Eigener Inhalt Polo fürs Podium

Wolfgang Plank

VW ist zurück im Rallyesport - aber nicht als Werk. Der R5 soll Käufer finden. Und die warten schon.

 
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Es sieht aus wie früher: die Burg aus Trucks, das Service-Zelt, die Kisten mit Werkzeug und Ersatzteilen. So wie stets, wenn sie bei VW siegreich um den Globus zogen. Die Motorsport-Truppe, die in Hannover ihre Heimat hat, räumte in Serie ab, wo abzuräumen war: erst mit dem Race-Touareg im Sand, dann mit dem Polo WRC auf Asphalt, Schnee und Schotter. Hier im spanischen Salou, nicht weit von Tarragona, fuhren sie 2013 ihre erste Rallye-WM ein, drei weitere sollten folgen.

Jetzt stehen sie wieder hier. Inmitten der Teams, die vergeblich versuchten, die VW-Dominanz zu brechen. Dieselben Ingenieure und Mechaniker mit ihren Laptops, Wagenhebern und Schlagschraubern. Wieder warten sie auf ihre Polos . . .

Und doch ist nichts wie es war. VW wurde eingeholt. Nicht von der Konkurrenz auf den Pisten, sondern vom Diesel-Skandal auf den Straßen. Es folgten Milliarden-Strafen – und der neue Konzern-Boss Herbert Diess verfügte: "Gentlemen, stop your engines!" Keine Chance auf eine Fortsetzung der Siegesserie. Werkseinsätze waren gestern. Das Morgen hieß Kundensport. Eine Handbrems-Kehre. Auch in den Köpfen.

Früher zählten Titel, nicht so sehr Kosten. Was an Teilen gebraucht wurde, war da. Oder wurde beschafft. Notfalls konstruiert. Und lieber dreimal zu früh gewechselt als einmal zu spät. Der Erfolg gab dem teuren Tun recht. Vier Jahre in Folge war VW im Rallye-Zirkus unschlagbar. Nun heißt es Autos zu bauen, die verkauft werden sollen. Autos nach R5-Reglement.

Das ist eine Stufe unter den freizügigen World Rallye Cars. Weniger Leistung, weniger Gänge – vor allem weniger teuer. Ein Mix aus Performance und Preis. Weshalb sich Hersteller in den Konzern-Regalen bedienen müssen. Der Turbolader etwa, der dem 1,6-Liter-Motor 272 PS einhaucht, tut auch in anderen Modellen Dienst; die Lenkung stammt von Crafter und Touareg. Netter Nebeneffekt. Je weniger Spezialteile – umso besser kommen Privatteams später mit der Wartung klar.

Auch sonst macht das Kürzel R5 einen gewaltigen Unterschied. Für die breiten Räder braucht es wuchtige Kotflügel, für mehr Luft große Einlässe, für schnelleres Schalten ein sequenzielles Getriebe, für mehr Vortrieb den Allrad. Das Innere ist ausgeräumt, die Fahrgast-Zelle eine im Wortsinn. An die 40 Meter kunstvoll verschweißtes Stahlrohr, zwei Sitze, Gurte, Feuerlöscher – Komfort ist nun mal nicht die Kernkompetenz eines Rallyeautos. Immerhin: Das Gaspedal stammt vom Serienauto.

Deutlicher noch als an dicken Backen sieht man den Unterschied am Preis. Während der Straßen-Polo ab 13 000 Euro brutto den Besitzer wechselt, werden für einen R5 von der FIA festgelegte 190 000 Euro plus Steuer fällig. Fahrfertig. Siegfähig kostet an die 40 000 Euro extra. Schon lukrativer als eine Handvoll sündteurer Einzelstücke auf eigene Rechnung.

Die neue Rallye-Geschichte von VW beginnt Ende 2016. Am Computer, weil der künftige Polo noch nicht fertig ist. Manches holt man sich vom erfolgreichen Škoda Fabia, anderes wird verfeinert, vieles neu konstruiert. Der VW ist schließlich acht Zentimeter länger und zwölf Zentimeter breiter als der R5 aus Mladá Boleslav. Unendlich weit aber geht die Konzern-Liebe nicht. Kundensport heißt, Autos an Rennställe oder solvente Privatiers zu bringen. Auch in diesem Geschäft gilt: Die Konkurrenz ist böse und schläft nicht. Und wer siegt, hat eben stets ein Argument mehr.

Vergangenes Wochenende: Feuertaufe bei der Rallye Spanien. Die einzige im WM-Kalender, die über Schotter und Asphalt führt. Ideales Geläuf für eine Präsentation. Ex-Weltmeister Petter Solberg pilotiert den einen Polo, den anderen Eric Camilli. Offiziell gibt es keine Order. Aber der erfahrene Norweger soll Zuverlässigkeit beweisen, der junge Franzose Speed.

Beide machen ihren Job so souverän wie das Auto. Nach dem Freitag auf Schotter stehen die Polos auf eins und drei. Selbst bei VW ist man überrascht. Auf Asphalt schlagen die Škoda-Piloten zurück, doch am Ende behauptet Solberg einen hervorragenden dritten Rang. Camilli setzt vier Bestzeiten, aber sein Schalthebel bricht. Trotz der 10 000 Test-Kilometer, die der Polo R5 abgespult hat. Im Team nimmt man’s gelassen. "Besser hier als später bei Kunden." Noch in der Nacht läuft Operation "Shifter" an. Die neuen Hebel werden aus stärkerem Material sein.

Doch bei aller Zufriedenheit bleibt ein bisschen Wehmut. VW ist zurück im Rallye-Zirkus, aber eben nur mit Autos – nicht als Werk. Aber Zeit zum Grübeln bleibt nicht. Bis Weihnachten müssen 15 schon verkaufte Polos aufgebaut werden. 2019 sollen weitere 40 folgen und dann 50 jedes Jahr.

Bloß die Entwickler in Wolfsburg freuen sich. Weil alle Erkenntnisse irgendwann in die Serie fließen. Über Radaufhängung, Gewichtsverteilung Fahrwerk, Ansprechverhalten und was sonst noch alles. Schließlich gibt es keine härteren Tests als die Rallye-Pisten dieser Welt.

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