Eigener Inhalt Am grünen Tisch

Wolfgang Plank
 Foto: AdobeStock

Nur was für Könner? Kein bisschen. Eine Partie Billard macht auch Spaß, wenn man kein Meister ist.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Da jammern alle immer über den November. Grau, nieselig und irgendwie traurig. Aber so viel besser ist der Winter bis jetzt auch nicht unbedingt. Die Schneelage ist mau, nur die ganz Harten wagen sich schon an den Grill und ein bisschen Luft bis zu den Olympischen Spielen ist auch noch. Wann also, wenn nicht jetzt, könnte man ein klein wenig der Entspannung frönen? Einfach mal ein paar Dinge tun, zu denen man nicht kommt bei schön und Sonne, ob warm oder kalt. Schach spielen zum Beispiel – oder eine gepflegte Partie Billard zu einem noch gepflegteren Gläschen Wein.

Klar müsste man sich dazu stilecht in ein verrauchtes Hinterzimmer verziehen. Mit tief hängenden Lampen über dem grünen Tisch. Dumm nur, dass sich nicht viele verrauchte Hinterzimmer im Bekanntenkreis von der Größe dazu eignen, dass darin ein tuchbespannter schwerer Schiefer-Tisch Platz fände. Die nötige Bewegungsfreiheit nicht zu vergessen. Also werden wir wohl oder übel auf eine Gaststätte ausweichen müssen oder einen Billard-Salon. Haben wir in unserer Jugend ja auch gemacht. Nur mit dem Rauchen hat es sich heutzutage …

Und mal ganz ehrlich: Damals waren wir nicht vorrangig auf den sportlichen Wettstreit erpicht, sondern auf das Verrucht-Elitäre, das die hohe Kunst auf grünem Kammgarn schon seit jeher hat. Und weil es ziemlich cool aussah, wenn man in Profi-Manier die lederne Pomeranze an der Queue-Spitze mit Kreide traktierte, bevor man zum entscheidenden Stoß ansetzte. Ganz egal, wie grässlich der anschließend auch danebengehen mochte.

In jeder besseren – oder eher: mieseren – Kneipe stand damals so ein Tisch. Man musste zeitig da sein und von ähnlichem Gemüt wie Urlauber, die Liegestühle mit Handtüchern reservieren. Wer nicht beizeiten eine Reihe Markstückchen unter der Bande platzieren konnte, war zum Zuschauen verurteilt. Nicht selten den ganzen Abend lang. Was eine ziemlich harte Strafe war. Heute geht es bei der Tisch-Suche meist entspannter zu. Billard ist bei den Jüngeren eher kein Renner. Schon weil man es nicht auf dem Smartphone spielen kann. Und auch bei den Älteren scheint das edle Kugelspiel ein wenig aus der Mode gekommen. Snooker im Fernsehen – schon. Aber selbst ein Queue in die Hand nehmen? Man könnte sich ja bis auf die Knochen blamieren.

Kann man. Und wenn schon. Die Gegner sind – hoffentlich – auch keine Profis und es geht ja nur um den Spaß am Spiel. Noch nicht mal mehr Münzen braucht man, weil heutzutage meist nach Zeit abgerechnet wird. Es hilft also nichts, so wie früher die Kugeln vor dem endgültigen Fall in die Tasche aufzufangen und zurückzulegen. Der Stolz allerdings, unter dem ungläubigen Blick der Umstehenden den richtigen Ball ins richtige Loch versenkt zu haben, fühlt sich noch immer großartig an.

Ein wenig Übung ohne Kulisse kann allerdings vor dem ersten Match nicht schaden. Und sei es nur, um sich wieder ein bisschen an Grundlegendes zu gewöhnen. Dass Einfallswinkel gleich Ausfallswinkel ist und derlei mehr. Für irgendwas muss Geometrie-Unterricht in der Schule doch gut gewesen sein.

Mit etwas Routine kann man sich auch an einem Tisch ohne Löcher versuchen. Da, wo es nur drei Bälle gibt. Carambolage gilt schließlich noch immer als der Klassiker schlechthin. Und die Regeln sind denkbar simpel. Jedenfalls in der sogenannten Freien Partie: Einfach mit dem Spielball die beiden anderen Kugeln treffen. Punkt und weiter. Kann man um die Zeche spielen. Oder um die Ehre.

Ganz wichtig: Nie einen schlechten Stoß auf den Spielball schieben. Verbockt hat man es nämlich immer selbst. "Whitey never lies", heißt deshalb die oberste Regel am grünen Tisch. Die Weiße lügt nie.

Bilder