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Wolfgang Plank
 Quelle: Unbekannt

Die Beweise sind längst erbracht. Das selbstfahrende Auto funktioniert. Schon 2013 rollte eine Mercedes S-Klasse selbstständig auf den Spuren von Bertha Benz. Ein Jahr später kurvte ein Audi RS7 im Renntempo über den Hockenheimring. Am Steuer: niemand. Ein Computer im Kofferraum jagte den Wagen durchs Motodrom. Die Kür dessen, woran Hersteller rund um den Globus seit Jahren tüfteln: das Fahrzeug ohne Fahrer.

 
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Die Idee dahinter: Optimale Auslastung von Straßen, weniger Schadstoffe und Senkung der Unfallzahlen lassen sich nun mal schwer erreichen, wenn jeder fährt, wie er will. Vom Können ganz zu schweigen. Die Frage ist nicht, ob das autonome Auto kommt, sondern wann.

Im Grunde ist das, was wir Straßenverkehr nennen, nur ein bisschen Mathematik: Geschwindigkeiten, Richtungen – und Rücksicht auf die Unmöglichkeit materieller Koinzidenz. Im Klartext: Man kann nicht zur selben Zeit am selben Ort sein wie jemand anderes. Jedenfalls nicht unfallfrei. Moderne Autos stellt all das vor kein wirkliches Problem. Die Technik ist seit Jahren bis hinunter zum Kleinwagen verfügbar: elektrische Servolenkung, elektronisches Gaspedal, Tempomat, Notbrems-Assistent. Stimmen müssen die Bedingungen – und die Rechnerleistung.

Kompliziert wird das Ganze im Alltag: spielende Kinder, rücksichtslose Radler, Ampeln im Gegenlicht. Wenn Sensoren an ihre Grenzen stoßen. Wenn es heißt, tausende Male pro Sekunde zu erkennen, zu analysieren, zu entscheiden – und auf dieser Basis zu lenken, zu bremsen oder Gas zu geben. Auch bei Starkregen, Schnee oder mitten in der Nacht.

Und spätestens hier taucht die Frage auf: Wie verlässlich ist autonomes Fahren?

Bestimmt nicht so sehr, wie der Bundesverkehrsminister glauben machen will. Dass man etwa Zeitung lesen könnte oder E-Mails checken, während der Wagen uns von A nach B bringt, unfallfrei. Nicht ohne Hintersinn heißt es schon in Paragraph 1b seines Gesetzes: "Der Fahrzeugführer ist verpflichtet, die Steuerung unverzüglich wieder zu übernehmen, wenn er erkennt oder aufgrund offensichtlicher Umstände erkennen muss, dass die Voraussetzungen für eine bestimmungsgemäße Verwendung der hoch- oder vollautomatisierten Fahrfunktionen nicht mehr vorliegen." Das ist dann genau das Gegenteil des ministeriellen Versprechens.

Zugegeben: Für ein paar kontrollierte Sekunden funktioniert das Auto-Mobil prächtig. Zudem kennen Rechner keine Schrecksekunde, sind nicht abgelenkt und nicken auch nicht ein – doch zum entspannten Beifahren ist es trotz gewaltiger Fortschritte noch ein weiter Weg. Nicht erst seit den Unfällen bei Google und Tesla wissen wir, dass eben auch Computer am Steuer versagen. Viel eher als Verkehrsströme von Geisterhand könnten Teillösungen Alltag werden. Im Parkhaus etwa, wo der Wagen sich alleine seinen Platz sucht und bei Abholung wieder vorfährt.

Die schwierigste Zeit steht uns ohnehin noch bevor. Dann nämlich, wenn autonome Fahrzeuge nicht mehr nur einen Promille-Anteil stellen, sondern vielleicht ein Viertel. Und wenn sie sich die Straßen mit drei Vierteln Autos teilen, die von Menschen gelenkt werden. Wenn technische Perfektion massenhaft auf menschliche Intuition trifft, Algorithmus auf Erfahrung, Prozessor auf Gefühl.

Und was wird eigentlich aus denen, die gerne selbst fahren? Die Freude haben an gediegenem Vortrieb, an schnellen Kurven und präzisen Bremspunkten. Müssen die sich dereinst beim Automaten anmelden? Womöglich um Erlaubnis fragen, damit sie das Lenkrad für eine gewisse Zeit selbst übernehmen dürfen?

Eventuell sind besonders die Premium-Hersteller gerade dabei, Richtung Holzweg abzubiegen. Mit Fahrspaß zu werben – aber in jedem Winkel Chauffeur Chip zu verbauen. Mit immer noch aufwändigeren Assistenz-Systemen. Je größer und stärker der Wagen, umso mehr muss er selbst können. Nur sieben elektronische Helfer, wenn die Konkurrenz acht im Angebot hat – da sei doch bitte der Heilige Christophorus vor.

Mag sein, dass betreutes Fahren in Staus oder Baustellen angenehme Seiten hat – aber wer, dessen Herz ein bisschen für das Auto schlägt, würde, erst recht bei einem High-Tech-Gefährt, das Steuer einem gleichnamigen Gerät überlassen? Schicker Wagen mit 350 PS aufwärts, verstellbaren Dämpfern und intelligentem Allrad – den autonom? Nein, danke.

Und wenn doch? Die Antwort könnte eine sein, die den Herstellern nicht gefällt. Denn wenn das Auto von morgen erst vollautomatisch rollt, warum sollte man sich noch für ein ganz bestimmtes entscheiden. Wer fährt wie im Taxi, dem reicht eine Art Taxi. Motor, Getriebe oder Fahrwerk sind dann ja keine Kriterien mehr. Nicht mal mehr das schicke Cockpit oder der Klappen-Auspuff. Und in der Folge auch nicht mehr Emotionen
oder Markentreue. Allenfalls gibt es noch Freude am Sitzen. Freude am Fahren war dann
gestern.

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