Eigener Inhalt Lass’ fahren dahin…

Wolfgang Plank

Womöglich muss man sich einfach mal die Zeit nehmen und ein bisschen den Verkehr beobachten. An einer belebten Innenstadt-Kreuzung etwa oder von sicherer Brücke aus Richtung Autobahn. Die genaue Position tut nicht viel zur Sache, so oder so wird man schnell Zeuge eines Wunders. Genau genommen ganz vieler. Dass es nämlich nicht öfter kracht als es das ohnehin schon tut. Bei all den Rasern, Trödlern, Nicht-Denkern, Egoisten, Angsthasen, Tagträumern - und selbstverständlich immer auch -innen. Bei all den Termingedrückten und Stressgeplagten, den Genervten und Überforderten.

 
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Gerne ist man da zu glauben geneigt, dass der Mensch das mit Abstand größte Risiko am Steuer darstellt. Und also jeder Automat ein Segen sein müsste. In der Tat reagiert jedes moderne Auto schon jetzt schneller und zuverlässiger als gut 90 Prozent derer, die es bewegen.

Doch spätestens seit dem 14. Februar 2016 wissen wir, dass auch Computer am Lenkrad Mist bauen. Da streifte das ferngelenkte Google-Auto bei San Francisco einen Bus. Kurz darauf identifizierten Autopilot-Sensoren eines Tesla in den USA einen querenden Lastzug als Brücke, der Fahrer starb bei dem Unfall. Wiederum ein Tesla krachte in den USA in ein auf dem Standstreifen stehendes Feuerwehrauto, und eben erst hat ein autonomer Testwagen von Uber eine Fußgängerin totgefahren.

Fairerweise muss man daran erinnern, dass Assistenz-Systeme nicht ohne Grund genau so heißen. Sie unterstützen den Fahrer. Was umgekehrt bedeutet, dass der eben nicht einfach die Hände in den Schoß, wahlweise an den Laptop legen kann. Auch wenn Ex-Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) bei der Beschreibung seines Gesetzes, das er "das modernste Straßenverkehrsrecht der Welt" nannte, genau das gerne glauben machen wollte. Im Klartext: Auch wenn der Wagen selbsttätig fährt, ist die Person hinter dem Lenkrad in der Pflicht, aufmerksam zu bleiben und jederzeit einzugreifen. Wie sich das mit entspannter E-Mail-Lektüre vereinbaren lassen soll, hat Herr Dobrindt nie erklärt.

Was all das für die weitere Zukunft des autonomen Fahrens bedeutet, ist auch keineswegs klar. Schon aus rechtlichen Gründen müssten wohl sämtliche Auto-Daten zumindest für mehrere Minuten gespeichert werden. Vermutlich müsste man sogar aufzeichnen, ob der Fahrer überhaupt zu einer Reaktion bereit und in der Lage war. Was, wenn er nur gedankenverloren in einen Bildschirm starrte?

Zudem müsste man technischem Versagen vorbeugen – ähnlich wie im Flugzeug. Vielleicht bräuchte man keine zwei Bremssysteme, mindestens aber zwei parallele Rechner und eine doppelte Bord-Elektrik. Völlig unabhängig voneinander. Nicht auszudenken was geschehen könnte, falls bei 180 auf der linken Spur dem Elektronengehirn plötzlich der Saft wegbliebe. Preiswerter macht das die Geschichte allerdings nicht.

Ein System ist eben umso anfälliger, je komplexer es ist. Und komplexer als bei einem selbstfahrenden Auto inmitten nicht selbstfahrender Autos ist es derzeit kaum vorstellbar. Das mag auf den blau beschilderten Bahnen noch verhältnismäßig einfach sein, doch abseits davon warten Gegenverkehr, Kreuzungen, Zebrastreifen, Radfahrer und Kinder am Straßenrand. Schwierigste Bedingungen für ferngesteuertes Fortkommen. Tausende Male in der Sekunde erkennen, analysieren, entscheiden –
und auf dieser Basis lenken, bremsen oder Gas geben.

Schon ein simpler Kreisverkehr ist für Chauffeur Chip eine große Herausforderung. Ebenso eine Ampel. Vor allem, wenn es mehrere gibt. Womöglich in gleißender Sonne. Um das rechte Licht zu deuten, müssen Pfeile erkannt werden, die aus der Entfernung nur wenige Pixel groß sind. Das ist technisch am Rand dessen, was aktuelle Sensoren erfassen können. Auch enger werdende Kurven lassen den Automaten gerne mal aussteigen. Was bei Gegenverkehr besonders unschön wird, aber eben auch schon bei Verkehrsinseln oder Randsteinen.

Arizonas Gouverneur Doug Ducey übrigens hat Uber das Testen autonomer Fahrzeuge auf öffentlichen Straßen des US-Bundesstaates untersagt. Videoaufnahmen des verheerenden Unfalls ließen ihn daran zweifeln, dass die Firma in der Lage sei, ihre Technologie sicher zu testen, erklärte der Mann, der bislang als großer Fürsprecher für autonomes Fahren galt. Warum die Sensoren des Fahrzeugs die Fußgängerin, die ein Fahrrad schob, nicht rechtzeitig bemerkten, ist weiter unklar.

Bis zum vollautomatischen Shuttle-Service dürfte es also trotz des gewaltigen Fortschritts noch ein weiter Weg sein. Deutlich eher dürften Teillösungen Alltag werden. Im Parkhaus etwa, wo der Wagen ganz alleine seinen Platz sucht und bei Abholung wieder anrollt.

Dass das Auto der Zukunft aber noch so Spaß macht wie früher – die Hoffnung können wir getrost fahren lassen.

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