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Wolfgang Plank

Üblicherweise verkaufen sich Škoda-Bestseller zu Zigtausenden im Jahr. Dennoch gilt ein Wagen als ganz besonders erfolgreich, von dem sie in Mladá Boleslav seit April 2015 gerade mal gut 300 Exemplare abgesetzt haben. Und auch wenn das Gefährt eine Straßenzulassung hat - ein ganz normales Auto ist dieser Fabia kein bisschen.

 
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Man kann damit – hinreichend Talent vorausgesetzt – deutscher Rallye-Champion werden wie Fabian Kreim. Der Vorname klingt nach Programm, ist aber Zufall. Man kann Europameister wie eben erst Chris Ingram. Sogar der Weltmeister-Titel in der Kategorie WRC2 ist am Steuer eines Fabia drin. Mit Esapekka Lappi (2016), Pontus Tidemand (2017), Jan Kopecky (2018) und Kalle Rovanperä (2019) vier Mal in Folge. Allerdings trennt den gefiederten Pfeil im Schaufenster von dem siegersekttropfenden auf dem Podium ein kleines Kürzel: R5.

Den Unterschied kann man an den dicken Backen sehen – und sehr viel deutlicher noch am Preis. Während Škodas Stadtflitzer ab 13 390 Euro brutto den Besitzer wechselt, werden für einen fahrfertigen Rallye-Fabia schlappe 180 000 Euro fällig. Soll der Wagen siegfähig sein, sind es eher 230 000 Euro. Plus Mehrwertsteuer. Das ist viel Geld und trotzdem im Vergleich günstig. Die wesentlich freizügigeren World Rallye Cars kosten locker das Dreifache.

Das Geschäft brummt. Längst lässt sich in der zweiten Liga des weltweiten Rallyesports gutes Geld verdienen: Vierzylinder-Turbo, maximal 1,6 Liter Hubraum, 1230 Kilo Mindestgewicht. Etwa 700 Exemplare diverser Marken sind weltweit unterwegs – gelegentliche Kaltverformungen stellen die Nachfrage sicher. Damit die Kosten nicht ausufern, dürfen sich die Hersteller innerhalb ihrer Konzern-Regale bedienen. Der Lader, der dem Fabia-Motor an die 300 PS einhaucht, tut auch im Audi S3 Dienst; die Lenkung stammt in weiten Teilen vom Kleinlaster Crafter.

Und so sieht der Rallye-Fabia eben doch nur ähnlich aus wie sein Serien-Pendant. Für die breiteren Räder braucht es wuchtigere Kotflügel, für mehr Luft größere Einlässe, für schnelleres Schalten ein sequenzielles Getriebe, für mehr Vortrieb den Allrad. Das Innere ist ausgeräumt, die Fahrgast-Zelle eine im Wortsinn. Mehr als Überrollkäfig, Schalensitze, Feuerlöscher und Sechspunkt-Gurte sind nicht zu finden. Performance rangiert eindeutig vor Gemütlichkeit.

Mitte der Saison haben sie in Mladá Boleslav noch einmal kräftig aufgerüstet. Schließlich schläft die Konkurrenz um den Lorbeer nicht. Schon gar nicht die Polo-Bauer von VW-Motorsport. Tauchte da doch ein Team in der R5-Kategorie auf, das bis zu seinem abrupten Ausstieg 2016 viermal in Folge die Rallye-WM der großen WRC nach Belieben dominierte.

Und so verpassten die Škoda-Ingenieure dem auf dem Facelift-Fabia basierenden R5 Evo einen stärkeren und schneller ansprechenden Motor, eine effektivere Kühlung, ein neu abgestimmtes Getriebe, eine direktere Lenkung – vor allem aber eine deutlich variablere Fahrwerksgeometrie. Klingt einfach – war es aber nicht. Tausende Testkilometer wurden Prototypen über Schotter, Asphalt, Eis und Schnee geprügelt, um jede denkbare Schwachstelle schon vor dem ersten Einsatz zu finden.

Vom Werks-Engagement in der WRC2 abgesehen, laufen die Einsätze unter Kundensport. Heißt: Verkauf der Autos an Rallye-Teams oder betuchte Privatiers. Inklusive einer weltweiten Ersatzteil-Logistik. So gesehen war auch "Škoda Auto Deutschland" Kunde. Ein letztes Mal. Im kommenden Jahr wird man in der Deutschen Rallyemeisterschaft kein eigenes Team mehr einsetzen. Die Elektro-Strategie im VW-Konzern fordert eben auch Opfer.

Ein klein wenig gibt es dennoch für ganz normale Kunden zu feiern. Mögen am Ende nur mehr Türgriffe, Frontscheibe und Heckklappen-Schloss mit dem Fließband-Fabia identisch sein – die DNA des Rallyesports steckt gleichwohl in jedem Škoda. Wenigstens ein bisschen. Weil so ziemlich alle Erkenntnisse irgendwann in der Serie landen. Radaufhängung, Gewichtsverteilung, Fahrwerk, Elektronik und was sonst noch alles. Schließlich gibt es keine härteren Tests als die Rallye-Pisten dieser Welt.

Kleiner Trost für alle, die sich mit einem Serien-Škoda bescheiden müssen: So ein R5 Evo hat keinen Kofferraum, kommt ohne Handbremse nur schwer ums Eck und verlangt unter Volllast nach mehr als einem halben Liter Sprit pro Kilometer. Aber mächtig Spaß macht er halt schon . . .

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