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Wolfgang Plank

Der Golf 8 GTI wandelt sich auf Druck zur Fahrmaschine - und womöglich endet mit ihm eine Ära

 
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Seit es den Golf gibt, ist er der Mitte Maß. Brav, bieder – aber als GTI eben immer auch ein Rebell. Sportlich druckvoll und doch uneingeschränkt alltagstauglich. Das ist in Generation 8 nicht anders: Der traditionell Rot-Linierte schnürt mit einem 245 PS starken Zwei-Liter-Triebwerk über Land, das den Standard-Spurt in 6,3 Sekunden erledigt und beim Vorläufer noch einem eigenen Modell vorbehalten war. Nun ist "Performance" serienmäßig.

Mehr noch als bisher in den sportlichen Beinen. Was die VW-Entwickler in Sachen Fahrwerk ertüftelt haben, hat für kompakte Fronttriebler durchaus Referenz-Charakter. Wer nicht komplett böswillig zu Werke geht, erlebt – auch dank der elektronischen Quersperre – kein Untersteuern mehr. Puristen indes müssen ganz stark sein: Mehr denn je ist es die Elektronik, die den Unterschied zur Fahrmaschine macht. Deshalb unbedingt die einstellbare Variante ordern.

Alu-Hilfsrahmen, modifizierte Querlenkerlager, geänderte Federraten – all das ist bloß die gute Basis. Entscheidend ist die Abstimmung der Software. Ein "Fahrdynamikmanager" getauftes Steuergerät verhilft bei jedem Manöver Sperren und Dämpfern gezielt zum Optimum – 200 Mal pro Sekunde. Der vielzitierte Wimpernschlag ist daran gemessen eine Ewigkeit. Das Resultat: Auf dem Handlingkurs des VW-Testgeländes in Ehra-Lessien schenkt der neue GTI dem Vorgänger gut eine Sekunde pro Kilometer ein.

Es zahlt sich eben aus, dass der Golf 8 ursprünglich auch im Hinblick auf den Rennsport-Einsatz entwickelt wurde. Da Konzernchef Herbert Diess nach dem Ausstieg aus der Rallye-WM allerdings auch kurzfristig den Stopp für VW in der Tourenwagen-Serie TCR verfügte, wird derlei Erfahrung aus dem Wettbewerb künftig schmerzlich fehlen. Nur Akku ist eben nicht alles. Doch womöglich ist dieser GTI ja schon Wolfsburgs letzter Rebell . . .

Noch aber lässt sich aufgeigen, dass es eine Freude ist. Nummer 8 ist per Progressivlenkung überaus präzise zu steuern, wunderbar zu kontrollieren und deutlich später an seinen Grenzen als die allermeisten, die ihn je fahren. Das liegt auch an bissigen Bremsen und den 1460 Kilo, mit denen ein Auto heutzutage ja schon als leicht gilt.

Serienmäßig verlangt der Rotlinierte nach Handarbeit in der Mittelkonsole. Ein kleiner Trost für jene, die eine Automatik immer nur für die zweitbeste Lösung bei der Drehzahl-Suche halten. Tempo 250 schafft man mit beiden Versionen, doch ein Zahnrad-Paar mehr bei weniger Verbrauch hat auch was. Zumal das DSG dank "shift by wire" nicht mehr mechanisch gesteuert wird, sondern per Datenfluss. Das eröffnet Assistenz zum Nachrüsten. Und wem der Sinn gelegentlich nach Selbstsortierung steht, der darf beherzt in die Wippen greifen. Der Auspuff dankt sonor für derlei Engagement.

Trotzdem kann der GTI auch prima Alltag. Man cruist dahin – unter schwarzem Himmel und eingefasst von gut konturiertem Sport-Gestühl. Den Blick auf das digitale Cockpit, bei dem man zum mittigen Drehzahlmesser noch zwei Anzeigen nach Wahl konfigurieren kann. Der Wagen wacht derweil über Abstand und Spur, bremst zur Not selbsttätig und gibt im Stau den Chauffeur. Wer statt Leuten Lasten bewegt – das Gepäckfach des 4,30-Meter-Flitzers fasst 380 Liter, mit flachgelegten Lehnen sind’s fast 1,3 Kubikmeter.

Alles gewichtige Argumente, falls man einen Sportwagen mit dicken, roten Bremssätteln, Doppelrohr-Auspuff und bis zu 19 Zoll großen Rädern zu Hause nur schwer durchsetzen kann. Ganz tarnen allerdings lässt sich der GTI nicht. Dafür sorgt die Licht-Signatur – die Nebelscheinwerfer leuchten erstmals sogar X-förmig.

Für den Wandel gibt es den Bildschirm. Von zart bis hart lässt sich individuell verfeinern. Besonders da, wo die Fahrbahn üblicherweise nicht von Leitpfosten begrenzt ist, sondern von rot-weiß lackierten Curbs. Im Prinzip aber reicht für den Kick ein Tipp. Die besten Zeiten nämlich erfährt man sich in Stellung "Sport". Darüber hinaus gehen als Extraportion Fahrspaß ein paar Grad mehr um die Hochachse. Das ist schicker, aber nicht schneller . . .

All das hat selbstverständlich seinen Preis. Das Einstiegsgebot von 35 000 Euro ist eher theoretischer Natur. Mindestens die rund 2500 Euro extra für das regelbare Fahrwerk sollten sein. Noch ein wenig Schnick und Schnack – schon steht eine Vier vorne. Das ist nicht wenig Geld. Auch wenn den Wagen eine rote Linie ziert, gemessen am Spaß sogar eine feuerrote.

Apropos: Mag der GTI digital sein wie nie, er bleibt doch emotional wie immer. Der Startknopf pulsiert im Herzschlag-Takt rot. Sieht so aus, als wolle er zu einem kleinen Tipp-Kick ermuntern.

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