Eigener Inhalt Ford GT40: Der Straßen-Feger

Wolfgang Plank

Am Ende weiß keiner mehr so genau, wie sie entstand. Und wann. Nur dass sie irgendwann einfach da war: die ganz große, die geniale Idee. Die von der Neuauflage des legendären Ford GT40 von 1964. Damals gebaut mit dem einen Ziel, Ferrari beim wichtigsten aller Sportwagen-Rennen zu schlagen - den 24 Stunden von Le Mans.

 
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Eine Rennmaschine. Acht Zylinder. Sieben Liter Hubraum, 380 PS. Und 40 Zoll hoch, daher der Name. Ford gewann 1966 an der Sarthe. Und 1967. Und 1968. Und 1969 auch. Im ersten Jahr war es gleich ein Dreifach-Erfolg gewesen. Und also wollten sie zurückkehren. An die Stätte des Triumphes.
Genau 50 Jahre danach. Mit einem neuen Siegerauto.

Nun hat der Motorsport schon viele Ideen erlebt. Ein paar erfolgreiche – und unzählige, die gescheitert sind. Weil Rennen so grausam sein können, und ganz kleine Fehler bei Mensch und Maschine meist ganz große Folgen haben. Für Mensch und Maschine. Doch ein gütiges Schicksal befand den Plan von Ford für gut – und ließ den GT erneut siegen in Le Mans. Ein halbes Jahrhundert später.

Im Keller haben sie ihn gebaut. Zwei Stockwerke unter dem Ooakwood Boulevard in Dearborn, Michigan. Jenseits einer grauen Feuerschutztür, hinter der man bestenfalls einen Abstellraum vermutet hätte. Letzte Lagerstätte für Dinge in einer Firma, die man nicht mehr braucht, aber irgendwie nicht wegwerfen will. Schlüssel vermutlich beim Hausmeister.

Doch da lag er nie. Auch nirgendwo sonst. Jamal Hameedi hatte einen, der Chefingenieur. Design-Boss Chris Svensson auch. Und noch genau zehn andere. Zwölf Schlüssel. Zwölf Schweigegelübde. Für genau ein Dutzend Menschen lag hinter der grauen Tür für eineinviertel Jahre ihr Arbeitsplatz. Fensterlos, kahle Betonwände, kühles Neonlicht. Kein Ort, an dem man spontan Können, Kreativität und Begeisterung vermutet – und doch so etwas wie das Allerheiligste automobilen Schaffens. Es galt eine Ikone zu bauen. Nichts weniger. Und auch noch heimlich. Sollten alle anderen im Ford-Entwicklungszentrum doch an einen Abstellraum glauben, in Wahrheit entstand hier im Keller ein Geschoss: der neue Ford GT.

Im Oktober 2013 hatte die Truppe ihr unterirdisches Quartier bezogen. Das findige Dutzend begann zu rechnen, zu zeichnen, zu tüfteln. Die Vorgabe: ein atemberaubendes Auto. Eines, das an den GT40 erinnert. Das sich auf der Straße fahren lässt. Und mit dem man Le Mans gewinnen kann. Und dann flossen sie nach und nach zusammen. All die Ideen – und all die Notwendigkeiten. Wie man den Wind am besten teilt und doch genug Platz lässt für Fahrer, Motor und Getriebe. Wie man das Chassis an den Boden saugt und gleichwohl Luft für die Kühler abzweigt. Wie man das rechte Material für jedes Bauteil findet, den besten Platz – und doch so, dass man alles blitzschnell wechseln kann.

Herausgekommen ist ein rasendes Kunstwerk. Die ästhetische Reduktion auf das Wesentliche. Wunderbar anzusehen und doch funktionell bis in die letzte Rundung. Das Cockpit nahe am aerodynamischen Optimum der Tropfenform. So radikal, dass man zwischen Dachkante und hinterem Radkasten hindurchschauen kann. Vorne im Zentrum der Fahrer, dahinter schlank das Triebwerk. V6-Biturbo. 3,5 Liter Hubraum. 656 PS. Ein Keller-Geschoss.

Am Ende verschmelzen Design und Technik. Was die Brennkammern ausstoßen, schießt durch die Endrohre, handwarme Kühlluft durch die Rücklichter. Woanders war kein Platz. Oder er wäre schlechter gewesen. Vier Ausströmöffnungen also – zwei davon beleuchtet. Auf einer Linie liegend wie beim historischen Vorbild. Darauf muss man erst einmal kommen. In einem Keller.

Das Gefühl des Sieges erobert nun auch die Straße. Dieser Tage werden die ersten GT für Deutschland ausgeliefert. Weniger als 20 Exemplare. Was sicher am Preis liegt – 500 000 Euro und mehr nehmen sie bei Ford für den rasanten Mix aus Kohlefaser, Kunststoff und Aluminium. Vor allem aber weil die Stückzahl limitiert ist. Und längst vergriffen. Exakt 250 GT werden pro Jahr gefertigt. Vorerst bis 2020. Verkaufen könnte Ford das Zigfache. Aber dann wäre der Wagen ja nicht mehr so besonders.

Geld allein reicht übrigens nicht, um eine Chance zu haben. Schon gar nicht, wenn man nur ein Geschäft wittert. Gut dran ist, wer schon reichlich Ford sein eigen nennt. Oder Glück hat. Die Produktion des dritten Jahres soll denen vorbehalten sein, die sich beworben haben, aber nicht zum Zug kamen. Alle anderen müssen sich trösten. Vielleicht damit, dass der GT nicht wirklich alltagstauglich ist – bei nur elf Litern Kofferraumvolumen.

Das legendäre Duell, übrigens, ist noch nicht zu Ende. In Austin fand am vergangenen Wochenende der sechste von neun Läufen zur Langstrecken-WM statt. Aktuell führen die Roten aus Maranello, dahinter Team Ford Chip Ganassi Racing. 40 Punkte beträgt der Abstand. Es bleibt spannend.

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