten in diesem Beruf könnten schon heute Maschinen übernehmen." Ob er sich da mal nicht irrt. Schon länger gibt es Computerprogramme, die beispielsweise vollautomatisch Spielberichte schreiben können. Das liest sich vielleicht nicht ganz so inspiriert, aber dass Mannschaft A am Ende gewonnen hat, geht auch aus ihnen hervor.

Kurzum: So richtig sicher kann sich derzeit niemand sein, wie er seinen Beruf in einigen Jahren oder vielleicht Jahrzehnten einmal ausüben wird. Und ob es diesen Beruf dann überhaupt noch gibt. "Wir nennen es Arbeit" nannten Holm Friebe und Sascha Lobo vor nun auch schon wieder elf Jahren ihr viel zitiertes Buch über die digitale Bohème und das Arbeiten jenseits der Festanstellung. An den Anblick der tippenden, klickenden Freiberufler, die ihren Laptop und damit ihr Büro mal im ICE, mal im Café aufschlagen, hat man sich mittlerweile gewöhnt. An ihre neudeutsche Bezeichnung als Freelancer ebenso.

Doch es gibt längst jede Menge neue Begriffe, die zu beschreiben versuchen, wie sich die Arbeitswelt verändert. Auch für die Festangestellten. Viele dieser Begriffe sind englisch, weil andere Länder eher ausprobiert haben, was nun auch in Deutschland den Alltag von Millionen Arbeitnehmern verändern könnte oder bereits verändert hat. Wir möchten Ihnen heute einige der wichtigsten Schlagwörter vorstellen, die gerade im Schwange sind.

Coworking Spaces


Wenn für das eigene Büro das Geld fehlt, einem zu Hause aber die Decke auf den Kopf fällt, dann sind Coworking Spaces eine echte Alternative. In diese Bürogemeinschaften können sich Freiberufler oder Selbstständige auf unterschiedlich lange Zeit einmieten. In Großstädten ist diese Form des Zusammenarbeitens bereits weit verbreitet. Mehr als den Laptop muss man nicht mitbringen – die Arbeitsplätze sind komplett ausgestattet. Je nach Angebot kann man dort in kreativen Gemeinschaften Anschluss finden und Inspiration erhalten, konzentriert im Einzelbüro arbeiten oder sogar Besprechungsräume für Meetings und Geschäftstermine buchen. Auch ein eigenes Klingelschild oder ein Briefkasten ist möglich. In München zum Beispiel kann man so in bester Lage schon für 20 Euro am Tag seinen eigenen Arbeitsplatz beziehen.

Industrie 4.0


Roboter statt Mensch: Industrie 4.0 ist derzeit das Schlagwort der Branche. Darunter versteht man die zunehmende Vernetzung von Produktentwicklung, Produktion, Logistik und Kunden. Kurz: hier wird die reale mit der virtuellen Welt vernetzt. Es ist eine industrielle Revolution – und zwar bereits die vierte (daher 4.0). Als erste Revolution gilt die Entdeckung von Wasser- und Dampfkraft. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts folgte die Fließband und Massenproduktion und in den 1970er-Jahren das digitale Zeitalter. Nun stecken wir mitten drin in einem erneuten Industrieumbruch. Das hat auch Folgen für den Arbeitsmarkt. Denn weil sich Produktionszyklen verkürzen, Kundenbedürfnisse in Echtzeit in die Produktion einfließen und Wartung und Instandhaltung sich weitgehend eigenständig regeln, verschwinden Arbeitsplätze. Doch gleichzeitig entstehen auch neue Berufsbilder.

Telearbeit


Wer in der Firma gar keinen Schreibtisch mehr besitzt, sondern von zu Hause aus seine Büroarbeit erledigt, E-Mails verschickt, an Konferenzen teilnimmt und Projekte stemmt, der praktiziert Telearbeit. Gefühlt gehört dieser Form der Heimarbeit die Zukunft, doch die Zahlen sprechen eine ganz andere Sprache. Der Boom der Telearbeit scheint schon wieder vorbei zu sein. Den bisherigen Höchststand erreichte das Arbeiten von zu Hause im Jahr 2008. Damals taten dies 9,7 Prozent der Arbeitnehmer. Seither verzeichnet die Statistik einen markanten Rückgang und spätestens seit der Finanzkrise holen auch immer mehr Unternehmen ihre Angestellten zurück ins Büro. So verkündete das IT-Unternehmen IBM kürzlich, sämtliche Homeoffice-Mitarbeiter aus dem Marketing ab sofort wieder am Firmenschreibtisch haben zu wollen. In dieser Abteilung wird die Telearbeit eingestellt.

Arbeiten 4.0


2016 war fast vorüber, da ließ Andrea Nahles die Menschen im Land noch einmal aufhorchen. Die Bundesarbeitsministerin möchte experimentieren und das Arbeiten in der digitalen Ära, das Arbeiten 4.0, reformieren. In einer zweijährigen Probephase sollen Arbeitgeber und Gewerkschaften dafür über die bisherigen Regeln zur Arbeitszeit hinausgehen dürfen. Die Pläne im Einzelnen:
Erörterungsrecht: Ein Arbeitnehmer soll mit dem Arbeitgeber darüber verhandeln können, zum Beispiel morgens eine halbe Stunde später zu kommen, um das Kind zur Kita zu bringen. Der Chef soll das nur gut begründet ablehnen können.
Homeoffice: Auch Anstöße zur Erleichterung des Arbeitens von zu Hause aus sollen die Tarifpartner vereinbaren können. Wer zum Beispiel wegen der Kinder früher heimgeht und dann abends weiterarbeitet, bei dem könnte nach entsprechenden Vereinbarungen die Spätschichtzulage wegfallen.
Rückkehrrecht auf Vollzeit: Ein Rückkehrrecht aus der Teilzeit in eine frühere volle Arbeitszeit soll es vor allem Frauen erleichtern, nach einer Familienphase wieder komplett in den Job einzusteigen.
Qualifizierung: Die Bundesagentur für Arbeit soll bundesweit Weiterbildungsberatung anbieten. Das soll in jeder Arbeitsagentur aufgebaut werden.
Erwerbstätigenkonto: Jeder Arbeitnehmer soll ein Guthaben erhalten. Damit soll Zeit für Weiterbildung oder familienbedingte Auszeit finanziert werden. Vorausschauend soll Weiterbildung finanziert werden, die absehbare Anforderungen an die Arbeitnehmer betrifft.
Selbstständige: Gerade in der Internetwirtschaft sind viele Selbstständige ohne Angestellte tätig. Nahles will für sie eine Pflichtversicherung in der gesetzlichen Rente.

Digitale Nomaden


Reisen und trotzdem Geld verdienen: Wer als digitaler Nomade unterwegs ist, arbeitet von überall auf der Welt via Internet. Natürlich ist das nicht in jeder Branche möglich – am einfachsten funktioniert es, wenn man einen digitalen Beruf ausübt. Vor allem Blogger, Software-Entwickler oder Fotografen können auf diese Weise ihr Geld verdienen. Selbstdisziplin ist dabei jedoch Grundbedingung. Denn wenn der Sandstrand oder das Meer locken, muss der moderne Wanderarbeiter mitunter hart zu sich selbst sein. Selbst entscheiden zu können, wann und wo man arbeitet, ist der Wunsch vieler – die wenigsten setzen ihn jedoch um. Daher sind digitale Nomaden auch in Zeiten von globaler Vernetzung immer noch ein Randphänomen. Allerdings eines, dem ein besonderer Mythos anhängt.

Zeitarbeit


Korrekt heißt es Ar-beitnehmerüberlassung. Und die liegt vor, wenn ein Arbeitgeber einen Arbeitnehmer einem Dritten überlässt und zwar für eine bestimmte Zeit und für ein Entgelt. Aktuelle Zahlen der Bundesagentur für Arbeit zeigen, dass von den 43,5 Millionen Erwerbstätigen im Jahr 2016 im Durchschnitt 963 932 Zeitarbeiter waren. Allein im Juni 2016 lag die Zahl bei über einer Million – ein Rekordhoch. Weil immer mehr Unternehmen auf die schlechter bezahlten Arbeitnehmer setzen, tritt zum 1. April ein neues Gesetz in Kraft. Darin sind eine grundsätzliche Höchstverleihdauer von 18 Monaten sowie eine Lohnanpassung an die Stammbeschäftigten nach neun Monaten geregelt. Allerdings mit Ausnahmeregelungen. Fast ein Drittel der Leiharbeiter sind derzeit in Verkehrs- und Logistikunternehmen sowie bei Sicherheitsdiensten und Reinigungsfirmen eingesetzt. 28 Prozent sind an Firmen der Metall- und Elektroindustrie verliehen.

6-Stunden-Tag


Die Schweden sorgen seit Jahren mit diesem Modell international für Aufsehen. Dabei reduzieren Angestellte ihre Arbeitszeit auf täglich sechs Stunden – bei vollem Lohnausgleich. Das soll ihnen nicht nur mehr Zeit für Familie und Freunde bescheren, sondern gleichzeitig die Motivation fördern und damit den Krankenstand senken. Während das Toyota-Werk in Göteborg 2003 einen solchen Testlauf mit viel Erfolg startete, fällt die Bilanz in anderen Branchen eher mau aus. Zum Beispiel bei Angestellten in Gesundheitsberufen. Zwar hatten sich Pfleger, die in einem Altenheim in Göteborg an dem Modellversuch teilnahmen, prinzipiell besser bei der Arbeit gefühlt. Doch die Kosten, die das Pilotprojekt verursachte, waren enorm. Rund 1,2 Millionen Euro musste die Stadt für den knapp zweijährigen Test aufbringen – auch weil mehr Personal notwendig war.

Mobile Working


Heute hier, morgen dort. Wer jeden Tag denselben Tischnachbarn neben sich braucht, für den ist Mobile Working nichts. Statt den festen Sitzplatz im Großraumbüro anzusteuern, wählen Mitarbeiter jeden Morgen aufs Neue, wo sie sich heute in der Firma niederlassen – meist einfach dort, wo noch Platz ist. So soll die Teamarbeit gestärkt und für jeden die ideale Umgebung für neue Ideen geschafft werden. Wer es ruhiger braucht, für den stehen Einzelbereiche zur Verfügung. Weil damit auch der fixe Schreibtisch Geschichte ist, gehört ebensolcher jeden Tag nach Arbeitsende aufgeräumt. Papiere und wichtige Dokumente kommen ins Schließfach, Nippes und Fotos, die üblicherweise den Arbeitsplatz bevölkern, sind überflüssig oder müssen täglich mit umziehen. Der Vorteil: Aktenberge gehören der Vergangenheit an.

Jobsharing


Wenn sich mehrere Arbeitnehmer eine Stelle teilen, dann spricht man vom Jobsharing. Besonders beliebt ist diese Form der Arbeit in den USA, wo nicht selten zwei und mehr Teilzeitbeschäftigte die Anforderungen einer Vollzeitstelle erfüllen und sich im Krankheits- und Urlaubsfall einfach untereinander vertreten. Jobsharing unterscheidet sich von der herkömmlichen Teilzeitarbeit dadurch, dass mindestens zwei Mitarbeiter die gemeinsame Verantwortung für eine Stelle tragen. Vorteil für Jobsharer: Sie teilen sich ihre Arbeitszeit untereinander selbst auf, das gilt auch für den Urlaub. In Deutschland gibt es das Modell bereits seit den 80er-Jahren, mittlerweile existieren vor allem im Internet diverse Plattformen und Stellenbörsen, auf denen Mitarbeiter zusammengebracht werden sollen.

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