Eigener Inhalt Hoch und heilig

Wolfgang Plank

Der Trend zum SUV ist ungebrochen. Doch statt umzusteigen, wird lieber geheuchelt - und zwar von allen.

 
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Man kann den Autobauern alles Mögliche vorwerfen: Dass sie in Sachen Abgas mindestens getrickst haben zum Beispiel. Dass sie lieber Kartelle bilden, als von ihren üppigen Margen zu lassen. Und dass sie viel zu lange versucht haben, die Mobilitätswende einfach auszusitzen. Eines aber tun sie ganz sicher nicht: Nämlich Autos bauen, die hintennach keiner kauft.

Und also steckt in der aktuellen SUV-Debatte ziemlich viel Unredlichkeit. Niemand wird zu einem Gefährt gezwungen, dem Designer die Federbeine langgezogen haben. Die Leute kaufen die Dinger freiwillig und bewusst. Seit Jahren. Jedes vierte Auto hierzulande ist bereits ein Sports Utility Vehicle. Tendenz? Weiter stark steigend. Wirklich gebraucht werden sie von den Wenigsten. Und darum scheint für die Anschaffung der rollenden Klimasünden auch kein Argument zu fadenscheinig.

Dass die Wagen-Burgen fast alle gleich aussehen – geschenkt. Aufragend ist wichtiger als aufregend. Drei Zentimeter mehr Luft nach unten, Plastikplanken, ein Hauch von Unterfahrschutz – schon gibt’s kein Halten mehr. In einer (Auto-)Welt, die von immer mehr Menschen als Krisengebiet empfunden wird, ist Sicherheit ein Wert an sich. Und was, wenn nicht eine Art Expeditionsfahrzeug, kann besser das Gefühl vermitteln, selbst in feindlicher Umgebung bestehen zu können?

So viel Geborgenheit braucht Platz. Airbags müssen unterkommen, dazu die wachsende Schar der Assistenten, und die Crash-Vorschriften erfordern immer mehr Raum für Knautschzonen. All das macht die Autos größer und schwerer. Mehr Masse aber erfordert größere Bremsen – und in der Folge immer wuchtigere Felgen. Ein sich stetig beschleunigender Kreislauf. Inklusive Gruppenzwang. Weil immer mehr erhaben auf dem Hochsitz thronen, mag der Rest sich immer seltener herabgesetzt fühlen. Ließen sich Mann oder Frau von Welt zum Ausweis stattlicher Solvenz früher noch in schnittige Sportwagen fallen, heißt es jetzt: Cayenne statt Carrera. Auch weil die Bandscheiben den Einstieg in Würde besser mitmachen als das Fädeln in einen Flachflitzer. Und also bedienen den Wunsch nach Bodenfreiheit selbst Luxusmarken. Nicht mal mehr bei Maserati, Bentley und Rolls Royce geht es ohne höhere Weihen und dicke Backen.

In der logischen Folge mehren sich schon länger Stimmen, die mahnen oder auch bejammern, dass der Platz in Städten mehr als knapp wird. Natürlich. Autos und Infrastruktur passen schon geraume Zeit nicht mehr zusammen. Auch weil die Garagenverordnungen der Länder noch aus seligen Tagen stammen, da der Käfer von Kotflügel zu Kotflügel gerade mal 1,58 Meter maß. Das aber ist kein reines SUV-Problem. Tiguan und Golf geben sich in Sachen Grundfläche nur Millimeter, der gehobene Panzer-Benz GLE und die E-Klasse übrigens auch nicht.

Gewicht und Verbrauch spielen schon eher eine Rolle. Und deshalb hilft es wenig, sich per Akku-Pack ein vermeintliches Öko-Siegel ans Heck seines Zweieinhalb-Tonners zu pappen. Ist die Batterie leergefahren, verbraucht ein Doppel-Herz-Auto auf dem Rest der Strecke sogar deutlich mehr. Und solange der Strom großteils aus Kohle stammt, steht ohnehin nur der Auspuff woanders.

Gekauft und gefahren werden Dickschiffe übrigens nicht bloß von Männern. Immer mehr Frauen mögen es statt grün lieber groß. Ihr Anteil am SUV-Eigentum geht stramm auf ein Drittel zu. Auch frau dämmt ihr Anwesen, unterschreibt für den Schutz der Eisbären und meidet im Bioladen alles, was mehr als fünf Kilometer Transportweg hinter sich hat. Nur bei der Auswahl des eigenen Wagens scheint irgendwas schief zu fahren.

Im Autohaus kümmert die sonst so Besorgten kein Regenwald mehr, kein Ozonloch und keine Schmelze an den Polen. Beim Konfigurieren muss das Klima zurückstehen. Einmal, sagen sie sich, wird man ja wohl nicht an Temperaturen und Treibhaus-Effekt denken dürfen, sondern an Turbolader und Traction-Control. Schließlich braucht man beim Überholen Reserven – schon der Sicherheit der Kinder wegen. Und wieder wird’s – ein SUV.

Dabei dürfte, wer es wirklich gut meint mit Mutter Erde, bestenfalls noch Fahrrad fahren. Was nicht immer bequem ist mit zwei Kästen Wasser, im Wolkenbruch oder zum 40 Kilometer entfernten Arbeitsplatz. Weshalb man als durchschnittlicher Mensch mit durchschnittlichem Alltag am Auto eben doch nur selten vorbeikommt. Aber vom Ledersitz eines Allrad-Monsters aus bei laufender Klimaanlage über den Anstieg des Meeresspiegels zu lamentieren, ist dann doch ein wenig zu viel des Schwindels.

Das wird nur mehr von einer Regierung übertroffen, die zwar zum wiederholten Male dem menschengemachten Anteil des Klimawandels den Kampf ansagt, deren zwischen Bonn und Berlin pendelnde Beamte allerdings im vergangenen Jahr mehr als 200 000 Hin- und Rückflüge buchten – und nur knapp 27 000 Bahn-Tickets. Bei derart viel Heuchelei haben Greta und Co. noch ordentlich zu tun…

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