Eigener Inhalt Range Rover Velar: Eine Frage des Stils

Wolfgang Plank

Es gibt Autos, vor denen sieht man im feinen Zwirn einigermaßen deplatziert aus. Neben anderen wiederum wird man in schweren Stiefeln milde belächelt. Wer also - je nach Anlass - beiderlei trägt, sollte sich womöglich den neuen Range Rover Velar genauer ansehen.

 
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Der nämlich ist einer der wenigen Wagen, zu dem Mann im Smoking vor der Oper eine ebenso gute Figur abgibt wie in Jägerkluft am Waldesrand. Und Frau in der heiratsanzeigenüblichen Kombi Abendkleid und Jeans.

Gedacht ist der Velar für jene, denen der Range Rover Sport ein wenig zu ausladend daherkommt – der Evoque aber wegen seiner nur vier Zylinder nicht standesgemäß genug. Die gelegentlich mal neben der Spur sein wollen oder müssen. Und die trotz Brexit und indischer Konzern-Hoheit so etwas schätzen wie die feine englische Art.

So kommt es, dass man beim Anblick des Neuen unwillkürlich an leichten Nebel denkt und an Gentlemen in gewebtem Grün, die sich nach dem Tontauben-Schießen auf den Ländereien des Lords Richtung Herrenhaus aufmachen. Zum Tee im Westflügel. Und weil der Weg durchs Gelände führt, hat man selbstredend den Geländewagen gewählt.

Einen, der den Namen auch verdient. 4,80 Meter Länge, Allrad, Luftfederung, 25 Zentimeter Bodenfreiheit, 65 Zentimeter Wattiefe. Immun gegen jedes Ungemach – komme es nun von oben oder unten. Rustikal und herrschaftlich zugleich. Mit allerbesten Referenzen. Wer, wenn nicht die Queen wüsste, mit welchem Fabrikat man sogar abseits des Asphalts majestätisch unterwegs ist?

Derlei königlicher Vortrieb erfordert natürlich eine gewisse motorische Überlegenheit, weswegen die Top-Modelle der Baureihe der achtstufigen Automatik ihre Kraft aus drei Litern Hubraum und sechs Brennkammern anreichen. 300 PS sind es beim Diesel, 380 beim Benziner. Der eine brilliert mit souveränen 700 Nm Drehmoment, der andere mit säuselndem Kompressor-Antrieb. Ersterer treibt den knapp zwei Tonnen schweren Alu-Koffer in 6,5 Sekunden auf Landstraßen-Tempo und kommt offiziell mit 6,4 Litern aus, letzterer ist auch nur acht Zehntel schneller, genehmigt sich aber 9,4 Liter. Da mögen Politiker erzählen was sie wollen: Nur Vorteile hat der Benziner halt auch nicht.

Drinnen gibt’s Opulenz ab Werk. Wenn denn gewünscht. Wer mag, kann indes auch ganz nachhaltig auf noblem Tuch Platz nehmen. Ohne Leder und Holz rundum. Eine Art Reduktion auf das Wesentliche. Die gilt auch für die Bedienung, die sich in drei mehrfach belegten Drehknöpfen erschöpft. Im Gegenzug finden sich dafür zwei 12-Zoll-Touchscreens auf dem wuchtigen Mitteltunnel. Der Platz vorne ist höchst kommod, hinten indes weniger üppig als drei Meter Radstand vermuten lassen. Dafür finden knapp 700 Liter Gepäck ihren Platz, bei umgeklappten Rücklehnen sogar 1731.

Überaus erfreulich: Beim Velar fährt man noch selbst. Er kann zwar Tempo, Spur und Abstand halten, lässt einem ansonsten aber das Gefühl von Freiheit. Und das mit einem höchst ausgewogenen Fahrwerk, das in schnellen Kurven den Wagen wunderbar im Lot hält, aber eben auch erlaubt, dass man Anstiege selbst dort noch elegant befährt, wo üblicherweise bereits eine Gondel verkehrt.

Natürlich hat all das seinen Preis. Stolze 108 000 Euro muss man für das ganz große Lord-Gefühl mindestens ausgeben. Dafür sind dann aber Differenzialsperre, Panoramadach, 22-Zoll-Räder und allerlei mehr schon dabei. Umgeben ist man in seinen 18-fach elektrisch verstell- und belüftbaren Sitzen von 23 Lautsprechern einer 1600-Watt-Soundanlage. Und zum bequemeren Ein- und Aussteigen lässt sich das Chassis um vier Zentimeter absenken. Fehlt eigentlich nur mehr der Butler…

Doch keine Sorge – es gibt den Range Rover Velar auch abseits der First Edition. Und damit deutlich billiger. Als Zwei-Liter-Diesel mit 180 und 240 PS sowie als Zwei-Liter-Benziner mit 250 und 300 PS. Unabhängig von der Verbrennungsart schieben sich dann die stilvoll versenkten Türgriffe schon bei 56 400 Euro aus der Silhouette. Allerdings muss man halt auch mit 18-Zöllern, Stahl-Federung und ohne Schaltwippen
am Lenkrad auskommen. Immerhin: Allrad, adaptives Fahrwerk und die überaus sanft sortierende Acht-Stufen-Automatik sind Serie.

Nach oben ist reichlich Luft, wie man unschwer ahnen kann. Inmitten von Matrix-Leuchten, Leder-Bespannungen und diversen Breit-Rädern nehmen sich die 1248 Euro für die elektrisch ausfahrbare Anhängerkupplung und die ebenso teure Hinterachs-Sperre geradezu wie Schnäppchen aus.

Doch was man in der Aufpreisliste erspart, könnte man in London ausgeben. In der Savile Row. Bei Gieves & Hawkes zum Beispiel oder Anderson & Sheppard. Erste Adressen in Sachen Maßanzug. Da, wo die Schneider im Dreiteiler Dienst tun und im Laden gerne ein Kaminfeuer knistert. Wo man nobelstes Tuch bereithält und besten Harris-Tweed. Falls man Smoking braucht – und Jägerkluft.

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