Eigener Inhalt Alles für den Akku

Wolfgang Plank

E-Autos sind nicht nur flott und leise, sie bergen bei einem Crash ein Brand-Risiko. Darum hat Sicherheit oberste Priorität.

 
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Es ist eine schöne neue Vision, die da am Horizont aufscheint. Immer mehr E-Autos gleiten durch eine immer entspanntere Welt mit einer immer besseren Luft. Allüberall finden sich freie Ladepunkte, und nachgelegt wird mit Strom aus Sonne und Wind – nie war Straßenverkehr besser.

Von den Schattenseiten der Technologie erzählen die Werbefilme nicht. Schon gar nicht, dass E-Mobile – wie andere Autos eben auch – Unfälle haben können. Selbstverständlich auch schwere. Und das ist angesichts mittlerweile gewaltiger Bord-Spannungen für Insassen wie Retter nicht ohne Risiko.

Horror-Szenario ist ein Elektroauto in Flammen. So geschehen eben erst bei einem tödlichen Unfall nahe Potsdam. Für die Feuerwehr wird da der Lösch- schnell zum Gefahrguteinsatz. Zum einen entstehen hochgiftige Stoffe, zum anderen wird der Akku schier unvorstellbar heiß. Und das über Stunden. Die sichtbaren Flammen sind daher nur ein Teil des Problems – und der übliche Löschschaum hilft kaum. Umgebung mit Wasser kühlen und Wrack kontrolliert abbrennen lassen, lautet daher eine gängige Devise.

Damit es erst gar nicht so weit kommt, werden Hochvolt-Akkus im Crash-Fall üblicherweise automatisch abgeklemmt. Erkennt etwa das Airbag-Steuergerät einen schweren Unfall, lösen winzige Halbleiter die sogenannte Pyrofuse aus. Dabei werden Teile der Verbindungsleitung mittels kleiner Treibsätze einfach herausgesprengt – und so der Stromkreis blitzschnell unterbrochen. Eine detonierende Sicherung, wenn man so will.

Doch der vorbeugende Schutz beginnt noch viel früher. Maß der Dinge ist derzeit der Porsche Taycan, der mit 800 Volt an Bord arbeitet. Und darum sind die Herausforderungen andere als seit Jahrzehnten in Zuffenhausen üblich. Es gilt einen Batterie-Pack im Fahrzeugboden zu schützen. Gegen alles, was sich überhaupt denken lässt. Dutzende Unfall-Szenarien, Verformungen und Crash-Normen in aller Welt müssen erfüllt werden. Obendrein eigene Ansprüche. Bei derart viel Spannung unter den Insassen darf nichts, aber auch gar nichts schiefgehen.

Darum ist schon die blanke Karosserie ein Meisterwerk. Eine Komposition aus Stahl, Aluminium, Gussteilen und Magnesium. Mehr als 3100 Schweißpunkte halten sie verwindungssteif zusammen, dazu 734 Nieten. Hinzu kommen gute acht Meter rollgefalzte und fast 200 Meter verklebte Nähte. Insgesamt addiert sich die Zahl dessen, was Fachleute eher emotionslos "Fügeverfahren" nennen, auf mehr als ein Dutzend.

Vor allem aber sind 714 fließlochformende Schrauben verbaut. Sie halten in der Hauptsache die beiden massiven Längsträger. Eine Art Blechfresser de Luxe: Aufsetzen, mit hohem Tempo eindrehen – fertig sind Gewinde und Zusammenhalt. Gerne benutzt in Hohlprofilen, an die man von innen nicht mehr herankommt. Entscheidender Vorteil: Es gibt keine Späne und daher keine Rostgefahr.

Um die 150 Kilo wiegt allein der stählerne Rahmen um die eigentliche Batterie. Eine am Rechner ertüftelte Wabenstruktur, die Kräfte abfängt und sinnreich lenkt. Acht sogenannte Lastverteiler helfen bei einem seitlichen Aufprall, eine Rampe am hinteren Achsträger sorgt dafür, dass sich bei einem Heck-Crash der E-Motor nicht in den Akku spießt. Auch die "Fußgarage" muss unter allen Umständen heil bleiben – zwei Vertiefungen für die hinteren Passagiere.

Im Vergleich etwa zu einem Porsche Panamera hat der Tycan während seiner Entwicklung zweieinhalbmal mehr Unfall-Simulationen durchlaufen. Geschätzt 350 Karosserien – oder zumindest Teile davon – wurden geschrottet. Um ständig zu prüfen, ob Computer-Modell und tatsächliche Verformung deckungsgleich sind. Entscheidend ist am Ende nur eins: Die Module des Akkus müssen nach jedem Crash-Test schadenfrei sein. Auch unter dem Mikroskop.

Die größte Herausforderung: Ein Frontalaufprall mit Tempo 64 bei 40 Prozent Überdeckung. Die Träger müssen sich klug verformen und doch genügend Lebensraum lassen. Und: Das Vorderrad darf nicht seitlich wegknicken, weil es für die Aufnahme der gewaltigen Kräfte gebraucht wird. Da müssen selbst große Computer lange rechnen. Praktisch soll das Ganze nämlich auch sein. Für die Hochzeit – die Verbindung von Aufbau und Bodengruppe reichen beim Taycan 28 Schrauben. Das sind nur sechs mehr als einst beim Käfer.

In Sachen Brandbekämpfung übrigens sind kluge Köpfe mittlerweile auf eine pfiffige Idee verfallen. Viele Feuerwehren hieven brennende Autos per Kran kurzerhand in einen mit Wasser gefüllten Abfallcontainer. Feuer ersticken und Batterie kühlen in einem Aufwasch – der pragmatische Ansatz könnte zum Standard werden.

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