Eigener Inhalt Im Wandler der Zeiten

Wolfgang Plank

Früher war Automatik Luxus. Heute basieren darauf ganze Technologien. Das Ende des Schaltgetriebes naht.

 
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Vielleicht sollten wir uns ganz schnell ans Steuer setzen und noch eine Runde drehen. Zügig und mit Freude. Solange es noch Schaltgetriebe gibt und das schöne Gefühl, selbst die Übersetzung wählen zu können. Einfach in den Gängen zu rühren, ohne dass ein Elektronik-Bauteil übernimmt, weil seine Sensoren behaupten, es sei der rechte Moment, die Zahnräder anders zu paaren. Die Zeit für Ausfahrten mit zügigen Bewegungen in der Kulisse läuft ab, denn Fahrzeuge mit altmodischer H-Schaltung wird es bald nicht mehr geben. Auf den Straßen der Zukunft, oder wie auch immer die Verkehrswege dann heißen, werden mindestens Plug-in-Hybride rollen, vor allem aber Elektro-Wagen und Wasserstoff-Fahrzeuge. Und bei so viel Fortschritt ist der Mensch mit persönlichen Vorlieben eher hinderlich.

Früher gab es vor allem einen Grund für die Automatik: Luxus. Man ließ schalten. 1939 brachte General Motors das erste Wandler-Getriebe in Serie, andere Hersteller zogen nach. Zu Beginn standen maximal drei Fahrstufen zur Verfügung – keine Spur von Effizienz. Im Gegenteil. Das etwas träge Sortieren der Gänge, verbunden mit starkem Kopfnicken hatte etwas von Erhabenheit. Es ging schließlich nicht um Rundenzeiten, sondern um die gepflegte Akzeleration. Das deutliche Plus beim Spritverbrauch war kein Problem. Zeigte es doch vor allem, dass man sich Komfort leisten konnte.

Vorbei. Die Automatik hat mittlerweile auch technisch die Welle vorne. Die Gänge gehen fast ruckfrei ineinander über. Selbst Sprünge über zwei oder drei Stufen beim Kickdown erledigt so ein Apparat geschmeidig. Sogar stufenlose Getriebe sind auf dem Markt. Die schieben die Motorkraft über einen Wandler auf zwei Scheibensätze, zwischen denen eine Kette läuft.

Auch der Verbrauch ist mittlerweile kein Thema mehr. Schon mit sechs Fahrstufen ist der Wandler dem Schalter ebenbürtig. Und die immer öfter verbauten Acht-Gang-Systeme schlägt im Handbetrieb nicht mal mehr ein Sparfuchs. Allerdings sind die Selbst-Schalter immer noch teuer. Nur dieser Aufpreis – und etwas Wehmut bei manchen Käufern – verhindern noch, dass die Automatik allüberall zur Serienausstattung wird.

Den Trend zum Gangwechsel von Geisterhand hat auch das Doppelkupplungsgetriebe beschleunigt. Das ist streng genommen keine Automatik, funktioniert aber so. Während in einem Gang gefahren wird, ist der nächste schon eingelegt, ruht aber noch. Ist der ideale Schaltpunkt erreicht, öffnet sich eine Kupplung und die andere schließt sich. Klingt kompliziert, ist aber kompakt, sparsam und günstig. Und ermöglicht Gangwechsel im Bereich von Millisekunden. Was die Technik nicht nur für kleine Autos interessant macht, sondern auch für Sportwagen. Und der Aufpreis liegt mit unter 2000 Euro deutlich niedriger als bei einem Wandler.

Längst ist Schaltenlassen technisches Gebot. Viele Assistenz-Systeme sind ohne Automatik nicht denkbar. Der Abstandsregeltempomat etwa bremst bei Bedarf bis zum Stillstand ab, was bei einem Schaltgetriebe den Motor abwürgen würde. Auch Stop-and-Go funktioniert nur ohne Handbetrieb, ebenso der ideale Einpark-Assistent. Die gesamte Hybrid-Technologie basiert darauf, dass nicht der Mensch darin herumstümpert, sondern ein Rechner eine vernünftige Betriebsstrategie entwirft. Ein Steuergerät muss anhand von Sensor-Daten entscheiden, wann der E-Motor den Verbrenner unterstützen sollte – oder vielleicht doch besser die Batterie laden.

Bald dürfte die Acht-Gang-Automatik ihren Vorgänger mit sechs Schaltstufen komplett verdrängen. Das macht Sinn, denn je mehr Fahrstufen es gibt, desto leichter kann der Motor im idealen Drehzahlbereich arbeiten. Auch die Übersetzung des ersten Gangs kann bei mehr Stufen sehr kurz gewählt werden. Beim Anfahren wird weniger Energie vernichtet und die Kupplung erhitzt sich nicht so stark. Und: Bei Hybrid-Antrieben kann man einen kleineren Elektromotor verbauen, weil trotzdem genug Drehmoment an die Räder kommt. Umgekehrt können die hohen Gänge besonders lang sein. Das senkt bei schneller Fahrt die Drehzahlen und den Verbrauch.

Noch überbieten sich daher die Hersteller mit immer mehr Fahrstufen. Land Rover und Mercedes haben bereits neun Gänge im Programm, Toyota und Ford zehn – und die Amerikaner haben sich sogar eine elfstufige Automatik patentieren lassen. Doch das Wettrüsten dürfte bald ein Ende haben. Denn jenseits von acht Gängen wiegen Gewicht, Platz und Kompliziertheit die Vorteile kaum noch auf.

Wer es dennoch dynamischer will, kann bei vielen Herstellern einen Sportmodus aktivieren. Dann wechseln die Fahrstufen später und der Motor kann höher drehen. Wahlweise können Gänge auch über einen Hebel angewählt werden oder über Schaltwippen am Lenkrad.

Das letzte bisschen Fahrspaß geht eben doch nur von Hand.

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