Eigener Inhalt Der heiße Löwe

Wolfgang Plank

Seats neuer Leon ist digital wie nie, hat aber auch analoge Tugenden. Und schicker als der Golf ist er auch ...

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Es ist ein Mix, mit dem beide seit vielen Jahren bestens fahren: Außen südländisch-feuriges Design – und trotzdem die Gewissheit, dass in spanischer Grandezza bewährte deutsche VW-Technik steckt. Dieses Mal aber ist die Umhüllung zum Niederknien gut gelungen. Während der neue Golf doch ein wenig bieder daherkommt, tobt an den Flanken des Seat Leon das Licht sensationell zwischen Kniffen und Kanten, Falzen und Furchen. Wieder mal liegen Welten zwischen Martorell und Wolfsburg.

Dabei war der Löwe nie stärker unter Druck. Und das schon im eigenen Rudel. Oben muss er sich gegen Arona und Ateca behaupten, unten piesackt ihn der flotte Ibiza – und von der Seite drängt demnächst das elektrische ID.3-Pendant el-Born. Die optische Botschaft ist deshalb unmissverständlich: Kommt nur. Ich warte schon auf euch.

Unter dem Blech lautet das Motto: Wenn schon nicht rein elektrisch, dann wenigstens vorbildlich elektronisch. Vom Kommandostand aus schweift der Blick über ein Breitwand-Display, zu dem digitales Cockpit und Touchscreen verschmelzen. Der Neue kann bis Tempo 210 teilautonom unterwegs sein, Sprachbefehlen folgen und sich per "Car2X" mit anderen Autos austauschen. Nie war ein Seat besser vernetzt.

Per User-ID lassen sich gänzlich eigene Einstellungen konfigurieren – von Sitz- und Lenkradposition bis zu Bildschirm-Menüs und Lieblingssendern. Einmal in der Cloud gespeichert, kann man auch andere Gefährte personalisieren. Weitere wichtige Neuerung: Dank "shift by wire" wird das optionale siebengängige Doppelkupplungsgetriebe nicht mehr mechanisch gesteuert, sondern per Datenfluss. Damit kann der Leon künftig noch weit mehr Aufgaben ganz allein erledigen.

Der Clou: Vieles von dieser Assistenz kann man nachrüsten. Genauer gesagt: gegen Entgelt freischalten. Weil entsprechende Sensoren sowieso an Bord sind und nur mehr pfiffige Software den Unterschied macht. Das hat Vorteile für beide Seiten. Käufer mit begrenztem Budget verbauen sich spätere Optionen nicht – und Seat kann Gebrauchtwagen auf spezielle Kundenwünsche hin aufrüsten.

Aber wie das so ist mit Revolutionen – sie fordern stets auch Opfer. So gibt es vom auf 4,37 Meter gewachsenen Leon keinen Dreitürer mehr – einzig der knapp 30 Zentimeter längere Kombi hält sich als Karosserie-Variante. Immerhin: Für die Tour über Stöckchen und Steinchen sind Allrad-Versionen im Angebot. Und: Bei den Motorisierungen ist die Auswahl breit wie selten.

Aktueller Einstieg sind Dreizylinder mit 90 und 110 PS, die munter ihren Job verrichten, der konzernweit bewährte 1,5-Liter-Vierzylinder mit variablem Turbo und Zylinderabschaltung liefert auskömmliche 130 und spritzige 150 PS – wahlweise auch von 48 Volt unterstützt. Wichtig für Viel- und Weitfahrer: Selbstzündend stehen ordentliche 115 und souveräne 150 PS zu Wahl. Mit Speicherkat und sogar doppelter AdBlue-Reinigung. Ein sparsames Erdgas-Modell mit 130 PS ist ebenfalls im Angebot.

Auch auf die Kraft der zwei Herzen kann man im neuen Leon vertrauen. Allerdings erst später im Jahr. Der Plug-in-Hybrid wird gut 200 PS Systemleistung freisetzen und an die 60 Kilometer rein elektrisch fahren. Die Brummer indes haben die Spanier in die Performance-Marke Cupra ausgelagert – als da wären: ein GTE-Double mit 245 PS, der ebenso starke Verbrenner-Renner TSI sowie das Top-Modell, das – ausschließlich als Kombi – satte 310 PS in den Allradstrang haut.

Ansonsten ist der Leon der Leon. Von fehlenden Knöpfen und dem fast schon winzigen Wählhebel mal abgesehen, ist alles vertraut, alles praktisch wie ehedem. Nur das tiefergezogene Dach fordert ein klein wenig Tribut beim Laderaum. 380 Liter packt Seats Jüngster in dritter Reihe weg, beim Kombi sind es 620. Bereits ab Werk hält er die Spur und bremst auch für Fußgänger. Da kann man sogar gelassen mit dem mageren Heck-Logo umgehen.

Bestens gelungen ist der Katalane seinen Machern, wo man es bei jeder noch so kurzen Ausfahrt spürt: bei Sitzen, Lenkung und Fahrwerk. Die fein austarierte Abstimmung hat etwas Schienengleiches, und man muss schon beinahe böswillig zu Werke gehen, um den Leon vom gepflegten Bogen Richtung Tangente zu zwingen.

Los geht’s bei 20 820 Euro, mit vier Zylindern und etwas Schnickschnack bekommt man aber auch gut eine Drei nach vorne. Gratis indes gibt’s beim Seat Leon das Gefühl, im schicksten Golf aller Zeiten unterwegs zu sein.

Bilder