Eigener Inhalt Hoch und eilig

Wolfgang Plank

Spaß mit und an den Grenzen: Der T-Roc R vereint Sportwagen und SUV ohne Wuchtbrummer zu sein.

 
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Irgendwas ist ja immer: Sie will erhaben thronen, er satte Beschleunigung (oder umgekehrt). Die Dame liebt den Ausflug ins Gelände, der Herr drei Grad mehr Gierwinkel (oder umgekehrt). Und natürlich möchte sie auskömmlich Laderaum, er eine Hängerkupplung (nur selten umgekehrt). So oder so – derlei Debatten haben sich erledigt: Im VW T-Roc R gehen Alltag und Abenteuer, Hatz und Hochsitz, Ku’damm und Kugelkopf.

Dabei könnte der Wagen im Grunde ein Golf sein – und kommt doch so völlig anders daher. Frechdachs statt Biedermann. Zwölf Zentimeter höher bei nahezu gleicher Länge. Mit breiter Spur und kurzen Überhängen. Als wäre er auf dem Sprung. Und bei einem Ableger aus der R-GmbH darf man das wörtlich nehmen. Immerhin ist da mit Jost Capito ein Mann Chef, der VW als Motorsport-Direktor zu vier Titeln in der Rallye-WM geführt hat.

Okay, ein bisschen optische Täuschung ist im Spiel: Der üppige Platz in den Radkästen und die bis zu 19 Zoll großen Räder lenken davon ab, dass der Abstand zum Asphalt nur knapp zwei Zentimeter mehr misst als beim Golf. Dafür steht das Gestühl steiler, was für reichlich Platz sorgt und obendrein das Gefühl der Erhabenheit vermittelt. Wer statt Leuten auch mal Lasten bewegt – das Gepäckfach fasst 392 Liter, umgeklappt sind es 1237.

Dann aber hat sich’s schon mit biederen Werten. Schließlich haut der T-Roc R gepflegte 300 PS in den Triebstrang. Das sorgt für Anzug allüberall – und nur Show sind auch die schwarzen Plastikplanken nicht. Denn anders als viele Konkurrenten taugt der Fünftürer dank Allrad für mehr als nur Stöckchen und Steinchen – aber wegen seiner bloß 4,23 Meter Länge nicht wirklich zum Klima-Feindbild. Auch wenn er mit den Grenzen spielt.

Apropos: Die wahre Krönung ist das Fahrwerk. Hier zahlt sich aus, dass der T-Roc zwar hoch daherkommt, aber nicht aufgeschossen. Und weil sich mit tieferem Schwerpunkt nun mal besser trimmen lässt, erweist sich Wolfsburgs Jüngster nicht bloß als höchst agil, sondern gerät auch kaum aus dem Lot. Noch nicht mal bei den 75 Kilo Dachlast mussten die Entwickler Abstriche machen. Für die notwendige Steifigkeit haben sie dem Top-T-Roc vorne einen Alu-Hilfsrahmen spendiert und rundherum zähere Lager. Und weil Präzision immer auch mit Lenkung zu tun hat, gab’s für die eine noch sportlichere Kennlinie. Vor allem in Stellung "Race" macht der T-Roc, was man will – und zwar genau das. Für Ausflüge in und hinter den Grenzbereich lässt sich die elektronische Assistenz schrittweise beurlauben. Ein wenig Erfahrung in Sachen Flottfahrt kann da allerdings nicht schaden.

Aufmerksamkeit am wunderbar dicken Lederlenkrad ist daher durchaus von Nutzen. Gefühl im Gasfuß auch. Anders als die meisten Autos setzt der T-Roc R seine Kraft nicht schon im ersten Drittel des Pedalwegs frei und danach kaum noch, sondern beschleunigt linear. Der Connaisseur weiß derlei Dosierbarkeit zu schätzen. Das gilt auch für den Allrad, dessen Haldex-Kupplung einen Tick schneller schließt und mit mehr Moment. Hauptsache: kein Untersteuern. Wie das halt so ist, wenn ein Rennfahrer wie Benny Leuchter Einfluss nehmen darf. Dem Mann macht auf der Nordschleife so schnell keiner was vor.

Wem guter Kompromiss zu wenig ist – noch sehr viel schicker lässt sich der 1,6-Tonner mit einstellbarem Fahrwerk dirigieren. Da merkt man die Unterschiede tatsächlich. Unbedingt ordern. Eingefasst von wunderbar konturierten Sitzen unter schwarzem Himmel fühlt man sich mehr in einem Flachflitzer denn in einem Sport-Nützling. Dazu tragen auch die Lenkrad-Wippen bei, mit denen sich das Sieben-Gang-DSG aus der Reserve locken lässt. Damit es nicht nur schnell hochgeht, sondern auch fix wieder runter, kommt der T-Roc R serienmäßig mit der Bremse, für die man im Golf R das Performance-Paket ordern muss. Stahlring an Alutopf – da darf’s dann auch mal eine Verzögerung mehr sein.

Auch optisch macht der T-Roc mächtig einen auf Sport. Eigens entworfene Stoßfänger gehören ebenso zum wuchtigen Auftritt wie tiefgerötete Heckleuchten, abgedunkelte Seitenscheiben und zwei Doppelendrohre. Wer’s statt blubbernd auch spratzelnd mag – vom Röhr-Röhren-Spezialist Akrapovic? gibt’s einen um sieben Kilo leichteren Titan-Auspuff, der allerdings auch mit 3800 Euro zu Buche schlägt. Dagegen ist das adaptive Fahrwerk für 1045 Euro ein Schnäppchen. Kleiner Schönheitsfehler: Bei einem Auto für 43 995 Euro, darf man ein umschäumtes Cockpit erwarten. R und Hartplastik geht irgendwie nicht.

Was prima geht, ist zahme Fahrt. Nicht die ureigenste Bestimmung, aber die Chance, in die Nähe der 8,8 Liter Verbrauch (WLTP) zu kommen. "Viel Pferd, viel Heu" ist ein so simpler wie wahrer Spruch. Selbstverständlich hält der T-Roc R brav die Spur, erkennt auch Fußgänger und wirft im Notfall den Anker. Optional blickt er in tote Winkel, wahrt Abstand, manövriert im Stau oder parkt. Achtern an den Haken dürfen 1,9 Tonnen.

Und die Zielgruppe? Familien, sportliche Singles und Paare, deren Kinder aus dem Haus sind. Also fast alle. Nur Spießer sind garantiert nicht dabei.

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